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Mathematik: Ein einfacher Beweis für den Hauptsatz der Galoistheorie
Released by matroid on So. 20. Dezember 2020 06:01:00 [Statistics] [Comments]
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Mathematik

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Ein einfacher Beweis für den Hauptsatz der Galoistheorie

Ich habe mir einen einfachen Beweis für den Hauptsatz der Galoistheorie überlegt. Er kommt gänzlich ohne Dimensionsargumente aus. Die eine Hälfte des Beweises ergibt sich letztlich aus Grundlagen über Homomorphismen in einen algebraischen Abschluss, wohingegen die andere Hälfte auf einem kombinatorischen Resultat basiert, nämlich dass ein Körper nicht als Vereinigung von endlich vielen echten Teilkörpern geschrieben werden kann. Ich setze nur Grundbegriffe von Körpererweiterungen als bekannt voraus und stelle ebenfalls die benötigten Grundlagen von separablen und normalen Erweiterungen vor.


Grundlagen

Wir setzen hier Grundbegriffe über Erweiterungen von Körpern voraus, insbesondere was endliche und algebraische Erweiterungen $L/K$ sind, was der Grad einer Erweiterung ist, den Gradsatz, was $K$-Homomorphismen zwischen Erweiterungen von $K$ sind, wie Minimalpolynome definiert sind, dass $K(a)=K[a] \cong K[T]/\langle f \rangle$ für das Minimalpolynom $f$ von $a \in L$ über $K$ gilt, was der algebraische Abschluss eines Körpers ist und dass er immer existiert. Alles andere wird in diesem Artikel erklärt. Lemma 1. Seien $L/K$ und $M/K$ zwei Erweiterungen. Sei $a \in L$ algebraisch über $K$ mit Minimalpolynom $f \in K[T]$. Dann gibt es eine Bijektion zwischen den $K$-Homomorphismen $K(a) \longrightarrow M$ und den Elementen $m \in M$ mit $f(m)=0$. Einem $K$-Homomorphismus $\alpha : K(a) \longrightarrow M$ wird hierbei das Element $\alpha(a) \in M$ zugeordnet. Beweis. Die $K$-Homomorphismen $K[T]/\langle f \rangle \cong K(a) \longrightarrow M$ entsprechen wegen der universellen Eigenschaft des Quotientenringes den $K$-Homomorphismen $K[T] \longrightarrow M$, die $f$ im Kern enthalten. Diese haben wegen der universellen Eigenschaft des Polynomringes die Form $\mathrm{ev}_m : f \mapsto f(m)$ mit Elementen $m \in M$, und die Kernbedingung besagt gerade $f(m)=0$. $\checkmark$ Lemma 2. Sei $L/K$ eine algebraische Erweiterung. Sei $M$ ein algebraisch abgeschlossener Körper (das heißt, jedes nicht-konstante Polynom über $M$ besitzt eine Nullstelle in $M$). Dann besitzt jeder Homomorphismus $K \longrightarrow M$ eine Fortsetzung $L \longrightarrow M$. Beweis. Wir betrachten die Menge der Fortsetzungen $E \longrightarrow M$ auf Zwischenkörper $E$ von $L/K$ und definieren eine partielle Ordnung auf ihr: Es sei $(E \longrightarrow M) \leq (E' \longrightarrow M)$, wenn $E \subseteq E'$ und $E \longrightarrow M$ die Einschränkung von $E' \longrightarrow M$ ist. Man sieht leicht, dass das Zornsche Lemma anwendbar ist (jede Kette $\{E_i \longrightarrow M\}$ hat eine obere Schranke, nämlich die Fortsetzung $\bigcup_i E_i \longrightarrow M$) und daher ein maximales Element $E \longrightarrow M$ existiert. Mittels $E \longrightarrow M$ können wir $M$ als Erweiterung von $E$ ansehen. Für $a \in L$ sei $f \in E[T]$ das Minimalpolynom von $a$ über $E$. Dieses hat in $M$ eine Nullstelle, weil $M$ algebraisch abgeschlossen ist. Wegen Lemma 1 können wir damit $E \longrightarrow M$ auf $E(a)$ fortsetzen. Die Maximalität von $E \longrightarrow M$ liefert nun aber $E(a)=E$ und damit $a \in E$. Also ist $L=E$ und wir sind fertig. $\checkmark$ Wir werden, was den Hauptsatz der Galoistheorie angeht, Lemma 2 lediglich für endliche Erweiterungen $L/K$ benötigen. In diesem Fall braucht man natürlich das Zornsche Lemma nicht zu verwenden; eine Induktion nach dem Grad $[L:K]$ ist ausreichend. Lemma 3. Sei $L/K$ eine algebraische Erweiterung. Dann gilt $\mathrm{Hom}_K(L,L) = \mathrm{Aut}_K(L)$. Beweis. Sei $\varphi : L \longrightarrow L$ ein $K$-Homomorphismus. Sicherlich ist $\varphi$ injektiv. Wir müssen zeigen, dass $\varphi$ bijektiv ist. Sei $a \in L$. Sei $N$ die Menge der Nullstellen des Minimalpolynoms $f$ von $a$ in $L$. Es gilt $\varphi(N) \subseteq N$, denn für $n \in N$ folgt aus $f(n)=0$ auch $f(\varphi(n))=\varphi(f(n))=\varphi(0)=0$. Also beschränkt sich $\varphi$ zu einer injektiven Abbildung $N \longrightarrow N$. Weil $N$ endlich ist, muss diese Abbildung daher bijektiv sein. Insbesondere liegt $a$ in ihrem Bild. $\checkmark$ Lemma 4. Sei $L/K$ eine endliche Erweiterung. Sei $M/K$ eine beliebige Erweiterung. Dann hat $\mathrm{Hom}_K(L,M)$ höchstens $[L:K]$ Elemente. Beweis. Sei allgemeiner $M$ ein Körper und $K \longrightarrow M$ ein Homomorphismus. Wir müssen zeigen, dass er höchstens $[L:K]$ Fortsetzungen auf $L$ besitzt. Wir machen eine Induktion nach $[L:K]$, wobei der Fall $[L:K]=1$ bzw. $L=K$ trivial ist. Nun sei $[L:K]>1$ und wähle ein $a \in L \setminus K$. Wegen Lemma 1 gibt es höchstens $[K(a):K]$ Fortsetzungen von $K \longrightarrow M$ auf $K(a)$, weil das Minimalpolynom von $a$ über $K$ als Grad $[K(a):K]$ besitzt und damit in $M$ höchstens $[K(a):K]$ Nullstellen hat. Es gilt $[L:K(a)] < [L:K]$. Eine Fortsetzung $K(a) \longrightarrow M$ hat also nach Induktionsannahme höchstens $[L:K(a)]$ Fortsetzungen auf $L$. \begin{tikzcd} K \ar{r} \ar{dr} & K(a) \ar[dashed]{d} \ar{r} & L \ar[dashed]{dl} \\ & M & \end{tikzcd} Es gibt insgesamt also höchstens $[L:K(a)] \cdot [K(a):K] = [L:K]$ Fortsetzungen von $K \longrightarrow M$ auf $L$. $\checkmark$

