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Mathematik: Grundlagen der Finanzmathematik
Released by matroid on Di. 21. August 2012 08:25:48 [Statistics] [Comments]
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Mathematik

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Grundlagen der Finanzmathematik

Mit dieser Artikelreihe möchten wir den Matheplaneten mit einigen Grundkenntnissen der Finanzmathematik ausstatten und Neulinge als auch erfahrene Kollegen etwas motivieren, sich mit diesem interessanten Teilbereich der angewandten Mathematik zu beschäftigen. Bislang kam hier diesem Gebiet der Stochastik recht wenig Anerkennung zu. Dem möchten wir entgegenwirken und beginnen zunächst mit einer Einführung in die Grundbegriffe dieses Themas. In späteren Artikeln werden wir uns dann mit der Modellierung von Finanzmärkten und der Derivatebewertung beschäftigen. Je nach Interessenslage können diese Techniken dann künftig noch auf Zinsmärkte oder Energiemärkte* ausgeweitet werden. *sehr aktueller Forschungsbereich! Dies ist ein offenes Projekt. Unter anderen sind daran freddchen, Mathador111, Redfreddchn, Bozzo und ich beteiligt. Die folgende Einführung stammt von freddchens Feder.

1. Defintionen und grundlegende Begriffe

Die Finanzmathematik beschäftigt sich mit der Frage nach dem fairen Preis eines Finanzierungstitels (oder Finanztitel oder Wertpapier oder auch kurz Titel). Die Idee wird dabei sein die zukünftigen Zahlungen des Titels zu bewerten. Hierzu wollen wir erstmal klären, was überhaupt ein Finanzierungstitel und ein Kapitalmarkt ist. Desweiteren wollen wir weitere Eigenschaften und Begriffe klären. Da am Kapitalmarkt die Teilnehmer Entscheidungen treffen, wollen wir den Teilnehmern unterstellen, dass diese sich "risikoavers" verhalten. Risikoavers bedeutet nicht, dass der Teilnehmer versucht Risiko zu vermeiden, sondern dass der Teilnehmer, wenn er die Wahl zwischen mehreren gleich hohen Erwartungswerten hat, immer diejenige mit dem geringeren Risiko wählt. Ein Beispiel: Wir werfen eine faire Münze. Bei Kopf werden 2 Euro und bei Zahl 0 Euro gezahlt. Alternativ bekommen wir 1 Euro geschenkt. In beiden Fällen beträgt der Erwartungswert 1 Euro. Der risikoaverse Entscheider entscheidet sich für den sicheren 1 Euro.

