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Mathematik: Kuratowski-Räume - ein anschaulicher Zugang zur Topologie
Released by matroid on Sa. 11. April 2015 23:30:31 [Statistics] [Comments]
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Mathematik

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\LARGE{\textbf{Kuratowski-Räume}} \large\textsc{Ein anschaulicher Zugang zur Topologie} Wenn man sich die Definition eines metrischen Raumes ansieht, so ist die geometrische Intuition dahinter sofort klar: Es geht darum, Abstände zwischen Punkten zu messen. Man schreibt also einfach hin, was für Eigenschaften eine solche Abstandsfunktion haben sollte. Wenn man sich die übliche Definition eines topologischen Raumes ansieht, so entsteht daraus zunächst einmal gar keine geometrische Intuition (auch wenn es vielfältige Möglichkeiten gibt, diesen Begriff zu motivieren, und man sich mit der Zeit daran gewöhnt). Und die Definition einer stetigen Abbildung ist auch nicht wirklich das, was man sich üblicherweise unter Stetigkeit vorstellt. Kuratowski-Räume hingegen liefern einen alternativen und relativ anschaulichen Zugang zur Topologie, weil sie unmittelbar das geometrische Konzept der Berührung axiomatisieren. Zum Beispiel ist eine Abbildung f genau dann stetig, wenn Folgendes gilt: Wenn ein Punkt x eine Menge A berührt, so berührt f(x) die Menge f(A). Ist das nicht schön? Der Artikel beschäftigt sich in aller Kürze mit der Definition von Kuratowski-Räumen, den Zusammenhang zu topologischen und metrischen Räumen, diversen Konstruktionen mit Kuratowski-Räumen (Teilraum, Quotientenraum, Produkt, Koprodukt), Konvergenz von Folgen, Trennungsaxiomen und der Zariski-Topologie.


1. Kuratowski-Räume

Definition. Ein Kuratowski-Raum (X,\prec) ist eine Menge X zusammen mit einer Relation \prec zwischen Elementen von X und Teilmengen von X, wobei wir x \prec A gerne als "x berührt A" schreiben, mit den folgenden Eigenschaften: \bullet Kein Element berührt die leere Teilmenge. \bullet Jedes Element von A berührt A. \bullet Berührt ein Element A \cup B, so berührt es A oder B. \bullet Jedes Element von A möge B berühren. Berührt dann ein Element A, so berührt es ebenfalls B. Dies soll natürlich für alle Teilmengen A,B \subseteq X gelten. Jedes der vier Axiome lässt sich durch die anschauliche Bedeutung von "Berührung" rechtfertigen. Aus den Axiomen folgt: \bullet Berührt ein Element A und gilt A \subseteq B, so berührt es auch B. Beispiel. Wir nehmen X=\mathds{R} und definieren x \prec A, wenn es für alle \varepsilon > 0 ein a \in A gibt mit |x-a| < \varepsilon. Zum Beispiel ist 0 \prec\, ]0,1]. \begin{tikzpicture} \draw (0.09,0) -- (4,0); \draw [fill] (0,0) circle (0.05); \draw node at (0,-0.2) {\scriptsize $0$}; \draw node at (3.98,-0.2) {\scriptsize $1$}; \draw node at (2,-0.2) {\scriptsize $]0,1]$}; \end{tikzpicture} Beispiel. Der Sierpinksi-Raum ist der folgende Kuratowski-Raum: Die unterliegende Menge sei \{0,1\}. Es gelte 0 \prec \{1\}, aber 1 \not\prec \{0\}. Die anderen Relationen sind durch die Axiome festgelegt, nämlich: 0 \not\prec \emptyset, 1 \not\prec \emptyset, 0 \prec \{0\}, 0 \prec \{0,1\}, 1 \prec \{1\}, 1 \prec \{0,1\}. Das zugehörige Bild ähnelt dem obigem, nur dass das halboffene Intervall ]0,1] lediglich aus der 1 besteht. Man kann sich vorstellen, dass der Sierpinski-Raum aus [0,1] entsteht, indem man ]0,1] zu einem Punkt "zusammenschlägt". Definition. Eine stetige Abbildung f : (X,\prec) \to (Y,\prec) zwischen Kuratowski-Räumen sei eine Abbildung f : X \to Y der unterliegenden Mengen mit der Eigenschaft: Wenn x \in X eine Teilmenge A \subseteq X berührt, so berührt f(x) \in Y die Teilmenge f(A) \subseteq Y. Wenn wir hier x \in X festhalten, nennen wir f stetig in x. Bemerkung. Die Komposition von stetigen Abbildungen ist offensichtlich wieder stetig und die Identität \mathrm{id} : (X,\prec) \to (X,\prec) ist stetig. Man erhält also eine Kategorie von Kuratowski-Räumen. Damit lässt sich insbesondere definieren: Definition. Ein Isomorphismus (oder auch Homöomorphismus) von Kuratowski-Räumen f : (X,\prec) \to (Y,\prec) ist eine stetige Abbildung, für die es eine stetige Abbildung g : (Y,\prec) \to (X,\prec) gibt mit f \circ g = \mathrm{id}_{(Y,\prec)} und g \circ f = \mathrm{id}_{(X,\prec)}. Äquivalent dazu: Es ist f bijektiv, und es gilt x \prec A \Leftrightarrow f(x) \prec f(A) für x \in X und A \subseteq X. Bemerkung. Offenbar kann man die Relation \prec in der Definition eines Kuratowski-Raumes auch als eine Abbildung c : \wp(X) \to \wp(X) der Potenzmenge in sich selbst auffassen, nämlich c(A) = \{x : x \prec A\}. Die Axiome nehmen dann folgende Gestalt an: \bullet c(\emptyset)=\emptyset \bullet A \subseteq c(A) \bullet c(A \cup B) = c(A) \cup c(B) \bullet c(c(A)) = c(A) Man nennt c einen Kuratowski-Abschluss-Operator. In dieser Sprache könnte man die Theorie ebenfalls entwickeln, aber es ist vielleicht nicht ganz so anschaulich. Aus dem dritten Axiom folgt übrigens sofort A \subseteq B \Rightarrow c(A) \subseteq c(B). Definition. Sei (X,\prec) ein Kuratowski-Raum. Ein Punkt von (X,\prec) ist per Definition ein Element von X. Eine Teilmenge A \subseteq X heißt abgeschlossen (bezüglich \prec), wenn A alle Punkte enthält, die A berühren. Äquivalent dazu ist c(A)=A. Es ist nun leicht zu sehen: \bullet \emptyset, X sind abgeschlossen. \bullet Sind A,B \subseteq X abgeschlossen, so auch A \cup B. \bullet Ist (A_i)_{i \in I} eine Familie abgeschlossener Teilmengen, so ist \bigcap_{i \in I} A_i abgeschlossen. Eine Menge X zusammen mit einem Mengensystem aus "abgeschlossenen" Teilmengen, welche die drei obigen Axiome erfüllen, nennt man einen topologischen Raum. Eine Abbildung f zwischen topologischen Räumen heißt stetig, wenn Urbilder abgeschlossener Mengen wieder abgeschlossen sind. Man kann diese Definitionen auch äquivalent mit Hilfe von "offenen" Mengen formulieren, welche die Komplemente abgeschlossener Mengen sind. Dieses Konzept, welches üblicherweise die Basis der (mengentheoretischen) Topologie darstellt, ist tatsächlich zum Konzept eines Kuratowski-Raumes äquivalent: Satz. Sei X eine Menge. Dann entsprechen die Relationen \prec, die (X,\prec) zu einem Kuratowski-Raum machen, bijektiv den Topologien auf X, d.h. den Mengensystemen \mathcal{T}, die (X,\mathcal{T}) zu einem topologischen Raum machen. Die beiden Begriffe der Stetigkeit sind bei dieser Bijektion äquivalent. Beweis. Wir haben bereits bemerkt, dass man jedem Kuratowski-Raum einen topologischen Raum zuordnen kann. Sei umgekehrt eine Topologie auf X gegeben. Dann berühre ein Punkt x die Teilmenge A, wenn x in jeder abgeschlossenen Menge Z mit A \subseteq Z enthalten ist; der Durchschnitt all solcher Mengen ist eine abgeschlossene Menge \overline{A}, die kleinste abgeschlossene Obermenge von A. Das heißt, x berührt A genau dann, wenn x \in \overline{A}. Die ersten beiden Axiome eines Kuratowski-Raumes sind dann klar. Das dritte Axiom folgt aus der Gleichung \overline{A \cup B} = \overline{A} \cup \overline{B}; dies liegt daran, dass beide Seiten offenbar die kleinste abgeschlossene Teilmenge darstellen, welche A und B umfassen. Wenn jedes Element von A eine Teilmenge B berührt, so bedeutet dies A \subseteq \overline{B} und damit \overline{A} \subseteq \overline{B}. Aus x \in \overline{A} folgt also x \in \overline{B}. Also liegt ein Kuratowski-Raum vor. Die Konstruktionen sind zueinander invers: Wenn ein Kuratowski-Raum gegeben ist, so müssen wir dazu x \prec A \Leftrightarrow x \in \overline{A} zeigen, d.h. dass c(A) = \{x \in X : x \prec A\} die kleinste abgeschlossene Teilmenge ist, die A umfasst. Nun, A \subseteq c(A) ist klar, und die Abgeschlossenheit folgt aus c(c(A))=c(A). Ist umgekehrt B abgeschlossen mit A \subseteq B, so folgt c(A) \subseteq c(B) = B. Nun sei umgekehrt eine Topologie gegeben. Dann müssen wir zeigen, dass A \subseteq X genau dann abgeschlossen ist, wenn x \in \overline{A} \Rightarrow x \in A. Das folgt sofort aus der Definition von \overline{A}. Schließlich müssen wir zeigen, dass eine Abbildung zwischen (den unterliegenden Mengen von) Kuratowski-Räumen genau dann stetig ist, wenn Urbilder abgeschlossener Mengen abgeschlossen sind. Wenn f : X \to Y stetig, B \subseteq Y abgeschlossen und x \prec f^{-1}(B) ist, so folgt f(x) \prec f(f^{-1}(B)), wegen f(f^{-1}(B)) \subseteq B also f(x) \prec B und damit f(x) \in B, d.h. x \in f^{-1}(B). Damit ist f^{-1}(B) abgeschlossen. Umgekehrt: Es sei f^{-1}(B) abgeschlossen für alle abgeschlossenen Teilmengen B \subseteq Y. Es sei x \prec A. Dann gilt auch x \prec f^{-1}\bigl(\overline{f(A)}\bigr), nach Annahme also x \in f^{-1}\bigl(\overline{f(A)}\bigr), d.h. f(x) \prec f(A). Also ist f stetig. \square Bemerkung. Die Äquivalenz zu topologischen Räumen ist hier nur der Vollständigkeit halber ausgeführt worden. In Wahrheit braucht man für den Umgang mit Kuratowski-Räumen keine topologischen Räume und auch keine Intuition, die man mit ihnen eventuell bereits gesammelt hat. Insofern kann man sich hier wirklich einen eigenständigen Begriff vorstellen. Bemerkung. Man kann den obigen Satz auch kategorientheoretisch formulieren: Die konkrete Kategorie der Kuratowski-Räume mit stetigen Abbildungen ist zur konkreten Kategorie der topologischen Räume mit stetigen Abbildungen isomorph. Isomorphe Kategorien können für alle praktischen Belange vermöge des Isomorphismus miteinander identifiziert werden.