Etwas Kombinatorik

In diesem Abschnitt beweisen wir kombinatorische Resultate, die alle Varianten der aus der linearen Algebra bekannten Tatsache sind, dass ein Vektorraum niemals die Vereinigung von zwei echten Unterräumen ist. Wir richten uns hier nach dem Paper "On the representation of fields as finite unions of subfields" von Bialynicki-Birula, Browkin, Schinzel. Lemma 5. Sei $V$ ein $K$-Vektorraum, wobei $K$ unendlich ist. Dann kann $V$ nicht als Vereinigung von endlich vielen echten Unterräumen geschrieben werden. Beweis. Angenommen, es gilt $V = V_1 \cup \cdots \cup V_n$ mit echten Unterräumen $V_i$. Wir machen eine Induktion nach $n$, wobei die Fälle $n=0,1$ trivial sind. Sei $n \geq 2$. Nach Induktionsannahme gibt es ein $v \in V \setminus (V_2 \cup \cdots \cup V_n)$. Es folgt $v \in V_1$. Wähle ein $w \in V \setminus V_1$. Für alle $\lambda \in K$ ist $v + \lambda w \notin V_1$, und dies sind unendlich viele Vektoren. Es gibt also ein $V_j$ mit $2 \leq j \leq n$, welches unendlich viele dieser Vektoren enthält. Wegen $(v + \lambda w) - (v + \lambda' w) = (\lambda - \lambda')w$ folgt $w \in V_j$ und weiter $v \in V_j$, Widerspruch. $\checkmark$ Lemma 6. Sei $G$ eine unendliche Gruppe. Seien $G_1,\dotsc,G_n$ Untergruppen von $G$ mit $G = \bigcup_{i=1}^{n} G_i$ (als Mengen), sodass $G \neq \bigcup_{i \neq j} G_i$ für alle $j$. Dann ist $\bigcap_{i=1}^{n} G_i$ unendlich. Beweis. Wir zeigen per Induktion nach $k \leq n$, dass es paarweise verschiedene Indizes $i_1,\dotsc,i_k$ gibt, sodass $G_{i_1} \cap \cdots \cap G_{i_k}$ unendlich ist; der Fall $k=n$ liefert dann die Behauptung. Der Fall $k=1$ ergibt sich daraus, dass mit $G$ natürlich auch mindestens ein $G_i$ unendlich ist. Nun sei $k < n$ und die Behauptung sei für $k$ bewiesen. Wegen der Annahme im Lemma gilt $G \neq G_{i_1} \cup \cdots \cup G_{i_k}$. Wähle ein Element $b \in G$ mit $b \notin G_{i_1} \cup \cdots \cup G_{i_k}$. Für jedes Element $a$ der unendlichen Gruppe $G_{i_1} \cap \cdots \cap G_{i_k}$ gilt $a b \notin G_{i_1} \cup \cdots \cup G_{i_k}$. Also gibt es ein $i_{k+1} \neq i_1,\dotsc,i_k$ mit $ab \in G_{i_{k+1}}$. Es muss einen solchen Index $i_{k+1}$ geben, sodass die Menge $S := \{a \in G_{i_1} \cap \cdots \cap G_{i_k} : ab \in G_{i_{k+1}}\}$ unendlich ist. Für alle $a,a' \in S$ gilt dann $a a'^{-1} = (a b) (a' b)^{-1} \in G_{i_{k+1}}$ und andererseits auch $a a'^{-1} \in G_{i_1} \cap \cdots \cap G_{i_k}$. Daher ist $S S^{-1} \subseteq G_{i_1} \cap \cdots \cap G_{i_k} \cap G_{i_{k+1}}$ unendlich. $\checkmark$ Lemma 7. Sei $L$ ein Körper. Dann kann $L$ nicht als Vereinigung von endlich vielen echten Teilkörpern geschrieben werden. Beweis. Sei $L=L_1 \cup \cdots \cup L_n$ mit echten Teilkörpern $L_1,\dotsc,L_n$. Wenn $L$ endlich ist, dann ist $L^{\times}$ zyklisch, und der Erzeuger liegt in einem $L_i$, sodass wir direkt $L=L_i$ sehen. Sei $L$ unendlich. Wir machen eine Induktion nach $n$, wobei die Fälle $n=0$ und $n=1$ trivial sind. Sei $n \geq 1$ und die Behauptung für $n-1$ gezeigt. Dann zeigt die Induktionsannahme $L \neq \bigcup_{i \neq j} L_i$ für alle $j$. Wenden wir Lemma 6 auf die additiven Gruppen an, so folgt, dass der Durchschnitt $K := \bigcap_i L_i$ unendlich ist. Wir können nun $L$ als einen $K$-Vektorraum und die $L_i$ als $K$-Unterräume ansehen. Wir sind also in der Situation von Lemma 5 und erhalten einen Widerspruch. $\checkmark$ In dem genannten Paper wird auch gezeigt, dass Lemma 7 für Integritätsringe nicht gilt.