1.1 Kapitalmarkt

Zum Anfang stürzen wir uns gleich auf die Definition des Kapitalmarkts: \stress\ Definition: \normal\ Ein Kapitalmarkt besteht aus der Gesamtheit aller verbrieften, abtretbaren, handelbaren und unbedingten Finanzierungstitel. Ein Finanzierungstitel ist ein Tausch eines Unternehmens mit einem Geldgeber zur Finanzierung von Investitionen. Ein Finanzierungstitel ist der Tausch von Geld gegen bestimmte Rechte oder Pflichten. Wir wollen die Definition anhand der Aktie erläutern. Eine Aktie ist ein verbrieftes (in Form eines Stück Papiers auf dem die Rechte und Pflichten geschrieben sind) Recht, dass einen Bruchteil des Grundkapitals eines Unternehmens widerspiegelt. Die Summe aller Aktien gibt somit das Grundkapital des Unternehmens wieder. Dies stimmt mitterweile nur noch bei der Erstausgabe der Aktien. Später wird der Wert einer Aktie beispielsweise durch Spekulationsmotive und/oder durch die Erwartung einer bestimmten Unternehmensentwicklung beeinflußt. Dennoch haben wir hier unser erstes Bewertungsproblem: Was ist der richtige Wert S_t einer Aktie zum Zeitpunkt t? Antwort: S_t = Grundkapital_t/(Anzahl Aktien)_t Ein Recht ist z.B. das Stimmrecht. Das Stimmrecht gibt dem Besitzer der Aktie die Berechtigung bei Wahlen auf der Hauptversammlung eine Stimme auszuüben. Schauen wir nun ob eine Aktie zum Kapitalmarkt gehört. Nach der Eigenschaft einer Aktie ist die Aktie ein verbriefter Finanzierungstitel. Auch ist die Aktie abtretbar, d.h. die Aktie ist nicht an den Käufer gebunden (wie etwa bei einem Versicherungsvertrag bei dem der Versicherungsnehmer die Versicherung nicht weiter veräußern kann) und an einer Börse oder außerbörslich (englischer Fachbegriff: "over the counter" (OTC)) handelbar. Letztlich ist die Aktie ein unbedingter Anspruch. Dies bedeutet, dass der Käufer beim Kauf der Aktie zur Zahlung des Wertes an den Emittenten /(Herausgeber) verpflichtet ist. Ein bedingter Anspruch wäre gegeben, wenn die Zahlung an Bedingungen geknüpft ist. Z.B. ist dies der Fall, wenn die Zahlung an die wirtschaftliche Lage des Emittenten geknüpft ist. Eine weitere Möglichkeit der Unternehmen an Geld zu kommen ist die Herausgabe von Bonds. Von Unternehmen herausgegebene Bonds heißen "corporate bonds". Ein Bond ist ein festverzinsliches Wertpapier. Zum Herausgabezeitpunkt zahlt der Käufer den vereinbarten Preis an den Emittenten und zu vereinbarten Zeitpunkten erfolgt eine Zinszahlung (sog. Coupon-Zahlung) an den Besitzer des Bonds (dies muss nicht mehr der ursprüngliche Käufer sein, da Bonds gehandelt werden können). Am Ende der Laufzeit wird dem Besitzer der Kaufpreis vom Emittenten zurückgezahlt. Bonds die nur am Ende der Laufzeit eine Zinszahlung auslösen nennt man Zero-Coupon-Bonds (oder kurz Zero-Bonds). Dies sind bewertungstechnisch gesehen die einfachsten Finanzierungstitel. In der Theorie (und oft auch in der Praxis) werden Zero-Bonds als sichere Anleihe gesehen. Aufgrund der, im Vergleich zu anderen Finanzierungstiteln, langen Laufzeit eines Zero-Bonds wird der Emittent nur dann einen Käufer finden, wenn der Käufer den Emittenten als zahlungssicher einstuft.

