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Mathematik: Wohin zeigt die Magnetisierung in kubischen Kristallen?
Released by matroid on Fr. 28. April 2023 21:24:01 [Statistics] [Comments]
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Physik

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Wohin zeigt die Magnetisierung in kubischen Kristallen?

Ein Anwendungsbeispiel für Ungleichungen zwischen symmetrischen Polynomen

In einem magnetischen Material kann es aufgrund von Anisotropie, die z.B. in kristallinen Materialien durch die anisotrope Kristallstruktur hervorgerufen wird, sogenannte leichte und schwere Achsen geben. Die Magnetisierung richtet sich bevorzugt entlang der leichten Achsen aus, wohingegen eine Ausrichtung entlang einer schweren Achse am ungünstigsten ist. Im Folgenden wird für das wichtige Beispiel kubischer Kristalle beschrieben, wie diese Achsen gefunden werden können. In der frühen Literatur zu diesem Thema wurde ohne Beweis angenommen, dass diese Achsen entlang der kubischen Hochsymmetrie-Richtungen liegen [1], was jedoch nicht immer der Fall ist, wie im Folgenden gezeigt wird. Andererseits wird in Lehrbüchern und Vorlesungen generell auf eine Herleitung dieser Achsen verzichtet [2]. Daher soll hier eine einfache und elementare Herleitung präsentiert werden, welche allein auf Ungleichungen zwischen symmetrischen Polynomen zurückgreift, die der Symmetrie dieses Problems angepasst sind. Der Artikel dient auch als praktisches Anwendungsbeispiel dieser Ungleichungen, die dem ein oder anderen Leser aus Lösungen von Mathematikolympiade-Aufgaben bekannt sein könnten. Für das Korrekturlesen dieses Artikels möchte ich mich herzlich bei MontyPythagoras bedanken!


Einleitung

Mathematische Ungleichungen in der Physik

Ungleichungen besitzen einen wichtigen Stellenwert in den Naturwissenschaften, da mit ihnen formell die Grenzen eines Systems beschrieben werden können. Auch in der Mathematik gibt es viele Standardungleichungen, z. B. die Cauchy-Schwarz-Ungleichung (CSU). Diese besagt, dass der Betrag des Skalarprodukts zweier Vektoren nicht größer als das Produkt von deren Normen ist, mit Gleichheit genau dann, wenn die Vektoren linear abhängig sind. Nun kommen in der Beschreibung/Berechnung physikalischer Systeme oft Skalarprodukte vor (so kann auch ein Ausdruck der Form $\int f\cdot g \, \mathrm{d}x$ ein Skalarprodukt sein), ebenso Normen. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass sich die CSU in vielen Fällen anwenden lässt. Tatsächlich kann sie beispielsweise zum Beweis der berühmten Heisenberg'schen Unschärferelation verwendet werden [3]. Ein weiteres Beispiel war die Anwendung der CSU zum Erhalten einer direkten Methode, um aus Röntgenstreuungsdaten Phase und Betrag von Kristall-Strukturfaktoren abzuschätzen [4,5]. Kurz darauf entwickelten Karle und Hauptmann eine universellere Methode, für die sie den Nobelpreis für Chemie 1985 erhielten [6,7]. Die CSU wird also oft in der Physik angewendet. Wie steht es mit anderen mathematischen Standardungleichungen, beispielswiese der AM-GM-Ungleichung? Diese besagt, dass das arithmetische Mittel (AM) nichtnegativer Zahlen nicht kleiner als deren geometrisches Mittel ist ($\text{AM}\geq \text{GM}$), mit Gleichheit genau dann, wenn alle Zahlen gleich sind [8]. Obwohl Terme von der Form eines AM (im Prinzip eine Summe) und eines GM (im Prinzip ein Produkt unter einer Wurzel) allgegenwärtig sind, scheint es (wie auch eine kurze Recherche in der Physikliteratur belegt), dass diese Ungleichung deutlich weniger Anwendung findet. Eines der Beispiele, die ich gefunden habe, ist Ref. [9], wo die AM-GM-Ungleichung für die folgende Abschätzung benützt wurde: $f(x)=a/x+bx\geq 2\sqrt{ab}$ (für alle $a,b,x>0$), wobei das Minimum genau für $a/x=bx$, also $x=\sqrt{a/b}$ angenommen wird. Dies ist eine der einfachsten (da direktesten) Anwendungen der AM-GM-Ungleichung. Dennoch erwähnten die Autoren extra, dass dasselbe Resultat erzielt wird, wenn die Ableitung von $f$ Null gesetzt und nach $x$ aufgelöst wird. Es scheint also, dass unter einigen Naturwissenschaftlern die Extremwertbestimmung mit Differenzialrechnung natürlicher ist als das Benützen von Standardungleichungen. Das verkennt aber folgende Punkte: 1. Ungleichungen können direkt Funktionen als Grenze liefern (wie in „$\text{AM}\geq \text{GM}$“), sowie globale Extrema, während Minimierung mittels Differenzialrechnung zunächst nur Kandidaten für lokale Extrema liefert. 2. Ein Ausdruck, der strukturell einer gewissen Ungleichung angepasst ist (oder daran angepasst werden kann), lässt sich damit direkt abschätzen. 3. Wenn Funktionen nicht differenzierbar sind oder die Differenzierbarkeit nicht bekannt ist, lohnt es sich, mit Ungleichungen zu arbeiten. Den ersten und zweiten Punkt machen wir uns in diesem Artikel später zunütze. Der dritte Punkt wird in Ref. [10] benützt, die ein Problem der Gasdynamik diskutiert, bei dem die AM-GM-Ungleichung direkt angewendet werden konnte, aber nicht Differenzialrechnung. Ich möchte noch anmerken, dass der AM-GM-Ungleichung eine direkte physikalische (thermodynamische) Interpretation gegeben werden kann [11].