Klassifikation der Untergruppen

Eine Wirkung einer Gruppe $G$ auf einer Menge $X$ ist eine Abbildung $G \times X \longrightarrow X$, mit $(g,x) \mapsto gx$ notiert, sodass die Regeln $1x=x$ und $(gh)x=g(hx)$ für alle $g,h \in G$, $x \in X$ gelten. Wir bezeichnen mit $X^G := \{x \in X : \forall g \in G \, (gx=x)\}$ die Menge der Fixpunkte der Wirkung. Sei $L/K$ eine Erweiterung. Sei $H \subseteq \mathrm{Aut}_K(L)$ eine Untergruppe. Dann wirkt $H$ natürlich auf $L$ und wir können die Fixpunktmenge $L^H = \{a \in L : \forall \alpha \in H \, (\alpha(a)=a)\}$ betrachten. Offenbar ist $L^H$ sogar ein Zwischenkörper von $L/K$. Es gilt nach Konstruktion also $H \subseteq \mathrm{Aut}_{L^H}(L)$. Tatsächlich gilt sogar: Satz 8. Sei $L/K$ eine Erweiterung und $H \subseteq \mathrm{Aut}_K(L)$ eine endliche Untergruppe. Dann gilt $H = \mathrm{Aut}_{L^H}(L)$. Beweis. Sei $\beta \in \mathrm{Aut}_{L^H}(L)$, wir müssen $\beta \in H$ zeigen. Wir zeigen zunächst $L = \bigcup_{\alpha \in H} \{\alpha=\beta\}$, wobei $\{\alpha=\beta\}$ eine Kurzschreibweise für die Übereinstimmungsmenge $\{a \in L : \alpha(a) =\beta(a)\}$ ist. Sei dazu $a \in L$. Um die Voraussetzung anzuwenden, dass $\beta$ Elemente von $L^H$ festhält, müssen wir irgendwie Elemente von $L^H$ konstruieren. Betrachte dazu das Polynom $\displaystyle p := \prod_{\alpha \in H} (T - \alpha(a)) \in L[T].$ Dieses können wir nur hinschreiben, weil $H$ endlich ist. Die natürliche Wirkung von $H$ auf $L$ setzt sich zu einer Wirkung auf $L[T]$ fort. Offenbar ist $p$ invariant unter dieser Wirkung, weil hierbei nur die Linearfaktoren permutiert werden. Also ist $p \in L[T]^H = L^H[T]$. Folglich lässt $\beta : L[T] \longrightarrow L[T]$ das Polynom fest, das heißt $\beta(p)=p$. Weil $\beta(a)$ eine Nullstelle von $\beta(p)=p$ ist, gibt es ein $\alpha \in H$ mit $\alpha(a)=\beta(a)$, also $a \in \{\alpha=\beta\}$. Damit ist $L = \bigcup_{\alpha \in H} \{\alpha=\beta\}$ gezeigt. Aber $\{\alpha=\beta\}$ ist jeweils ein Teilkörper von $L$. Aus Lemma 7 folgt daher, dass es ein $\alpha \in H$ gibt mit $L = \{\alpha=\beta\}$, das heißt $\alpha=\beta$. $\checkmark$