1.2 Eigenschaften des Kapitalmarkts

Damit wir Finanzierungstitel bewerten können, müssen wir ein paar Restriktionen die an den Kapitalmarkt gestellt werden können vorstellen. Als erstes erläutern wir den Begriff des vollkommenen Kapitalmarkts. Wir werden später sehen, dass diese Restriktion nicht notwendig ist. \stress\ Definition:\normal Ein Kapitalmarkt heißt vollkommen, falls 1. es weder Steuern noch Transaktionskosten gibt. 2. jeder Teilnehmer sich unbegrenzt zu dem Marktzins r Geld leihen oder anlegen kann. 3. jeder Teilnehmer dieselben Informationen besitzt. Offensichtlich ist 2., 3. und teilweise 1. in der Realität verletzt. Dennoch erleichtern uns diese Annahmen die Bewertung. Die Eigenschaft 2 führt dazu, dass wir immer eine Alternative haben: Wir können, statt in Aktien oder Bonds oder Derivaten zu investieren, in eine risikolose Anleihe (d.h. Geld zum Marktzins anlegen/aufnehmen) investieren bzw. uns Geld leihen - und dies beliebig viel und oft. Dies führt auch dazu, dass wir immer einen Nettokredit/-ertrag in Höhe des Marktzinses haben können und somit niemals in Finanzierungstitel investieren die im Erwartungswert weniger Zahlen als die risikolose Anleihe. Die Eigenschaft 3 sorgt dafür, dass wir uns nicht mit Täuschung über die Zahlungsfähigkeit der Marktteilnehmer beschäftigen müssen. Letztlich brauchen wir uns wegen Eigenschaft 1 keine Gedanken über zusätzliche Kosten machen. Aus der Vollkommenheit folgt eine nützliche Konsequenz: "law of one price" bzw. "Replikationsprinzip". Das "law of one price" besagt, dass ökonomisch identische Güter gleiche Preise haben müssen. Wenn zwei Finanzierungstitel gleiche ökonomische Substanz haben, also gleiche Zahlungen zu gleichen Zeitpunkten liefern und die Risiken auch gleich sind, dann müssen beide Finanzierungstitel den gleichen Preis aufweisen. Durch die Eigenschaft der gleichen Informationsverteilung wird kein Teilnehmer bereit sein zu viel für einen Finanzierungstitel zu bezahlen. Wir werden später dieses wichtige Gesetz aus der Arbitragefreiheit herleiten, s.d. die Annahme der Vollkommenheit nicht angenommen werden braucht. Genauer wird die Annahme der gleichen Informationsverteilung fallen gelassen und die Eigenschaft 2 dahingehend abgeschwächt wird, dass Soll- und Habenzins gleich sind. Die nächste Eigenschaft ist die der Vollständigkeit des Kapitalmarkts. \stress\ Definition:\normal Der Kapitalmarkt heißt vollständig, falls jede beliebige Zahlung erreicht werden kann. Um diesen Begriff näher zu beschreiben, führen wir noch das Portfolio ein: \stress\ Definition:\normal Ein Portfolio ist eine Sammlung von Finanzierungstiteln. Mit der Frage nach der besten Zusammensetzung eines Portfolios beschäftigt sich die Portfolio-Selektions-Theorie. In Bezug auf unsere Vollständigkeit bedeutet dies, dass wir jeden Zahlungsstrom mit Hilfe eines Portfolios erreichen können. \stress\ Beispiel:\normal Angenommen wir haben einen vollkommenen Kapitalmarkt mit einer risikolosen Anleihe ( Marktzins r=10% ) und einem Bond B, der in t_1 eine Zahlung von 30 liefert. Wir wollen nun untersuchen, wann dieser Kapitalmarkt vollständig ist. Der Kapitalmarkt ist vollständig, falls wir in t_1 jede beliebige Zahlung S erreichen können. Sei dazu N_2 die Menge, die wir in die risikolose Anleihe investieren, und N_1 die Menge, die wir in den Bond investieren. Wir müssen also lösen: (1+10%)*N_1 + 30*N_2 = S. Umformen ergibt (1+10%)*N_1 =S- 30*N_2 und weiter N_1 = S/(1+10%) - 30/(1+10%) *N_2. Da wir in die risikolose Anleihe beliebig viel Geld leihen bzw. anlegen können, gibt es für jedes S mindestens eine Lösung (N_1, N_2). In dem obigen Beispiel können wir die Formel auch nach N_2 umstellen. Dies ergibt: N_2 = S/30 - (1+10%)/30 *N_1 = S/30 - 0,0366 * N_1. Ist jetzt S=30, so erhalten wir N_2 = 1 - 0,0366 *N_1. Angenommen wir haben nicht nachgedacht und N_2 = 2 mal in die risikolose Anleihe angelegt. Dann erhalten wir die Gleichung: 2 = 1- 0,0366*N_1 <=> N_1 = -27,2727. D.h. wir müssen ca. 27 mal den Bond verkaufen. Sollten wir keinen Bond besitzen, haben wir ein Problem. Da wir uns aber in t_0 befinden und der Bond erst zu einer Zahlung in t_1 verpflichtet, können wir folgendes machen: 1. Wir kaufen in t_0 die Bonds (wenn wir kein eigenes Geld haben, leihen wir uns dieses) und verkaufen diese sofort wieder. 2. Wir leihen uns in t_0 die Bonds und verkaufen diese am Markt. In t_1 kaufen wir diese am Markt und geben die Bonds wieder an den Verleiher zurück. Die letzte Möglichkeit ist eine Art des "Leerverkaufs". Ein Leerverkauf ist ein Verkauf von Finanzierungstiteln, die der Verkäufer im Zeitpunkt des Verkaufs (noch) nicht besitzt. Wir wollen Leerverkäufe ebenfalls zulassen. Kapitalmärkte, die keine Steuern und Transaktionskosten haben sowie keinem Leerverkaufsverbot unterliegen, heißen friktionsfrei. Nun noch eine Eigenschaft die häufig in der Portfolio-Selektions-Theorie, aber auch bei Bewertungstheorien, angenommen wird. \stress\ Definition:\normal Ein Kapitalmarkt ist (semi-streng) informationseffizient, falls die Marktpreise der Wertpapiere alle öffentlichen Informationen reflektieren. Ist ein Kapitalmarkt informationseffizient, so fliessen neue Informationen sofort in den Preis eines Wertpapiers ein. Es gibt für die Teilnehmer keine Möglichkeiten durch Recherche oder Analyse falsch bewertete Wertpapiere zu erkennen. Dies bedeutet insbesondere, dass im informationseffizientem Markt alle Wertpapiere zu jeder Zeit korrekt bewertet sind, sofern Insiderhandel ausgeschlossen werden kann. Ein paar hinreichende Bedingungen, um in der Realität einen informationseffizienten Markt zu erreichen, sind, dass die Teilnehmer zu jeder Zeit über gleiche Information verfügen und eine gleiche Erwartung an die Preise der Wertpapiere haben. Weiterhin müssen die Teilnehmer alle rational handeln und es darf keine Transaktionskosten geben. Die letzte Eigenschaft, die wir hier vorstellen, ist so fundamental, dass sie einen eigenen Abschnitt bekommt:

1.3 No-Arbitrage

Bei der Frage nach dem fairen Preis eines Finanzierungstitels, wollen wir noch ein Phänomen ausschließen. Hierzu ein Beispiel: Bei der Bank XY können wir einen Dollar für 0,99 Euro tauschen. Bei der Bank YZ dagegen 1 Euro für 1 Dollar. Wir würden jetzt folgendes machen: Wir gehen zur Bank XY und kaufen uns ganz viele Dollar, die wir sofort wieder bei der Bank YZ verkaufen. Für jeden Euro-Dollar Tausch haben wir einen Eurocent Gewinn gemacht - und das vollkommen ohne Risiko. Wir haben einen risikolosen Gewinn eingestrichen. Dies ist eine Arbitrage. Ein weiteres Beispiel: Wir können an der Börse A jeweils 10 Stück der Aktie X kaufen. Alternativ können wir über die Börse B und C jeweils 5 Stück der Aktie kaufen. In beiden Fällen haben wir hinterher je 10 Stück der Aktie X. Bezahlen wir jetzt bei der Börse A weniger als insgesamt bei den Börsen B und C, so haben wir ebenfalls eine Arbitrage. Wir könnten uns bei der Börse A Aktien kaufen und diese teuerer bei den Börsen B und C verkaufen. Bevor wir jetzt die Definition hinschreiben müssen wir noch ein paar Notationen festlegen: Sei \phi2_t ein Portfolio zum Zeitpunkt t, wobei \phi2_t = (N^0,...,N^n)_t ist und N_t^i die Anzahl des Wertpapiers i zum Zeitpunkt t ist. Wir vereinbaren, dass N_0 die Menge der risikolosen Anleihe beschreibt. Weiterhin sei S_t = (S^0,...,S^n)_t der Vektor der Preise der Titel i zum Zeitpunkt t. Der Wert V_t des Portfolios \phi2 zum Zeitpunkt t ist V_t= \phi2_t^Trans * S_t = sum(N_t^k * S_t^k,k=1,n). Wir haben mit der Annahme des vollkommenen Kapitalmarkts unterstellt, dass es keine Transaktionskosten oder Steuern gibt. Diese Eigenschaft wollen wir aufrecht erhalten. Damit wir später einfacher rechnen können, wollen wir auch Habenzins=Sollzins setzen und nur noch vom Marktzins r sprechen. Ansonsten müssen wir uns weitere Gedanken über den (risikolosen) Zins machen. Dies würde uns auf Zinsstrukturmodelle führen. Für diesen Artikel reicht es aber, wenn wir Annehmen, dass es einen Marktzins gibt. Weiterhin müssen wir noch unterstellen, dass Umschichtungen im Portfolio (z.B. Verkauf von 10 Stück des Wertpapiers 3 und dafür kaufen wir 8 Stück vom Wertpapier 23) ohne Kosten oder Erträge verbunden sind. Dies bedeutet, dass der Wert des Portfolios ausschließlich von den Werten der enthaltenen Wertpapiere abhängt. Insbesondere wird eine Dividendenzahlung einer Aktie dazu genutzt mehr von dieser Aktie zu kaufen. Dies nennt man eine Reinvestition. Der Hintergrund ist, dass der Wert der Aktien bei Dividendenausschüttung um die Höhe der Dividende sinkt (man kann dies selten beobachten, da die Aktien weiter gehandelt werden und die Dividenden im Vergleich mit dem Kurs eher gering sind). Portfolios mit dieser Eigenschaft heißen selbstfinanzierend. Selbstfinanzierend deshalb, weil man keine Zahlungen in oder aus dem Portfolio beobachten kann. Nun zur Definition der Arbitrage: \stress\ Definition:\normal Sei P die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines Ereignisses am Kapitalmarkt. Eine Arbitragemöglichkeit ist ein Portfolio \phi2 für das zu einem Zeitpunkt T>0 gilt: 1. V_0 = 0 2. P(V_T >= 0) = 1 3. P(V_T >0) > 0 Gehen wir die Definition durch: Um eine Arbitragemöglichkeit zu erhalten, suchen wir nach einem Portfolio das im Zeitpunkt 0 (also heute) keinen Wert aufweist (Eigenschaft 1), dafür aber zu einem Zeitpunkt T keinen Verlust macht (Eigenschaft 2) und zu diesem Zeitpunkt T eine Chance auf einen Gewinn besteht (Eigenschaft 3). Ein Kapitalmarkt auf dem keine Arbitragemöglichkeit besteht heißt arbitragefrei (no-abritrage). Dies wollen wir schließlich für unseren Kapitalmarkt annehmen. Betrachten wir nun ein paar Konsequenzen aus der Arbitragefreiheit: Aus No-Arbitrage folgt "law of one price": Dies ist nicht weiter erstaunlich, da, wenn es zwei ökonomisch identische Wertpapiere mit unterschiedlichen Preisen geben würde, wir eine Arbitragemöglichkeit finden können: Wir kaufen das billige Wertpapier und finanzieren den Kauf mittels Verkauf des teuren Wertpapiers. Die Realität sieht mal wieder ganz anders aus. Es gibt jede Menge Arbitragemöglichkeiten. Die Kunst ist diese zu finden. Jedes Finden und Nutzen einer Arbitrage führt dazu, dass der Wert des betroffenen Wertpapiers in Richtung des richtigen Preises korrigiert wird (sofern nicht an den Preisen manipuliert wird). No-Arbitrage ist stärker als das "law of one price", denn mittels des "law of one price" können wir nur Wertpapiere miteinander vergleichen. Das "law of one price" ermöglicht uns die Technik der Duplikation. Duplikation bedeutet, dass wir ein Wertpapier bewerten, indem wir mit bereits richtig bewerteten Wertpapieren ein Portfolio erstellen, dass die Zahlungen des zu bewertenden Titels nachstellt (duplizieren) und dann schauen, welchen Preis das duplizierte Portfolio hat. No-Arbitrage ermöglicht uns ein Wertpapier oder Portfolio mittels diskontierter Zahlungen zu bewerten. Dies werden wir im zweiten Kapitel anhand des Einperiodenmodells erklären. Wir können dies aber jetzt schon für Zero-Bonds beschreiben: Wir erinnern uns: Ein Zero-Bond ist ein Bond der nur am Ende der Laufzeit zu einer Zinszahlung führt. Nehmen wir an wir sehen an einem Kapitalmarkt mit risikolosem Zins von 1 % pro Jahr und einem Zero-Bond, dass der Zero-Bond die Restlaufzeit 5 Jahre und Rückzahlungswert 100 hat. Der gelistete Preis (=Kaufpreis) liegt bei 95,15. Ist der Zero-Bond richtig bewertet? Nach dem "law of one price" können wir den Zero-Bond bewerten, indem wir schauen wieviel Geld wir zum risikolosen Zins anlegen müssen, damit wir in 5 Jahren eine Zahlung von 100 erhalten. Das "law of one price" kann uns aber nicht sagen welcher Betrag dies ist. Dies kann uns aber die No-Arbitrage-Annahme. Diese besagt, dass es egal ist ob wir die gesamte Laufzeit von 5 Jahren betrachten oder wir uns zuerst anschauen welchen Wert der Zero-Bond in 4 Jahren, dann in 3 Jahren, in 2 Jahren, in einem Jahr und schließlich heute hat. Wir erinnern uns, dass dies genau die Vorgehensweise zur Zinseszinsberechnung ist. Der heutige Wert S_0 des Zero-Bond ergibt sich aus: 100 = (1+1%)^5 *S_0 <=> S_0 = 1/(1+1%)^5 *100 = 95,14657. Der Faktor 1/(1+1%)^5 heißt Diskontierungsfaktor. Der Zero-Bond ist also richtig bewertet.