Magnetisierung in Kristallen

Das magnetische Moment (dessen räumlicher Mittelwert als Magnetisierung bezeichnet wird) in ferromagnetischen Materialien wird insbesondere durch den Spindrehimpuls von Elektronen und teilweise auch durch deren (orbitalen) Bahndrehimpuls hervorgerufen. Die Elektronen der inneren, voll besetzten Schalen (bezogen auf einzelne Atome, wobei in metallischen Ferromagneten besser ein Bändermodell benützt wird) spielen dabei keine Rolle, da sich ihre Bahndrehimpulse und Spindrehimpulse aufheben. In kristallinen magnetischen Materialien kommt es aufgrund der Wechselwirkung vom anisotropen elektrischen Kristallfeld mit den Orbitalen der für den Magnetismus relevanten Elektronen, sowie der Spin-Bahn-Wechselwirkung, zur sogenannten magnetokristallinen Anisotropie [12]. Dabei hängt die Freie Energiedichte $\varepsilon$ des Ferromagneten von der Ausrichtung der Magnetisierung ab. Insbesondere gibt es leichte und schwere Achsen, für die $\varepsilon$ bei einer Ausrichtung der Magnetisierung entlang der jeweiligen Achsen am niedrigsten bzw. höchsten ist. Daher liegt die Magnetisierung im Grundzustand parallel zu einer leichten Achse, was die Kenntnis der leichten und schweren Achse in der Praxis äußerst relevant macht. Kubischen Kristallen kommt dabei eine besondere Relevanz zu, beispielsweise gehören die ferromagnetischen Metalle Eisen und Nickel dazu. Abb. 1a illustriert eine kubisch-raumzentrierte (body centred cubic, bcc) Einheitszelle, mit dem Magnetisierungsvektor entlang einer der $\langle 111 \rangle$-Richtungen (nach Konvention repräsentiert $\langle 111 \rangle$ alle acht speziellen Richtungen $[111], [1\overline{1}1]$ etc.). Während es aus Symmetriegründen klar ist, dass alle $\langle 111 \rangle$-Richtungen energetisch gleichwertig sind, ist a priori nicht klar, ob sie etwa zu einem globalen Extremum der Energie gehören, also z. B. eine leichte Achse darstellen. Dasselbe gilt für die anderen Hauptsymmetrierichtungen des Würfels, viz. $\langle110\rangle$ und $\langle100\rangle$. Oft reicht es aus, das Energiefunktional $\varepsilon$ der magnetokristallinen Anisotropie zu entwickeln nach Potenzen in der Magnetisierung $(M_x,M_y,M_z)^\mathrm{T}$, bzw. deren Richtungskosinussen $$(\alpha_1,\alpha_2,\alpha_3)=(M_x,M_y,M_z)/r=(\sin\theta\cos\varphi, \sin\theta\sin\varphi, \cos\theta)$$ mit $r=\sqrt{M_x^2+M_y^2+M_z^2}.$ Zuweilen ist auch eine Entwicklung in orthonormale Kugelflächenfunktionen vorteilhaft [13,14]. Eine Entwicklung bis zur sechsten Ordnung liefert [1,15]: \[\begin{equation}\label{eq:cubicanis}\varepsilon=K_1 (\alpha_1^2\alpha_2^2+\alpha_2^2\alpha_3^2+\alpha_3^2\alpha_1^2)+K_2 \,\alpha_1^2\alpha_2^2\alpha_3^2,\end{equation}\] mit der Nebenbedingung $\alpha_1^2+\alpha_2^2+\alpha_3^2=1$ und gewissen Anisotropiekonstanten $K_1,K_2$, die vom Material und einigen anderen Größen wie der Temperatur abhängen. In dem obigen Ausdruck wurde die konstante nullte Ordnung weggelassen, und mehrere Terme der Entwicklung sind weggefallen, da $\varepsilon$ kubische Symmetrie besitzen muss. Anzumerken ist, dass eine Näherungsformel für $\varepsilon$ zwar aus einer mikroskopischen Theorie entwickelt werden kann [15], aber mit so einer Formel (die bspw. eine unendliche Summe enthält) lässt es sich schwer arbeiten. Daher geht man oft einfach direkt von einer Darstellung als Taylorpolynom aus (und macht sich ggf. hinterher Gedanken über die physikalischen Größen, die in die Konstanten $K_1,...$ einfließen). Die leichten/schweren Achsen erhält man nun, indem man die Richtungen bestimmt, für die $\varepsilon$ ein globales Minimum bzw. Maximum besitzt. Erstaunlicherweise wurde in frühen Analysen der kubischen magnetokristallinen Anisotropie in den 1930ern angenommen, dass die leichten und schweren Achsen immer entlang einer Hochsymmetrierichtung liegen [1]. Erst im Jahr 1964 (zumindest habe ich keinen früheren Artikel gefunden), also fast 30 Jahre später, wurde diese Lücke in einem Artikel [16] aufgegriffen und eine rigorose Analyse präsentiert (mittels Differenzialrechnung). Dieser Artikel war in deutscher Sprache verfasst und fand, gemessen an der Anzahl seiner Zitate (zehn), scheinbar keine größere Beachtung. Eine exakte Analyse ist aber natürlich notwendig, was auch durch folgende Gegenbeispiele unterstrichen wird: Wenn in $\varepsilon$ höhere Ordnungen als 6 relevant werden [17], so kann $\varepsilon$ eine Energiefläche bilden, die zwar natürlich kubisch symmetrisch ist, aber deren globale Extrema nicht entlang der Hochsymmetrierichtungen liegen [17], siehe Abb. 1b. Wenn Ordnungen größer gleich 18 betrachtet werden, so kann sogar der Fall eintreten, dass in den kompletten $\{100\}$- und $\{110\}$-Ebenen kein globales Minimum existiert (hierbei bezeichnet $\{abc\}$ die Ebenen mit Normalenvektor aus $\langle abc \rangle$). Insbesondere entspricht in so einem Fall keine der Hochsymmetrierichtungen einem globalen Minimum, z. B. bei $\varepsilon=-(\alpha_1\alpha_2\alpha_3\, (\alpha_1^2-\alpha_2^2)(\alpha_2^2-\alpha_3^2)(\alpha_3^2-\alpha_1^2))^2$ [14]. In diesem Kontext sei erwähnt, dass es eben nicht nur wichtig ist, die Implikationen der Symmetrie des Kristalls zu erkennen (hier dass $\varepsilon$ kubische Symmetrie hat), sondern auch welche Implikationen die Symmetrie nicht hat (hier dass die leichten/schweren Achsen nicht entlang der Hochsymmetrierichtungen liegen müssen). Auch das bekannte Neumann-Prinzip (bzw. Neumann-Minnigerode-Curie-Prinzip [18,19]) sagt nur, dass die physikalischen Eigenschaften mindestens die Symmetrie des Kristalls haben müssen. Aussagen über die Hochsymmetrierichtungen liefert hingegen das Purkiss-Prinzip (benannt nach Purkiss (1842-1865), der als erster das Prinzip explizit beschrieben hat), siehe den Artikel „Do symmetric problems have symmetric solutions?“ [20] und enthaltene Referenzen. Dessen später erweiterte Version besagt, dass in den meisten Fällen (siehe [20]) eine symmetrische Funktion unter einer symmetrischen Nebenbedingung (dazu gehört unsere Gl. \ref{eq:cubicanis} mit der Nebenbedingung $\alpha_1^2+\alpha_2^2+\alpha_3^2=1$) ein lokales Extremum (oder einen Sattelpunkt) entlang der Hochsymmetrierichtungen annimmt. Das globale Extremum kann aber woanders liegen. Ein Beispiel aus [20] ist die Funktion $f(x,y)=(x^2+y^2-5/8)^2$ unter der Nebenbedingung $x+y=1$, welche zwar bei $(x,y)=(1/2,1/2)$ ein lokales Maximum hat, aber bei $(1/8,7/8)$ ein globales Maximum, sowie bei $(1/4,3/4)$ ein globales Minimum. Bei unserem Problem, den leichten und schweren Achsen von $\varepsilon$, geht es aber genau um die globalen Extrema, das Purkiss-Prinzip allein ist also nicht hilfreich (könnte aber mit anderen Methoden kombiniert werden, indem man bspw. die totale Anzahl der lokalen Extrema mit Bézout's Theorem [21] abschätzt).
Abb. 1: (a): Schematische Einheitszelle eines bcc-Kristalls, mit dem Gesamtmagnetisierungsvektor $\vec{M}$ entlang einer der $\langle 111 \rangle$-Richtungen eingezeichnet, die einer möglichen leichten Achse entsprechen könnte. (b): Sphärischer Plot eines Energiefunktionals $\varepsilon$ der kubischen Anisotropie achter Ordnung (ähnliches Beispiel wie in [17]). Der Betrag von $\varepsilon$ wird durch den Abstand vom Würfelzentrum sowie den Farbcode repräsentiert. Die globalen Minima (blau) abseits der kubischen Hochsymmetrierichtungen sind klar erkennbar. Sowohl in einführenden als auch in speziellen Lehrbüchern und Artikeln über Magnetismus und magnetische Materialien wird zumeist auf eine Analyse von $\varepsilon$ verzichtet, stattdessen werden nur die Ergebnisse der leichten/schweren Achsen aufgelistet bzw. zitiert [2,12,22]. Wegen der Relevanz kubisch-kristalliner magnetischer Materialien ist dies eine Lücke, insbesondere da das Resultat oft als direkte Folge der Symmetrie missinterpretiert wird. Hier gebe ich eine vollständige Analyse des Problems mit elementaren Methoden, nämlich symmetrischen Polynomungleichungen, welche der Problemsymmetrie angepasst sind. Wegen der Prominenz symmetrischer Polynome (die ja z. B. aus der Taylorentwicklung symmetrischer Funktionen entstehen) kann diese Methode auch auf andere, ähnliche Probleme angewendet werden (bspw. Molekülrotationen in Feldern mit kubischer Symmetrie [23,24]).