Separable Erweiterungen

Sei $\overline{K}$ ein algebraischer Abschluss von $K$. Sei $L/K$ eine algebraische Erweiterung. Wir nennen $a \in L$ separabel über $K$, wenn das Minimalpolynom $f \in K[T]$ von $a$ nur einfache Nullstellen in $\overline{K}$ besitzt. Wir nennen $L/K$ separabel, wenn jedes Element separabel ist. Lemma 9. Seien $L/E/K$ zwei algebraische Erweiterungen. Sei $L/K$ separabel. Dann sind auch $L/E$ und $E/K$ separabel. Beweis. Dass $E/K$ separabel ist, ist trivial. Dass $L/E$ separabel ist, liegt daran, dass das Minimalpolynom von $a \in L$ über $E$ das Minimalpolynom über $K$ teilt. $\checkmark$ Satz 10. Sei $L/K$ eine endliche Erweiterung. Dann hat $\mathrm{Hom}_K(L,\overline{K})$ höchstens $[L:K]$ Elemente. Wenn $L/K$ separabel ist, gilt sogar Gleichheit. Beweis. Der erste Teil ist ein Spezialfall von Lemma 4. Dass im separablen Fall Gleichheit gilt, beweist man tatsächlich genauso wie Lemma 4. Im Induktionsschritt muss man hierbei nur beachten, dass $K \longrightarrow \overline{K}$ genau $[K(a):K]$ Fortsetzungen auf $K(a)$ hat, weil $a$ separabel ist, und dass $L/K(a)$ separabel ist (Lemma 9). $\checkmark$ Weil ich versprochen hatte, keine Dimensionsargumente zu verwenden: Tatsächlich geht Satz 10 beim Beweis des Hauptsatzes der Galoistheorie (Satz 17) nicht ein, lediglich bei der Bestimmung der Ordnung der Galoisgruppe (Satz 16). Übrigens lässt sich der zweite Teil von Satz 10 auch umkehren: Eine endliche Erweiterung $L/K$ ist genau dann separabel, wenn $\mathrm{Hom}_K(L,\overline{K})$ genau $[L:K]$ Elemente hat. Daraus kann man dann wiederum ableiten, dass eine von separablen Elementen erzeugte algebraische Erweiterung bereits separabel ist. Wir werden das hier aber nicht verwenden. Lemma 11. Sei $L/K$ eine algebraische Erweiterung und $a \in L$ separabel über $K$. Für alle $K$-Homomorphismen $\alpha,\beta : L \longrightarrow \overline{K}$ gelte $\alpha(a)=\beta(a)$. Dann ist $a \in K$. Beweis. Weil sich je zwei $K$-Homomorphismen $K(a) \longrightarrow \overline{K}$ auf $L$ fortsetzen lassen (Lemma 2), dürfen wir $L=K(a)$ annehmen. Wegen Lemma 1 bedeutet die Annahme dann gerade, dass das Minimalpolynom von $a$ über $K$ genau eine Nullstelle in $\overline{K}$ besitzt. Weil die Nullstellen andererseits paarweise verschieden sind ($a$ ist separabel), muss das Minimalpolynom Grad $1$ besitzen. Das bedeutet aber $a \in K$. $\checkmark$