2. Metrische Räume

Es sei (X,d) ein metrischer Raum, d.h. X ist eine Menge zusammen mit einer Funktion d : X \times X \to \mathds{R}_{\geq 0} mit den folgenden Eigenschaften für alle Punkte x,y,z \in X: \bullet d(x,x)=0 \bullet d(x,y) = 0 \Rightarrow x=y \bullet d(x,y)=d(y,x) \bullet d(x,z) \leq d(x,y) + d(y,z) Wir messen mit d den Abstand zwischen Punkten. Dann können wir aber auch den Abstand zwischen einem Punkt x \in X und einer Teilmenge A \subseteq X messen: d(x,A) := \inf_{a \in A} d(x,a) Wir sagen nun, x berühre A, und schreiben dafür x \prec A, wenn dieser Abstand Null ist. Mit anderen Worten, für jedes (noch so kleine) \varepsilon > 0 gibt es ein a \in A mit d(x,a) < \varepsilon. Unter Berührung verstehen wir also ganz anschaulich, dass der Abstand zu Punkten der Teilmenge beliebig klein werden kann. Satz. Wenn (X,d) ein metrischer Raum ist, dann ist (X,\prec), wie oben definiert, ein Kuratowski-Raum. Der Beweis ist eine gute Übungsaufgabe. Die ersten drei Axiome sind ziemlich klar, und das vierte Axiom braucht die Dreiecksungleichung. An keiner Stelle werden die Axiome d(x,y) = 0 \Rightarrow x=y und d(x,y)=d(y,x) gebraucht; sie sind für die Topologie überflüssig. Man könnte sogar d(x,y)=\infty zulassen. Dies führt zum Konzept eines metrischen Raumes nach Lawvere. Ein schönes Beispiel dafür ist Folgendes: Es sei X die Menge der Orte auf der Erde. Es sei d(x,y) die (minimale) Summe der Kosten für eine Reise von x nach y. Beachte, dass hier d(x,y)=\infty vorkommt (wenn keine Reise möglich ist), keine Symmetrie vorliegt (man denke an Bergfahrten), und dass auch Reisen zwischen verschiedenen Orten manchmal kostenlos sind. Satz. Seien (X,d), (Y,d) zwei metrische Räume. Eine Abbildung f : X \to Y ist dann genau dann stetig in x \in X (im Sinne von Kuratowski-Räumen), wenn gilt: Für alle \varepsilon > 0 gibt es ein \delta > 0, sodass für alle x' \in X gilt: Aus d(x,x') < \delta folgt d(f(x),f(x')) < \varepsilon. Beweis. Wir zeigen lediglich die Rückrichtung. Angenommen f erfüllt das \varepsilon-\delta-Kriterium und es gilt d(f(x),f(A)) > 0. Setze \varepsilon := d(f(x),f(A)) und finde ein \delta>0 wie im Kriterium. Dann gilt d(x,x') < \delta \Rightarrow x' \notin A und damit d(x,A) \geq \delta, also d(x,A) > 0. \square

3. Konvergenz, Trennungsaxiome und Dichtheit

Definition. Es sei (X,\prec) ein Kuratowski-Raum und (x_n)_{n \geq 0} eine Folge in X. Es sei y \in X. Wir sagen, x_n konvergiert gegen y und schreiben (x_n) \longrightarrow y, wenn y jede Teilfolge von (x_n) (bzw. die zugehörige Menge) berührt. Man nennt y einen Grenzwert der Folge. Bemerkung. Es gilt genau dann (x_n) \longrightarrow y, wenn für jede abgeschlossene Menge A gilt: Verläuft eine Teilfolge von (x_n) in A, dann liegt y in A. Bemerkung. Konvergenz von Folgen ist tatsächlich ein Spezialfall von Stetigkeit. Betrachte den folgenden Kuratowski-Raum: Die unterliegende Menge sei \mathds{N} \sqcup \{\infty\}. Definiere \prec durch: x \prec A \Leftrightarrow (x \in A) \vee (x= \infty \wedge A \text{ unendlich}). Das heißt, \infty soll die unendlichen Mengen natürlicher Zahlen berühren. Eine Folge in X ist dasselbe wie eine Abbildung \mathds{N} \to X und sie konvergiert genau dann (gegen y), wenn sie sich zu einer stetigen Abbildung (\mathds{N} \sqcup \{\infty\},\prec) \to (X,\prec) fortsetzen lässt (mit \infty \mapsto y). Definition. Ein Kuratowski-Raum (X,\prec) heißt separiert oder Hausdorffsch, wenn Folgendes gilt: Sind x \neq y zwei Punkte, so gibt es eine Teilmenge A \subseteq X mit x \not\prec A und y \not\prec X \setminus A. Beispiel. Die von metrischen Räumen induzierten Kuratowski-Räume sind Hausdorffsch, denn für x \neq y kann man A := \{p \in X : d(p,y) < \frac{1}{2} d(x,y)\} betrachten. Das "erkennt" man mit einem Bild. Der Sierpinksi-Raum ist nicht Hausdorffsch. Definition. Sei (X,\prec) ein