Methode

Zur Analyse (kubisch) symmetrischer Polynome mittels Ungleichungen, oder einer Kombination aus Ungleichungen und Differenzialrechnung, gibt es viele Vorarbeiten in der Literatur [25-29]. Das Problem sechster Ordnung findet sich auch gelöst, wobei teilweise abgeleitete, geometrisch motivierte Ungleichungen verwendet wurden [25]. Hier möchte ich aber direkt von zwei relativ bekannten Standardungleichungen ausgehen und eine detaillierte Lösung vorführen. Konkret verwende ich die MacLaurin'sche und Schur'sche Ungleichung, die ich hier aufschreibe und beweise (ausgehend vom Buch Ref. [8]). Zunächst definieren wir die (gewichteten) elementarsymmetrischen Polynome $s_k$ bzw. $d_k$. Der Zusatz „elementar“ kommt daher, dass jedes symmetrische Polynom als Polynom in den $s_k$ geschrieben werden kann [30]. Für $n$ Variablen $x_1,\dots, x_n$ definieren wir \[\begin{equation}\label{eq:sympol}s_k= \sum_{1\leq i_1 <...< i_k\leq n} x_{i_1}\dotsm x_{i_k}, d_k=\frac{s_k}{\binom{n}{k}}.\ \end{equation}\] Speziell für drei Variablen $x,y,z$ folgt \[\begin{equation} \label{eq:sympol3} \begin{aligned}d_1&=\frac{x+y+z}{3},\\ d_2&=\frac{xy+yz+zx}{3},\\ d_3&=xyz. \end{aligned}\end{equation}\] Damit können wir nun die erste Ungleichung formulieren. Sie kann als Verfeinerung der AM-GM-Ungleichung angesehen werden, die $d_1 \geq d_n^{ 1/n}$ aussagt. MacLaurin'sche Ungleichung. Für alle $x_1,\dots, x_n \geq 0$ ist \(\begin{equation}\label{maclaurin} d_1\geq d_2^{ 1/2} \geq \dots \geq d_n^{ 1/n},\end{equation}\) mit Gleichheit am $k$-ten Kettensegment ($d_k^{ 1/k}\geq d_{k+1}^{ 1/(k+1)}$) genau dann wenn $x_1=x_2=\dots=x_n$ oder $n-k+1$ Variablen aus $\{x_1,...,x_n\}$ null sind. Beweis. Wir nützen hier Induktion nach der Anzahl der Variablen in den $d_k$ [33]. Zunächst bemerken wir, dass die $s_k$ die Koeffizienten vor $t^{n-k}$ des Polynoms $P(t)=\prod_{k=1}^n (t+x_k)$ sind (Satz von Vieta). Nun reduzieren wir die Anzahl der Variablen mit einem Trick, indem wir nämlich die Ableitung $P'$ betrachten, die als $P'(t)=n\prod_{k=1}^{n-1}(t+\tilde{x}_k)$ geschrieben werden kann. Genau wie die $x_k$ sind auch die $\tilde{x}_k$ nichtnegativ, da eine Nullstelle von $P'$ zwischen zwei verschiedenen, aufeinanderfolgenden Nullstellen von $P$ liegt (nach Satz von Rolle) oder mit diesen übereinstimmt für mehrfache Nullstellen. Außerdem sind die symmetrischen Polynome $\tilde{s}_k$ in $\tilde{x}_1,...,\tilde{x}_{n-1}$ die Koeffizienten vor $t^{n-k-1}$ in $P'(t)/n$ und daher (nach Vergleich mit den Koeffizienten von $P'/n$, wenn es direkt aus $P$ bestimmt wird) gleich $(n-k)/n\cdot s_k$. Also ist $\tilde{d}_k=\frac{1}{\binom{n-1}{k}} \frac{n-k}{n} s_k=d_k.$ Das ist eine bemerkenswerte Eigenschaft, weil wir nun schließen können, dass eine Ungleichung in $d_k$ genau dann wahr ist, wenn sie für $\tilde{d}_k$ wahr ist, was eine Variable weniger als $d_k$ enthält. Mit dem Induktionsstart $(x_1+x_2)/2 \geq \sqrt{x_1x_2}$ (gilt nach AM-GM-Ungleichung) und indem wir die letzte Ungleichung in der Kette für allgemeines $n$ zeigen, nämlich $d_{n-1}^{ 1/(n-1)}\geq d_n^{ 1/n}$, können wir uns „hocharbeiten“ und der Induktionsbeweis ist geführt. Beide Seiten der letzten Ungleichung sind homogen von Grad 1, sodass jedes $x_k$ mit einer festen positiven Zahl multipliziert werden kann, ohne die Ungleichung zu ändern. Daher, wenn keines der $x_k$ gleich 0 ist (sonst würde die Ungleichung wegen $d_n=0$ trivialerweise gelten), kann o.B.d.A. $\prod_k x_k=1$ angenommen werden. Die Ungleichung ist also äquivalent zu $1/n\cdot \sum_k 1/x_k \geq 1,$ welche wieder aus der AM-GM-Ungleichung folgt. Ähnlich wie die allgemeine Ungleichung folgen auch die Gleichheitsfälle aus der Induktion. Der Fall $x_1=\dots=x_n$ folgt dabei aus der Gleichheitsbedingung der AM-GM-Ungleichung, und der andere Fall folgt daraus, dass die $d_k$ Summen von Produkten von $k$ Variablen enthalten, wobei alle Summanden genau dann Null sind, wenn wenigstens $n-k+1$ Variablen 0 sind (Schubfachprinzip). Die Gleichheitsfälle folgen dann aus der Darstellung von $P$ und $P'$ mit den $x_k$ bzw. $\tilde{x}_k$, und unter Benützung, dass eine mehrfache Nullstelle von $P$ (mit Multiplizität $r>1$) eine mehrfache Nullstelle von $P'$ (mit Multiplizität $r-1$) ist. Die MacLaurin'sche Ungleichung wird sich als nützlich in unserer Analyse erweisen, indem wir damit in einer Abschätzung einfach zwischen verschiedenen symmetrischen Polynomen wechseln können, die in der Formel von $\varepsilon$ vorkommen. Diese Abschätzungen werden nicht zu grob sein, da wir immer die Möglichkeit der Gleichheit haben, wenn alle Variablen gleich sind. Nun kommen wir zu der zweiten Ungleichung. Schur'sche Ungleichung. Für alle $x,y,z \geq 0, \alpha>0$ gilt \(\begin{equation}\label{eq:schur1} x^\alpha(x-y)(x-z)+y^\alpha(y-z)(y-x)+z^\alpha(z-x)(z-y)\geq 0.\end{equation}\) Gleichheit gilt genau dann, wenn zwei Variablen von $\{x,y,z\}$ gleich sind und die andere 0, oder wenn $x=y=z$. Beweis. Dank der Symmetrie in $x,y,z$ können wir o.B.d.A. eine Ordnung annehmen, $x \leq y \leq z$. Dann ist der erste Summand in der Ungleichung offensichtlich nichtnegativ. Bei den anderen beiden Summanden können wir $(z-y)$ ausklammern, damit werden sie zu $(z-y)(z^\alpha(z-x)-y^\alpha(y-x)),$ was wegen $z\geq y$ und $z-x\geq y-x$ nichtnegativ ist. Die Gleichheitsfälle können leicht überprüft werden. Da die Schur'sche Ungleichung aus symmetrischen Polynomen besteht, wenn $\alpha$ eine natürliche Zahl ist, kann sie mit einem Polynom in den (gewichteten) elementarsymmetrischen Polynomen geschrieben werden. Für $\alpha=1$ bekommen wir die äquivalente Formulierung [27] \[\begin{equation}\label{eq:schur2} d_3+3 d_1^{ 3}-4 d_1d_2\geq 0,\end{equation}\] wieder mit denselben Gleichheitsfällen. Man beachte, dass genau die kubischen Hochsymmetrierichtungen eine Gleichheit in den Schur'schen und MacLaurin'schen Ungleichungen erzielen. Daher ist es, wie im nächsten Kapitel gezeigt wird, genau die erfolgreiche Anwendbarkeit dieser beiden Ungleichungen, aus welcher sich ergibt, dass die leichten/schweren Achsen entlang der Hochsymmetrierichtungen liegen. „Erfolgreich“ bedeutet hier, dass wir eine Abschätzung der Form $\varepsilon \geq c$ bzw. $\varepsilon \leq c$ für ein festes $c$ bekommen, wobei auch der Gleichheitsfall eintritt.