Normale Erweiterungen

Eine Wirkung einer Gruppe $G$ auf einer Menge $X$ nennen wir transitiv, wenn $X$ nicht-leer ist und es für alle $x,y \in X$ ein $g \in G$ gibt mit $y = gx$. Darauf aufbauend nennen wir eine algebraische Erweiterung $L/K$ normal, wenn die natürliche (Rechts-)Wirkung von $\mathrm{Aut}_K(L)$ auf $\mathrm{Hom}_K(L,\overline{K})$ transitiv ist. Das bedeutet: Für je zwei $K$-Homomorphismen $\alpha,\beta : L \longrightarrow \overline{K}$ gibt es einen $K$-Automorphismus $\gamma : L \longrightarrow L$ mit $\beta = \alpha \circ \gamma$. Hierbei ist $\gamma$ eindeutig, weil $\alpha$ injektiv ist. Wenn wir also einen $K$-Homomorphismus $\alpha : L \longrightarrow \overline{K}$ festhalten, so bedeutet diese Eigenschaft, dass die von $\alpha$ induzierte Abbildung $\mathrm{Aut}_K(L) = \mathrm{Hom}_K(L,L) \longrightarrow \mathrm{Hom}_K(L,\overline{K}),\, \gamma \mapsto \alpha \circ \gamma$ bijektiv ist. Lemma 12. Seien $L/E/K$ zwei algebraische Erweiterungen. Sei $L/K$ normal. Dann ist auch $L/E$ normal. Beweis. Seien $\alpha,\beta : L \longrightarrow \overline{E} = \overline{K}$ zwei $E$-Homomorphismen. Weil $L/K$ normal ist, gibt es ein $\gamma \in \mathrm{Aut}_K(L)$ mit $\beta = \alpha \circ \gamma$. Weil $\alpha$ injektiv und $\beta,\alpha$ beides $E$-Homomorphismen sind, folgt leicht, dass auch $\gamma$ ein $E$-Homomorphismus ist. $\checkmark$ Für jede Erweiterung $L/K$ wirkt die Gruppe $\mathrm{Aut}_K(L)$ auf $L$ und es gilt $K \subseteq L^{\mathrm{Aut}_K(L)}$. Tatsächlich gilt: Satz 13. Sei $L/K$ eine normale separable Erweiterung. Dann gilt $K = L^{\mathrm{Aut}_K(L)}$. Beweis. Wir wählen einen festen $K$-Homomorphismus $\alpha : L \longrightarrow \overline{K}$. Sei $a \in L^{\mathrm{Aut}_K(L)}$, das heißt $\gamma(a)=a$ für alle $\gamma \in \mathrm{Aut}_K(L)$. Für beliebige $ \beta : L \longrightarrow \overline{K}$ gibt es ein $\gamma : L \longrightarrow L$ mit $\beta = \alpha \circ \gamma$. Es folgt $\beta(a)=\alpha(\gamma(a))=\alpha(a)$. Dieser Wert hängt nicht von $\beta$ ab. Also zeigt Lemma 11 gerade $a \in K$. $\checkmark$ Korollar 14. Sei $L/K$ eine normale separable Erweiterung und $E$ ein Zwischenkörper von $L/K$. Dann ist $E = L^{\mathrm{Aut}_E(L)}$. Beweis. Dies folgt sofort aus Lemma 9, Lemma 12 und Satz 13. $\checkmark$ Wir beenden diesen Abschnitt der Vollständigkeit halber mit einer nützlichen Charakterisierung von normalen Erweiterungen. Lemma 15. Sei $L/K$ algebraisch. Wähle einen $K$-Homomorphismus $\alpha : L \longrightarrow \overline{K}$. Genau dann ist $L/K$ normal, wenn für jedes $a \in L$ die Nullstellen des Minimalpolynoms von $a$ in $\overline{K}$ im Bild von $\alpha$ liegen. Wenn $L=K(A)$ für eine Teilmenge $A \subseteq L$, so reicht es zudem, diese Bedingung für die Erzeuger $a \in A$ zu fordern. Beweis. $\Longrightarrow$: Sei $L/K$ normal und $a \in L$. Sei $b \in \overline{K}$ eine Nullstelle des Minimalpolynoms von $a$. Lemma 1 und Lemma 2 liefern einen $K$-Homomorphismus $L \longrightarrow \overline{K}$ mit $a \mapsto b$. Weil $L/K$ normal ist, faktorisiert dieser über $\alpha$, womit insbesondere $b$ im Bild von $\alpha$ liegt. $\Longleftarrow$: Sei $L=K(A)$ und die Bedingung mit den Nullstellen sei für alle $a \in A$ erfüllt. Sei $\beta: L \longrightarrow \overline{K}$ ein $K$-Homomorphismus. Für $a \in A$ ist $\beta(a) \in \overline{K}$ eine Nullstelle des Minimalpolynoms von $a$ (siehe Beweis von Lemma 3). Nach Annahme ist daher $\beta(a) \in \mathrm{im}(\alpha)$. Wegen $L=K(A)$ folgt daraus $\mathrm{im}(\beta) \subseteq \mathrm{im}(\alpha)$. Weil $\alpha$ injektiv ist, gibt es daher einen $K$-Homomorphismus $\gamma : L \longrightarrow L$ mit $\beta = \alpha \circ \gamma$. Also ist $L/K$ normal. $\checkmark$