1.4 Derivate

Bisher haben wir nur Wertpapiere kennen gelernt, die eine direkte Preisentwicklung haben. Ein Derivat ist ein Termingeschäft dessen Wert von einem Underlying abhängt. Bei einem Termingeschäft liegt die Erfüllung der Vereinbarung in der Zukunft. Bei einem Aktienhandel wird sofort Geld gegen Aktie getauscht. Z.B. ist ein Termingeschäft die sofortige Bezahlung zu einem festgelegten Preis und eine Lieferung der Aktie zu einem späteren festgelegtem Zeitpunkt. Diese Termingeschäfte heißen Future (wenn der Vertrag (nicht die Aktie!) an der Börse gehandelt wird) oder Forwards (bei außerbörslichem Handel). Das Derivat ist der Future und das Underlying die Aktie. Wir können uns leicht vorstellen, dass der Wert des Future von dem Wert der Aktie und der Zeit bis zum Liefertermin abhängt. Da der Phantasie keine Grenzen gesetzt sind, kann auch vereinbart werden, dass keine Aktie geliefert wird, sondern die Differenz zwischen dem Kurswert und vereinbartem Preis bezahlt oder eingenommen wird. Oder aber die Aktie muss nicht geliefert werden, sondern ein Vertragspartner hat das Recht aber nicht die Pflicht die Aktie zu einem vorher festgelegtem Zeitpunkt und Ausübungspreis entweder zu kaufen oder verkaufen. Dieses Derivat heißt Option. Genauer heißt diese Form "europäische Option". Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass nur zu einem bestimmten Zeitpunkt das Optionsrecht ausgeübt werden darf. Eine Option bei der das Wahlrecht während der gesamten Laufzeit ausgeübt werden darf, heißt "amerikanische Option". Sieht das Optionsrecht einen Verkauf der Aktie vor, nennt man diese Option "Put-Option". Wenn hingegen das Kaufrecht gewährt wird, dann wird von einer "Call-Option" gesprochen. Haben wir beispielsweise eine Option mit dem Recht zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Aktie zu kaufen, so ist dies eine europäische Call-Option. Ein Optionsinhaber wird die Option nur ziehen (ausüben), wenn die Aktie einen höheren Wert als den vereinbarten Ausübungspreis (auch Strike genannt) hat. Ansonsten würde der Optionsinhaber für die Aktie einen höheren Preis als den Kurswert zahlen. Diesen Zustand der Option wird "in the money" genannt. Dementsprechend ist eine Option "out of the money", wenn der Strike größer als der derzeitige Aktienkurs ist. Zum Schluss dieses ersten Artikels wollen wir prüfen ob eine Option Bestandteil des Kapitalmarkts ist. Zunächst ist die Option ein Finanzierungstitel, denn die Option ist das Recht/Pflicht eine Aktie zu kaufen oder verkaufen. Die Option liegt auch in verbriefter Form vor: dem Optionsschein. Eine Option wird an der Börse gehandelt und ist abtretbar, da das Recht/Pflicht weitergegeben werden kann. Das Recht bzw. die Pflicht einer Option ist ebenfalls unbedingt, da das ziehen der Option zum Handel verpflichtet und der Preis vorher festgelegt wurde.
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Grundlagen der Finanzmathematik [von Klebeband]  
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"Mathematik: Grundlagen der Finanzmathematik" | 6 Comments
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Re: Grundlagen der Finanzmathematik
von: John-Doe am: Di. 21. August 2012 19:40:13
\(\begingroup\)Hey! Danke für den Artikel! Ich wollte schon immer eine Einführung in diese Richtung haben! Vielen Dank! lg Bernhard\(\endgroup\)
 