Resultate

Zunächst bauen wir die Nebenbedingung $\sum_i\alpha_i^2=1$ in die Gleichung für $\varepsilon$ (Gl. \ref{eq:cubicanis}) ein, indem wir $\alpha_1^2=x/(x+y+z)$ substituieren (analog für $\alpha_2,\alpha_3$), mit $x,y,z\geq 0$ (und $x=y=z=0$ ausgeschlossen, weil das einer verschwindenden Magnetisierung entspräche). Damit finden wir die äquivalente Formulierung \[\begin{equation}\label{eq:cubicanis2}\varepsilon=\frac{K_1}{3} \frac{d_2}{d_1^{ 2}}+\frac{K_2}{27} \frac{d_3}{d_1^{ 3}} .\end{equation}\] Unsere Analyse basiert nun auf folgender Überlegung: Wir erhalten die schweren Achsen, wenn wir eine beste Konstante $c$ finden, für die immer $\varepsilon \leq c$ gilt (für $x,y,z\geq 0$) und durch Bestimmen, für welche $x,y,z$ Gleichheit eintritt. Analog folgen die leichten Achsen aus dem Gleichheitsfall einer besten Ungleichung $\varepsilon \geq c$. Wir betrachten zunächst die schweren Achsen, d. h. $\varepsilon \leq c$, und multiplizieren beide Seiten mit dem positiven $27 d_1^{ 3}$, welches die folgende äquivalente Ungleichung liefert: \[\begin{equation}\label{eq:cubicanis3}9K_1d_1d_2 + K_2 d_3\leq 27 c d_1^{ 3}.\end{equation}\] Im Fall $\underline{K_1,K_2>0}$ erhalten wir diese Ungleichung für $c=K_2/27+K_1/3$, denn dann gilt $$27c d_1^{ 3}=\underbrace{K_2 d_1^{ 3}}_{\geq K_2 d_3}+\underbrace{9K_1d_1^{ 3}}_{\geq 9 K_1 d_1 d_2} \geq K_2 d_3 + 9 K_1 d_1 d_2,$$ wobei wir für die ersten Summanden $K_2\geq 0$ und $d_1^{ 3}\geq d_3$, und für den zweiten Summanden $K_1\geq 0$ und $d_1^{ 2} \geq d_2$ benützten. Daher ist $\varepsilon \leq K_2/27+K_1/3$, und da wir nur die MacLaurin'sche Ungleichung angewandt haben, gilt Gleichheit genau für $x=y=z$. Die schweren Achsen sind also genau entlang der Richtungen $\langle 111 \rangle$. Die leichten Achsen finden wir, indem wir bemerken, dass wegen $K_1,K_2 >0$ und $d_1,d_2,d_3 \geq 0$ die Ungleichung $\varepsilon \geq 0$ folgt, mit Gleichheit genau wenn beide Summanden in $\varepsilon=\frac{K_1}{3} \frac{d_2}{d_1^{ 2}}+\frac{K_2}{27} \frac{d_3}{d_1^{ 3}}$ (Gl. \ref{eq:cubicanis2}) gleich 0 sind, d. h. genau wenn zwei aus $\{x,y,z\}$ gleich 0 sind. Die leichten Achsen liegen also genau entlang der $\langle 100 \rangle$-Richtungen. Im Fall $\underline{K_1,K_2<0}$ haben wir die umgekehrten Ungleichungen (nach Multiplikation mit $(-1)$, was $\varepsilon \leq c$ mit $\varepsilon \geq c$ vertauscht), und damit sind die leichten/schweren Achsen vertauscht im Vergleich zum Fall $K_1,K_2>0$. Damit haben wir bereits die Hälfte der Fälle abgedeckt! Nun betrachten wir $\underline{K_1<0,K_2>0}$. Für die schweren Achsen gilt nach Gl. \ref{eq:cubicanis3}$$ \varepsilon \leq c \Longleftrightarrow K_2 d_3 \leq 27 c \underbrace{d_1^{ 3}}_{\geq d_3}+~9|K_1| \underbrace{d_1}_{\geq d_3^{ 1/3}} \underbrace{d_2}_{\geq d_3^{ 2/3}}.$$ Für $\underline{9|K_1| < K_2}$ können wir $c=(K_2-9|K_1|)/27$ wählen, um diese Ungleichung zu erfüllen, mit Gleichheit genau für $x=y=z$. Daher entsprechen die schweren Achsen den $\langle 111 \rangle$-Richtungen. Für $\underline{9|K_1|\geq K_2}$ müssen wir kein positives $c$ mehr wählen, insbesondere gilt $\varepsilon \leq 0$. Gleichheit $\varepsilon=0$ kann in der Tat erhalten werden, nämlich genau für die $\langle 100 \rangle$-Richtungen, wenn $9|K_1|>K_2$, und genau für die $\langle 100 \rangle, \langle 111\rangle$-Richtungen, wenn $9|K_1|=K_2.$ Für die leichten Achsen betrachten wir $$\varepsilon \geq c \Longleftrightarrow 9K_1 d_1 d_2 + K_2 d_3 \geq 27 c d_1^{ 3}.