Der Hauptsatz der Galoistheorie

Wir können die Ergebnisse der vorigen Abschnitte nun zusammenführen: Eine Galoiserweiterung ist definiert als eine normale separable Erweiterung. Satz 16. Sei $L/K$ eine endliche Galoiserweiterung. Dann ist $\mathrm{Aut}_K(L)$ eine endliche Gruppe der Ordnung $[L:K]$. Sie wird die Galoisgruppe von $L/K$ genannt. Beweis. Weil $L/K$ separabel ist, hat $\mathrm{Hom}_K(L,\overline{K})$ nach Satz 10 genau $[L:K]$ Elemente. Weil $L/K$ normal ist, gilt $\mathrm{Aut}_K(L) \cong \mathrm{Hom}_K(L,\overline{K})$. $\checkmark$ Wie man die Galoisgruppe in einfachen Fällen berechnet, erfahrt ihr hier. Satz 17. [Hauptsatz der Galoistheorie] Sei $L/K$ eine endliche Galoiserweiterung. Dann liefern $E \mapsto \mathrm{Aut}_E(L)$ und $H \mapsto L^H$ zueinander inverse Bijektionen $\bigl\{\,\text{Zwischenkörper von } L/K\,\bigr\} \cong \bigl\{\,\text{Untergruppen von } \mathrm{Aut}_K(L)\,\bigr\}.$ Beweis. Für einen Zwischenkörper $E$ von $L/K$ gilt $E = L^{\mathrm{Aut}_E(L)}$ wegen Korollar 14. Für eine Untergruppe $H$ von $\mathrm{Aut}_K(L)$ gilt $H = \mathrm{Aut}_{L^H}(L)$ wegen Satz 8, welchen wir anwenden können, weil $H$ wegen Lemma 4 endlich ist. $\checkmark$ Damit ist der Hauptsatz bereits bewiesen. Wir möchten hier aber noch ein paar Nebenresultate beweisen. Offenbar gelten die Implikationen • $E \subseteq E' \implies \mathrm{Aut}_{E'}(L) \subseteq \mathrm{Aut}_E(L)$ • $H \subseteq H' \implies L^{H'} \subseteq L^H$ Daher ist die Bijektion in Satz 17 genauer gesagt ein Anti-Isomorphismus partieller Ordnungen. Korollar 18. Sei $L/K$ eine endliche Galoiserweiterung. Dann gelten für Zwischenkörper $E,E'$ und Untergruppen $H,H'$ der Galoisgruppe die folgenden Beziehungen: • $\mathrm{Aut}_{E \cap E'}(L) = \langle \mathrm{Aut}_E(L) , \mathrm{Aut}_{E'}(L) \rangle$ • $\mathrm{Aut}_{E \cdot E'}(L) = \mathrm{Aut}_E(L) \cap \mathrm{Aut}_{E'}(L)$ • $L^{H \cap H'} = L^{H} \cdot L^{H'}$ • $L^{\langle H,H' \rangle} = L^H \cap L^{H'}$ Beweis. Die übliche Definition eines Supremums als kleinste obere Schranke funktioniert in jeder partiellen Ordnung. Analoges gilt für Infima. In der partiellen Ordnung der Untergruppen einer Gruppe gilt $\sup(H,H') = \langle H,H' \rangle$ und $\inf(H,H') = H \cap H'$. In der partiellen Ordnung der Zwischenkörper einer Erweiterung gilt $\sup(E,E') = E \cdot E'$ (das Kompositum) und $\inf(E,E') = E \cap E'$. Ein Anti-Isomorphismus partieller Ordnungen wandelt Suprema in Infima (und analog Infima in Suprema) um. Die Behauptung folgt also aus Satz 17. $\checkmark$ Satz 19. In der Situation von Satz 17 ist $E/K$ genau dann normal (und damit eine Galoiserweiterung), wenn $\mathrm{Aut}_E(L)$ eine normale Untergruppe (also ein Normalteiler) von $\mathrm{Aut}_K(L)$ ist. In diesem Fall ist $\mathrm{Aut}_K(L) / \mathrm{Aut}_E(L) \cong \mathrm{Aut}_K(E)$. Wir erhalten also eine Bijektion $\bigl\{\,\text{normale Zwischenkörper von } L/K\,\} \cong \bigl\{\,\text{normale Untergruppen von } \mathrm{Aut}_K(L)\,\bigr\}.