Re: Grundlagen der Finanzmathematik
von: DULL am: Mi. 22. August 2012 07:45:53
\(\begingroup\)Schön, dass ihr euch mit einer solchen Artikelserie beschäftigt. Als Anregung würde ich aber gern mitgeben, dass es vielleicht - gerade für einen Artikel auf dem Matheplaneten - gut ist, reale Welt und Modell genauer zu trennen. Bei eigentlich allen mathematischen Artikeln ist etwa das Wort "Definition" der Definition eines mathematischen Begriffs vorbehalten. Bei eurem Artikel sind damit aber Umschreibungen von Begriffen der realen Welt gemeint, was den Leser irritieren kann. Etwa die Definition der Arbitragemöglichkeit sieht auf den ersten Blick nach etwas Matematischen aus, allerdings bleibt ganz unkalar über welche Objekte eigentlich geredet wird. Mit diesem Begriff kann man also als Mathematiker nicht arbeiten. Nur damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich finde eine Motivation der Begriffe der realen Welt unerlässlich, denke aber, dass die für diesen Leserkreis nicht mit dem mathematischen Modell vermischt werden sollte. Viel Spaß und Erfolg weiterhin bei eurem schönen Projekt! \(\endgroup\)
 

Re: Grundlagen der Finanzmathematik
von: Max90 am: Do. 23. August 2012 22:06:15
\(\begingroup\)Sehr schön, freue mich schon auf den nächsten Artikel!\(\endgroup\)
 

Re: Grundlagen der Finanzmathematik
von: rambo3 am: Sa. 25. August 2012 16:28:24
\(\begingroup\)Vielen Dank für den Artikel. Ich freu mich schon auf die nächsten. Ich finde er ist eigentlich recht gut zu verstehen. \(\endgroup\)
 

Re: Grundlagen der Finanzmathematik
von: Ex_Mitglied_40174 am: Sa. 22. September 2012 19:32:04
\(\begingroup\)Freue mich schon auf die nächsten Artikel, da ich auch gerade eine Einführung zu dem Thema lese. \(\endgroup\)
 

Re: Grundlagen der Finanzmathematik
von: Ex_Mitglied_40174 am: Mo. 08. Oktober 2012 18:51:06
\(\begingroup\)Kann es sein, dass im Beispiel in Kapitel 1.2 Anleihe und Bond irgendwie vertauscht wurden? Würde gerne wissen, ob der Fehler bei mir liegt oder in dem Beispiel tatsächlich was nicht stimmt. Gruß, Pete\(\endgroup\)
 

 
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