$$ Hier ist $c>0$ nicht möglich, da für $x=y=0, z\neq 0$ die linke Seite 0 ist, aber die rechte Seite größer als 0 wäre. Wir nehmen also $c\leq 0$ an, dann: $$\begin{aligned} \varepsilon \geq c &\Longleftrightarrow K_2 d_3 + 27 |c| d_1^{ 3} - 9 |K_1| d_1d_2 \geq 0~~~~~~|:(9|K_1|/4) \\ &\Longleftrightarrow t d_3 + r d_1^{ 3} - 4 d_1 d_2 \geq 0 , ~~~~~~~~~~~~~~~~~~\text{mit}~ t:=\frac{K_2}{9|K_1|/4}, ~r:= \frac{27|c|}{9|K_1|/4} \\ &\Longleftrightarrow (t-1) d_3 + (r-3) d_1^{ 3} + \underbrace{d_3+3d_1^{ 3}-4d_1d_2}_{\geq 0 \text{ wg. Schur (Gl. \ref{eq:schur2})}}\geq 0. \end{aligned}$$ Bemerke, dass im letzten Schritt nichts anderes gemacht wurde als die Ungleichung in eine Form zu bringen, in der direkt die Schur'sche Ungleichung (Gl. \ref{eq:schur2}) angewandt werden kann. Wir schauen uns nun nur die linken beiden Summanden der letzten Zeile an und unterscheiden verschiedene Fälle für $t$, die verschiedene leichte Achsen liefern: Für $\underline{t>1}$ entspricht das größte (nichtpositive) $c$ (und damit kleinste $r$), das man wählen kann, um die Ungleichung für alle $x,y,z \geq 0$ zu erfüllen, einem $r=3$. In der Tat führt die Wahl $x=0, ~y=z\neq 0$ dazu, dass der „Schur-Teil“ gleich 0 wird und damit die linke Seite der Ungleichung gleich $(r-3) d_1^{ 3}$. Für $r<3$ wäre dies negativ, im Widerspruch zur Ungleichung „$\geq 0$“. Für $r=3$ bzw. $c=-|K_1|/4$ haben wir also $\varepsilon \geq c$ mit Gleichheit genau für $d_3=0$ und $d_3+3d_1^{ 2}-4d_1d_2=0$, also genau wenn zwei von $\{x,y,z\}$ gleich sind und die andere Variable 0. Die leichten Achsen sind also $\langle 110 \rangle$. Für $\underline{t<1}$ haben wir $(t-1) d_3\leq 0$, also notwendigerweise $r-3 \geq -(t-1)$. Andernfalls, wenn „$<$“ gälte, wäre für $x=y=z \neq 0$ der „Schur-Teil“ gleich 0 und $d_1^{ 3}=d_3$, und damit die linke Seite negativ, Widerspruch. Nun funktioniert $r-3=-(t-1)$ wegen $d_1^{ 3} \geq d_3$, damit $c=-(9|K_1|-K_2)/27$ und $\varepsilon \geq c$ mit Gleichheit genau für $x=y=z$. Damit sind die leichten Achsen $\langle 111 \rangle$. Für $\underline{t=1}$ ist das kleinste $r$ (und damit kleinste $|c|$), das wir wählen können, $r=3$ (für $r<3$ und $x=0, ~y=z \neq 0$ wäre die linke Seite negativ). Die Gleichheitsfälle der Schur'schen Ungleichung liefern damit $\langle 110 \rangle$ und $\langle 111 \rangle$ als alle leichten Achsen. Damit ist der Fall $K_1<0,K_2>0$ erledigt. Der umgekehrte Fall $\underline{K_1>0,K_2<0}$ entspricht der Vertauschung der leichten/schweren Achsen. Es verbleibt nur noch der (theoretische) Fall, dass eine der Anisotropiekonstanten exakt 0 ist. Für $\underline{K_1=0}$ ist $$\varepsilon =\frac{K_2}{27} \frac{d_3}{d_1^{ 3}} \begin{cases} \leq \frac{K_2}{27} & \forall K_2 >0 , \\ \geq \frac{K_2}{27} & \forall K_2<0 , \end{cases}$$ mit Gleichheit genau für $x=y=z$ (aus der MacLaurin'schen Ungleichung), entsprechend den $\langle 111 \rangle$-Richtungen. Überdies ist $$\varepsilon \begin{cases} \geq 0 & \forall K_2 >0 , \\ \leq 0 & \forall K_2<0 , \end{cases}$$ mit Gleichheit genau dann, wenn $x=0$ oder $y=0$ oder $z=0$. Das entspricht den leichten bzw. schweren Ebenen $\{100\}$ für $K_2>0$ bzw. $K_2<0$. Schlussendlich folgt aus $\underline{K_2=0}$, dass $$\varepsilon = \frac{K_1}{3} \frac{d_2}{d_1^{ 2}},$$ was nach der MacLaurin'schen Ungleichung die analogen Resultate wie oben bei $K_1=0$ ergibt. Der Fall $K_1=K_2=0$ entspräche schließlich isotropem Verhalten.