Kuratowski-Raum. Eine Teilmenge D \subseteq X heißt dicht, wenn jeder Punkt D berührt. Das heißt also, \overline{D} = X. Satz. Seien f,g : (Y,\prec) \to (X,\prec) zwei stetige Abbildungen. Es sei (X,\prec) Hausdorffsch. Dann ist die Teilmenge \{f=g\} := \{p \in Y : f(p)=g(p)\} abgeschlossen. Insbesondere gilt: Stimmen f und g auf einer dichten Teilmenge von Y überein, so gilt bereits f=g. Beweis. Wir nehmen y \prec \{f=g\} an und führen f(y) \neq g(y) zu einem Widerspruch. Finde A \subseteq X mit f(y) \not\prec A und g(y) \not\prec X \setminus A. Dann gilt y \not\prec f^{-1}(A) (weil f stetig ist) und damit, nach dem dritten Kuratowski-Axiom, y \prec \{f=g\} \setminus f^{-1}(A) = \{f=g\} \cap g^{-1}(X \setminus A). Aus der Stetigkeit von g folgt g(y) \prec X \setminus A, Widerspruch. \square Folgerung. In einem Hausdorffschen Kuratowski-Raum ist ein Grenzwert einer Folge eindeutig bestimmt, sofern er existiert. Beweis. Dies folgt aus der Bemerkung und dem Satz, weil \mathds{N} dicht in (\mathds{N} \sqcup \{\infty\},\prec) ist. \square Man kann also im Hausdorffschen Fall ohne Bedenken \lim_{n \to \infty} x_n = y schreiben, wenn (x_n) gegen y konvergiert. Bemerkung. Man kann die Definition von Konvergenz von Folgen unmittelbar auf Netze verallgemeinern. Diese haben die angenehme Eigenschaft, dass der Abschluss einer Teilmenge A aus allen Grenzwerten von Netzen mit Gliedern in A besteht (was für Folgen nicht der Fall sein muss). Bemerkung. Es gibt viele weitere Trennungsaxiome. Zum Beispiel heißt ein Kuratowski-Raum T_1-Raum, wenn für alle Punkte x,y gilt: Wenn x \neq y, dann gibt es eine Teilmenge A mit x \in A und y \not\prec A. Äquivalent dazu ist die Bedingung \overline{\{x\}} = \{x\} für alle Punkte x.

4. Teilräume und Quotienten

Definition. Sei (X,\prec) ein Kuratowski-Raum und i : Y \to X eine Abbildung. Für y \in Y und B \subseteq Y definiere y \prec B durch i(y) \prec i(B). Offenbar ist damit (Y,\prec) selbst ein Kuratowski-Raum, und i : (Y,\prec) \to (X,\prec) ist stetig. Dies betrifft insbesondere den Fall, dass i injektiv (oder sogar eine Inklusion) ist. Wir nennen i : (Y,\prec) \to (X,\prec) in diesem Fall einen Teilraum von (X,\prec). Definition. Sei (X,\prec) ein Kuratowski-Raum und p : X \to Y eine surjektive Abbildung. (Eine solche erhält man etwa über eine Äquivalenzrelation auf X.) Wir möchten einen Kuratowski-Raum (Y,\prec) konstruieren. Wir nennen A \subseteq Y abgeschlossen, wenn p^{-1}(A) \subseteq X abgeschlossen ist. Dies erklärt offensichtlich eine Topologie auf Y und damit eine Kuratowski-Struktur. Diese lässt sich etwas konkreter wie folgt beschreiben: Nenne eine Teilmenge A \subseteq X saturiert, wenn A = p^{-1}(p(A)). Beachte, dass B = p(p^{-1}(B)) für jede Teilmenge B \subseteq Y, weil p surjektiv ist. Man erhält also eine Bijektion zwischen den saturierten Teilmengen von X und den Teilmengen von Y. Hierbei werden abgeschlossene Teilmengen erhalten, wie man leicht sieht, d.h. es gibt eine Bijektion zwischen den saturierten abgeschlossenen Teilmengen von X und den abgeschlossenenen Teilmengen von Y. Für saturierte Teilmengen A \subseteq X gilt nun p(x) \prec p(A) in (Y,\prec) genau dann, wenn für jede saturierte abgeschlossene Teilmenge A' \subseteq X mit A \subseteq A' gilt, dass x \in A'. Ich kenne leider keine handlichere Beschreibung (vgl. MP/206015). Das ist aber auch nicht ganz so verwunderlich, weil sich bei Quotienten die Berührungsrelation sehr stark verändert. Punkte, die vorher weit entfernt waren, können nun nahe beieinander liegen, oder sogar übereinstimmen. Ich wäre trotzdem sehr daran interessiert, ob es hier nicht vielleicht doch eine schöne Beschreibung für Quotienten von Kuratowski-Räumen gibt (oder allgemeiner: finale Kuratowski-Strukturen), welche keinen Umweg über abgeschlossene Mengen und damit letztlich topologische Räume macht!