$ Beweis. Sei $E/K$ normal. Die Abbildung $\mathrm{Hom}_K(L,\overline{K}) \longrightarrow \mathrm{Hom}_K(E,\overline{K})$, $\alpha \mapsto \alpha|_E$ ist surjektiv wegen Lemma 2. Sie identifiziert sich wegen der Normalität von $L/K$ und $E/K$ mit einer Abbildung $\mathrm{Aut}_K(L) \longrightarrow \mathrm{Aut}_K(E)$, die offenbar auch ein Homomorphismus von Gruppen ist. Der Kern ist $\mathrm{Aut}_E(L)$, sodass einerseits $\mathrm{Aut}_E(L)$ ein Normalteiler ist und wir andererseits den gewünschten Isomorphismus $\mathrm{Aut}_K(L)/\mathrm{Aut}_E(L) \cong \mathrm{Aut}_K(E)$ erhalten. Für die andere Richtung sei $H$ ein Normalteiler von $\mathrm{Aut}_K(L)$. Dann ist $L^H$ normal über $K$: Wähle zwei Homomorphismen $\alpha,\beta : L^H \longrightarrow \overline{K}$. Wähle mit Lemma 2 Fortsetzungen $\alpha',\beta'$ auf $L$. Weil $L/K$ normal ist, ist $\alpha' = \beta' \circ\gamma$ für ein $\gamma : L \longrightarrow L$. Wir behaupten $\gamma(L^H) \subseteq L^H$. Sei dazu $a \in L^H$. Für $\delta \in H$ gilt zunächst $\gamma^{-1} \delta \gamma \in H$ (weil $H$ normal ist), also $(\gamma^{-1} \delta \gamma)(a)=a$ bzw. $\delta(\gamma(a))=\gamma(a)$. Dies zeigt $\gamma(a) \in L^H$. Aus $\gamma(L^H) \subseteq L^H$ folgt nun $\alpha(L^H) = \alpha'(L^H) = \beta'(\gamma(L^H)) \subseteq \beta'(L^H)=\beta(L^H)$, also $\alpha = \beta \circ \pi$ für ein $\pi : L^H \to L^H$. $\checkmark$ Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass man den Hauptsatz der Galoistheorie auf beliebige (nicht notwendig endliche) Galoiserweiterungen $L/K$ ausdehnen kann. Hierfür muss man $\mathrm{Aut}_K(L)$ mit einer Topologie versehen, der Krulltopologie. Man hat dann eine Bijektion zwischen Zwischenkörpern von $L/K$ und den (bezüglich der Topologie) abgeschlossenen Untergruppen von $\mathrm{Aut}_K(L)$. Man führt diese Korrespondenz tatsächlich auf den endlichen Fall zurück (siehe etwa "Galois theory for schemes" von Lenstra, wo auch der Zusammenhang zwischen Galoistheorie und Überlagerungstheorie erklärt wird). Darauf baut wiederum Grothendiecks Formulierung des Hauptsatzes auf: Es ist $\mathrm{Hom}_K(-,\overline{K})$ eine Anti-Äquivalenz von Kategorien zwischen der Kategorie der endlichen étalen $K$-Algebren und der Kategorie der endlichen Mengen mit einer stetigen Wirkung der absoluten Galoisgruppe $\mathrm{Aut}_K(K^s)$.
Danke an Saki17 fürs Korrekturlesen.
Nachtrag November 2022. Dieser Artikel ist nun in abgewandelter Form auf dem arXiv erschienen.

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