Diskussion

Tab. 1: Leichte und schwere Achsen für alle Möglichkeiten für $K_1,K_2$ (außer den Gleichheitsfällen).
Abb. 2: Farbkodierter sphärischer Plot des Betrags der (verschobenen) Dichte der freien Energie $\varepsilon$. Der hier der Einfachheit halber einheitslose Wert $K_1$ wurde immer gleich $-1$ gewählt, außer bei dem Bild unten rechts (e), bei dem $K_1=0$ genommen wurde. Erzeugt mit Wolfram Mathematica. Insgesamt erhalten wir die leichten und schweren Achsen für alle möglichen Werte von $K_1,K_2$. Die Behandlung des halben Parameterraumes, nämlich wenn $K_1,K_2$ das gleiche Vorzeichen haben, war recht einfach, und es musste nur die MacLaurin'sche Ungleichung angewendet werden. Der Fall gemischter Vorzeichen von $K_1,K_2$ war deutlich schwieriger und erforderte mehrere Fallunterscheidungen -- diese waren aber nicht künstlich, denn sie lieferten auch wirklich verschiedene leichte/schwere Achsen. Die Resultate sind in Tab. 1 zusammengestellt. Da $K_2=-9K_1$ und $K_2=-9K_1/4$ nur Übergangsfälle darstellen, bei denen zwei Sätze von leichten/schweren Achsen existieren (siehe auch Abb. 2b), wurden sie der besseren Übersicht wegen nicht in der Tabelle aufgeführt. Ein prominentes Beispiel für $K_1<0, K_2<-9K_1/4$ mit $\langle 111 \rangle$ als leichte und $\langle 100 \rangle$ als schwere Achsen, ist kubisch flächenzentriertes (face centred cubic, fcc) Nickel, wohingegen bcc Eisen meist dem umgekehrten Fall entspricht [12]. Wie in Abb. 1b können die leichten und schweren Achsen in einem sphärischen Plot visualisiert werden, in dem der Betrag von $\varepsilon$ durch den Abstand vom Würfelmittelpunkt und mit einer Farbkodierung dargestellt wird [12,22], siehe Abb. 2. Damit der Betrag eine sinnvolle Größe ist, wurde $\varepsilon$ gleichmäßig auf Werte größer 0 verschoben: Wenn eine beste Ungleichung $c_2\leq \varepsilon \leq c_1$ mit $c_2<0$ gilt, wurde $|c_2|$ zu $\varepsilon$ hinzuaddiert, und für eine klarere Darstellung (damit Betrag 0, bei dem die im Plot dargestellte Fläche in den Mittelpunkt laufen würde, nicht vorkommt) zusätzlich $1/5\cdot(c_1-c_2)$ hinzuaddiert.

Grenzen der Methode und Ausblick

Zunächst einmal konnten mit der Methode keine Sattelpunkte bestimmt werden, sowie keine lokalen Extrema, die nicht gleichzeitig globale Extrema sind. Dafür ist Differenzialrechnung (wie in [16,34]) dann besser geeignet. Wenn man $\varepsilon$ zu einer Ordnung höher als 6 entwickelt, ist ebenfalls keine vollständige Analyse nur unter der Nützung der verwendeten symmetrischen Polynomungleichungen möglich, denn dann zeigen die leichten/schweren Achsen nicht immer entlang kubischer Hochsymmetrierichtungen, siehe Abb. 1b. Allerdings können die Ungleichungen dafür verwendet werden, Parameterkombinationen zu finden, für die dies doch gilt. Dafür können auch höhere Exponenten $\alpha$ in der Schur'schen Ungleichung betrachtet werden. Wenn man höhere Ordnungen von $\varepsilon$ betrachtet, ist freilich die Ordnung 8 zunächst am relevantesten (siehe auch Ref. [17,34]), bei der noch ein Term $K_3\,(\alpha_1^2\alpha_2^2+\alpha_2^2\alpha_3^2+\alpha_3^2\alpha_1^2)^2$ hinzukommt. Dieser Fall kann mithilfe des „half-degree-principle“ [31] analysiert werden (welches auch eine direkte Lösung für den im Artikel betrachteten Fall der Ordnung 6 liefert, siehe Cor. 5.3 in Ref. [31]). Dieses Prinzip impliziert, dass die globalen Minima eines symmetrischen Polynoms mit $n$ nichtnegativen Variablen und Grad $d$, unter symmetrischen polynomiellen Nebenbedingungen $F_1,...,F_m$, an den Punkten angenommen werden, bei denen höchstens $\max\{2, \lfloor \frac{d}{2} \rfloor, \text{deg} F_1,...,\text{deg} F_m\}$ verschiedene nicht-verschwindende Koordinaten vorliegen [32]. Für $\varepsilon$ achter Ordnung, also $d=4$ und Grad 1 der Nebenbedingung (wobei wir wieder die quadrierten Richtungskosinusse mit nichtnegativen Variablen substituieren), ist diese Anzahl gleich 2. Es müssen also nur die Richtungen $[100], [111], [11x], [xy0]$ ausgewertet werden. Bspw. für $[11x]$ lauten die Komponenten des normalisierten Magnetisierungsvektors $(a,a,1-2a)$ mit $0 \leq a \leq 1/2$, und wir haben \(\begin{equation}\varepsilon=K_1 (a^2+2a(1-2a))+K_2 a^2(1-2a)+ K_3 (a^2+2a(1-2a))^2.\end{equation}\) Das Finden der Minima dieses Ausdrucks (eventuell nachdem $K_3$ auf 1 normiert wurde) und Vergleichen des entsprechenden Wertes von $\varepsilon$ mit dem der $[100], [111], [xy0]$-Richtungen ist ohne Umschweife möglich, aber aufwändig. Eine andere Analyse des Falles achter Ordnung mittels Differenzialrechnung findet sich in Ref. [34].

Zusammenfassung

Wir demonstrierten eine effektive Herleitung der magnetischen leichten/schweren Achsen in kubischen magnetischen Kristallen, durch Analysieren der symmetrischen Anisotropie-Energiedichte $\varepsilon$ (Polynom 6. Grades) nur mittels elementarer mathematischer Ungleichungen, die zu der Struktur des Problems passen. Genauer haben wir symmetrische polynomielle Ungleichungen verwendet, für die die Gleichheit genau für die kubischen Hochsymmetrierichtungen eintritt. Die bloße Anwendbarkeit der Ungleichungen, um $\varepsilon \geq c$ oder $\varepsilon \leq c$ für eine beste Konstante $c$ zu erhalten, und das Feststellen der Gleichheitsfälle, zeigte dann, dass die leichten/schweren Achsen auch mit den Hochsymmetrierichtungen übereinstimmen.

Literatur

Dieser Artikel basiert auf meinem Papier "Determining the preferred directions of magnetisation in cubic crystals using symmetric polynomial inequalities" [0], veröffentlicht im Journal Emergent Scientist. Dieses Journal erfüllt die üblichen wissenschaftlichen Standards und ich kann es für „educational“ Artikel wie diesen hier empfehlen. Es ist auch explizit für Studenten gedacht, die mit wissenschaftlicher Publikation noch wenig Erfahrung haben. Beispielsweise können dort interessante Erkenntnisse aus der Bearbeitung von Physikolympiaden oder der Bachelorarbeit in Physik, Mathe, Chemie veröffentlicht werden. [0] F. Samad and O. Hellwig, Determining the preferred directions of magnetisation in cubic crystals using symmetric polynomial inequalities, Emergent Scientist 7, 1 (2023) Link [1] R. M. Bozorth, Phys. Rev. 50, 1076--1081 (1936). https://doi.org/10.1103/PhysRev.50.1076 [2] J. M. D. 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Cirtoaje, Mathematical Inequalities, Vol. 1, Symmetric Polynomial Inequalities (LAP LAMBERT Academic Publishing, 2018), p. 222. ISBN: 9786139882366 [27] V. Cirtoaje, Mathematical Inequalities, Vol. 1, Symmetric Polynomial Inequalities (LAP LAMBERT Academic Publishing, 2018). ISBN: 9786139882366 [28] H. B. Griffiths and A. J. Oldknow, Math. Gaz. 82 (493), 8--18 (1998). https://doi.org/10.2307/3620145 [29] K. R. McLean, Math. Gaz. 83 (498), 477--479 (1999). https://doi.org/10.2307/3620960 [30] I. G. Macdonald, Symmetric Functions and Hall Polynomials. (Clarendon Press, 2nd edition, 1995), p. 19--21. ISBN: 9780198739128 [31] V. Timofte, J. Math. Anal. Appl. 284, 174--190 (2003). https://doi.org/10.1016/S0022-247X(03)00301-9 [32] C. Riener, J. Pure App. Algebra 216, 850--856 (2012). https://doi.org/10.1016/j.jpaa.2011.08.012 [33] Art of Problem Solving Wiki, „Maclaurin's Inequality,“ https://artofproblemsolving.com/wiki/index.php/Maclaurin%27s_Inequality und „Newton's Inequality“ https://artofproblemsolving.com/wiki/index.php/Newton%27s_Inequality, abgerufen am 24.08.2022. [34] U. Atzmony, M. P. Dariel, Phys. Rev. B 13, 4006--4014 (1976). https://doi.org/10.1103/PhysRevB.13.4006

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von Delastelle am 2023-05-01 04:06
\(\begingroup\)Hallo Kornkreis! 33 Literaturtipps für eine(n) Artikel - das dürfte eventuell Rekord bei Matheplanet Artikeln sein. // Edit: Jetzt ist es keine Stilblüte mehr... Über den Zusammenhang zwischen den Gleichungen und den Grafiken denke ich noch nach... Viele Grüße Ronald\(\endgroup\)
von PhysikRabe am 2023-05-01 09:40
\(\begingroup\)\quoteon(2023-05-01 04:06 - Delastelle in Beitrag No. 1) 33 Literaturtipps für eine Artikel - das dürfte eventuell Rekord bei Matheplanet Artikeln sein. \quoteoff Das sind keine "Literaturtipps", sondern korrekt zitierte Fachliteratur, wie es für einen wissenschaftlichen Artikel (auf dem der MP-Artikel basiert) üblich und notwendig ist, sobald man sich auf die Resultate anderer Arbeiten bezieht (siehe z.B. hier für mehr Informationen). Grüße, PhysikRabe\(\endgroup\)
von Kornkreis am 2023-05-01 11:24
\(\begingroup\)Genau, die Literaturangaben sind für gewisse Stellen im Text nötig oder hilfreich, wo sie zitiert werden. Ausgehend von der Textstelle kann der Leser damit also selbst entscheiden, welche Literatur er sich genauer anschauen will. Als konkreten Literaturtipp kann ich für die mathematische Seite dieses Artikels allerdings [20] empfehlen (Purkiss-Prinzip) und [32] (über das Half-degree principle von Timofte, ist aber anspruchsvoller/spezieller). Sowie die [16] für eine Behandlung des Problems mittels Differentialrechnung. Bezüglich "Über den Zusammenhang zwischen den Gleichungen und den Grafiken denke ich noch nach..." --> freut mich 😉 Die Grafiken stellen lediglich die Gleichung (1) [mit Nebenbedingung $\alpha_1^2+\alpha_2^2+\alpha_3^2=1$] dar. Alles, was danach kommt, behandelt die Herleitung der globalen Extrema der Gl. (1) [mit Nebenbedingung]. \(\endgroup\)
von Kornkreis am 2023-05-04 12:32
\(\begingroup\)Im Vergleich zur ursprünglichen Version habe ich noch zwei Sätze eingefügt (die wollte ich eigentlich schon vorher reinschreiben, hatte es aber vergessen): "Anzumerken ist, dass eine Näherungsformel für ε zwar aus einer mikroskopischen Theorie entwickelt werden kann [15], aber mit so einer Formel (die bspw. eine unendliche Summe enthält) lässt es sich schwer arbeiten. Daher geht man oft einfach direkt von einer Darstellung als Taylorpolynom aus (und macht sich ggf. hinterher Gedanken über die physikalischen Größen, die in die Konstanten K1,... einfließen)." Um zu erklären, warum man überhaupt Gleichung 1 betrachtet. \(\endgroup\)
von sebp am 2023-05-04 17:53
\(\begingroup\)Könnte man mit dem oder einem ähnlichen Verfahren auch eine Anisotropie in einem Gas finden? Zum Beispiel eine Anisotropie der Abstände der Moleküle eines Gases.\(\endgroup\)
von Kornkreis am 2023-05-05 00:25
\(\begingroup\)Hm darunter kann ich mir gerade nichts vorstellen bzw. bräuchte ich mehr Details. Damit deine Fragestellung so einfach wie das Problem im Artikel analysiert werden kann, sollten ja einige analoge Voraussetzungen vorliegen. Bspw. indem zu einem festen Zeitpunkt eine gewisse geringe Symmetrie der Energie (z.B. eine kubische, um dieselben Methoden wie im Artikel zu verwenden) mit festen Symmetrieachsen vorliegt, wobei in die Energie die Abstände der Gasteilchen einfließen müssten...\(\endgroup\)
von sebp am 2023-05-05 15:05
\(\begingroup\)Mein konkretes Problem ist das folgende: Ich habe eine Gaswolke, also zufällig verteilte Teilchen. Diese Teilchen sind aber abgeplattete Rotationsellipsoide. Alle Symmetrieachsen dieser Ellipsoide sind parallel zur x-Achse. Die Abstände der Mittelpunkte dieser Teilchen sind im Mittel isotrop. Die x-Komponente des Radiusvektors eines Ellipoiden soll um den Faktor $1/\gamma$ verkürzt sein. Multipliziert man nun die x-Komponente der Koordinaten dieser Teilchen mit dem Faktor $\gamma$ und außerdem noch die x-Komponente der Radiusvektoren der Ellipsoiden, dann hat man ein Gas mit geringerer Dichte und einer möglichen Anisotropie der Abstände. Die Teilchen sind nun Kugeln. Die Symmetrieachse der Anisotropie ist wohl die x-Achse. Kann man nun irgendwie mit deiner Methode die vermutete Anisotropie finden und ausmessen?\(\endgroup\)
von Kornkreis am 2023-05-05 17:26
\(\begingroup\)Das ist eine Fragestellung aus der Relativitätstheorie, nehme ich an, bei der eine x-Anisotropie durch eine Bewegung in x-Richtung hervorgerufen wird. Ist das Problem damit nicht schon gelöst? Alle x-Komponenten werden ja gleichermaßen mit dem Faktor $\gamma$ multipliziert. Die Anisotropie in meinem Artikel ist energetischer Natur, d.h. die Energie ändert sich je nach Ausrichtung der Magnetisierung. Und es ist so, dass für die kubische magnetokristalline Anisotropie in der Regel eine Beschreibung der Energie mit einem Polynom 6. Ordnung (in den Richtungskosinussen) ausreicht, was eine einfache Behandlung ermöglicht.\(\endgroup\)
von sebp am 2023-05-05 17:51
\(\begingroup\)\quoteon(2023-05-05 17:26 - Kornkreis in Beitrag No. 8) Das ist eine Fragestellung aus der Relativitätstheorie, nehme ich an, bei der eine x-Anisotropie durch eine Bewegung in x-Richtung hervorgerufen wird. Ist das Problem damit nicht schon gelöst? ... \quoteoff Ja, es geht um die Lorentz-Symmetrie/SRT. Habe das Problem absichtlich als rein geometrisch stochastisch beschrieben, denn es geht ja um einen Symmetriebruch. :) Ob das Problem gelöst ist gilt es zu prüfen. \quoteon(2023-05-05 17:26 - Kornkreis in Beitrag No. 8) Die Anisotropie in meinem Artikel ist energetischer Natur, ... \quoteoff Wenn eine EM-Transversalwelle durch ein Gas geht, dann werden alle Moleküle Hertzsche Dipole und strahlen. Das zu rechnen ist aber wohl viel zu kompliziert, man könnte ja einfach ein Feld/Energie unterstellen, aber reicht nicht einfach eine geometrische Betrachtung? Ich verstehe die Theorie noch nicht wirklich, aber was schätzt du, könnte man damit mein Problem angehen? \(\endgroup\)
von Kornkreis am 2023-05-05 17:56
\(\begingroup\)Das wichtigste bei deinem Problem ist, dass du die physikalischen Effekte richtig beachtest (die Geometrie spielt sicherlich auch eine Rolle). Mein Artikel ist ja auch nur eine mathematische Behandlung eines physikalisch bereits bekannten Problems.\(\endgroup\)

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