5. Produkte und Koprodukte

Definition. Es sei (X_i,\prec) eine Familie von Kuratowski-Räumen. Ihr Koprodukt \coprod_i (X_i,\prec) ist definiert durch (\coprod_i X_i,\prec), wobei \coprod_i X_i das Koprodukt (d.h. die disjunkte Vereinigung) der Mengen X_i ist, und wir x \prec A für x \in \coprod_i X_i und A \subseteq \coprod_i X_i dadurch definieren, dass es ein i gibt mit x \in X_i und x \prec A \cap X_i bezüglich (X_i,\prec). Offenbar ist dies ebenfalls ein Kuratowski-Raum. Das Koprodukt erfüllt die folgende universelle Eigenschaft: Satz. Für jedes i ist die Inklusion X_i \to \coprod_i X_i eine stetige Abbildung \iota_i : (X_i,\prec) \to \coprod_i (X_i,\prec). Ist (Y,\prec) ein Kuratowski-Raum und f_i : (X_i,\prec) \to (Y,\prec) eine Familie von stetigen Abbildungen, so gibt es genau eine stetige Abbildung f : \coprod_i (X_i,\prec) \to (Y,\prec) mit f \circ \iota_i = f_i. \begin{tikzcd}[row sep=30pt] (X_i,\prec) \ar{r}{\iota_i} \ar{dr}[swap]{f_i} & \coprod_i (X_i,\prec) \ar[dashrightarrow]{d}{f} \\ & (Y,\prec) \end{tikzcd} Beweis. Die Stetigkeit von \iota_i ist klar. Nun seien f_i gegeben. Wenn x \in \coprod_i X_i, so gibt es genau ein i mit x \in X_i, und wir müssen f(x) := f_i(x) definieren. Es bleibt nur noch die Stetigkeit von f zu klären. Sei dazu x \prec A in \coprod_i X_i. Wenn x \in X_i, bedeutet dies x \prec A \cap X_i. Weil f_i stetig ist, folgt f_i(x) \prec f_i(A \cap X_i). Wegen f_i(x)=f(x) und f_i(A \cap X_i) = f(A \cap X_i) \subseteq f(A) folgt also f(x) \prec f(A), wie gewünscht. \square Beachte, dass das Koprodukt \coprod_i (X_i,\prec) gerade so gemacht ist, dass kein Element von X_i eine Teilmenge von X_j für i \neq j berührt. Insofern sind die X_i also voneinander getrennt. Definition. Ein Kuratowski-Raum (X,\prec) heißt zusammenhängend, wenn folgendes gilt: Ist (X_i,\prec)_{i \in I} eine Familie von Kuratowski-Räumen mit (X,\prec) \cong \coprod_{i \in I} (X_i,\prec), so gibt es ein i, sodass sich der Isomorphismus auf (X,\prec) \cong (X_i,\prec) einschränkt. Man kann einen zusammenhängenden Raum also nur trivial in Koprodukte zerlegen. Es gibt die folgende alternative Beschreibung für zusammenhängende Räume: Es gilt X \neq \emptyset, und sind A,B \subseteq X nichtleer mit X = A \cup B, so gibt es einen Punkt, der A und B berührt. Dieser Punkt sorgt sozusagen für den Zusammenhang der Teile A und B von X. Definition. Es sei (X_i,\prec) eine Familie von Kuratowski-Räumen. Ihr Produkt \prod_i (X_i,\prec) ist definiert durch (\prod_i X_i,\prec), wobei wir x = (x_i)_{i \in I} \prec A für A \subseteq \prod_i X_i dadurch definieren, dass für alle Familien von Teilmengen A_i \subseteq X_i, die fast alle leer sind, Folgendes gilt: Aus A \subseteq \bigcup_{i \in I} pr_i^{-1}(A_i) folgt x_i \prec A_i für ein i. Hierbei ist pr_i : \prod_{i \in I} X_i \to X_i die Projektion auf die i-te Koordinate. Die geometrische Vorstellung ist, dass pr_i^{-1}(A_i) eine Art "Schlauch" ist, der parallel zur i-ten Dimension verläuft, und dass wir A mit endlich vielen solcher "Schläuche" überdecken. Egal, wie fein diese Überdeckung ist, soll ein Berührungspunkt von A in einer Koordinate einen dieser Schläuche berühren. Im folgenden 2-dimensionalen Bild werden die Menge A magenta und die beiden Schläuche grau dargestellt. \begin{tikzpicture} \draw [gray,fill=lightgray!50] (1.8,0.5) to (3.5,0.5) to (3.5,-2.5) to (1.8,-2.5) to (1.8,0.5); \draw [gray,fill=lightgray!50] (-0.3,0.7) to (4,0.7) to (4,-0.62) to (-0.3,-0.62) to (-0.3,0.7); \draw [lightgray,fill=magenta!90] (0,0) to [out=20,in=150] (3,0) to [out=-30,in=90] (3,-2) to [out=-80,in=-100] (2,-2) to [out=80,in=-90] (2.5,-1) to [out=90,in=200] (0,0); \draw [fill] (2.3,-0.62) circle [radius=0.05]; \end{tikzpicture} Wir müssen uns überlegen, dass (\prod_{i \in I} X_i,\prec) tatsächlich ein Kuratowski-Raum ist. Das Axiom x \not\prec \emptyset ist klar (setze A_i=\emptyset und nutze x_i \not\prec \emptyset). Für x \in A gilt x \prec A, denn aus x \in A \subseteq \bigcup_i pr_i^{-1}(A_i) folgt x_i \in A_i für ein i und daher x_i \prec A_i. Für das dritte Axiom nehmen wir x \not\prec A und x \not\prec B an. Dann finden wir Teilmengen A_i,B_i \subseteq X_i, die fast alle leer sind, sodass A \subseteq \bigcup_i pr_i^{-1}(A_i), B \subseteq \bigcup_i pr_i^{-1}(B_i), aber x_i \not\prec A_i und x_i \not\prec B_i für alle i. Für C_i := A_i \cup B_i folgt A \subseteq \bigcup_i pr_i^{-1}(C_i) und x_i \not\prec C_i für alle i, also x \not\prec A \cup B. Schließlich zum vierten Axiom: Es seien A,B \subseteq \prod_{i \in I} X_i mit a \prec B für alle a \in A, und es sei x \prec A. Um x \prec B zu zeigen, nehmen wir B \subseteq \bigcup_i pr_i^{-1}(B_i) mit B_i \subseteq X_i an, die fast alle leer sind. Für a \in A gilt a \prec B und damit a_i \prec B_i für ein i. Das zeigt A \subseteq \bigcup_i pr_i^{-1}(\overline{B_i}). Wegen x \prec A gibt es also ein i mit x_i \prec \overline{B_i} und damit x_i \prec B_i. \checkmark Das Produkt erfüllt die folgende universelle Eigenschaft (die in gewisser Weise wichtiger und einfacher als die explizite Konstruktion ist): Satz. Für jedes i ist die Projektion eine stetige Abbildung pr_i : \prod_i (X_i,\prec) \to (X_i,\prec). Ist (Z,\prec) ein Kuratowski-Raum und ist f_i : (Z,\prec) \to (X_i,\prec) eine Familie stetiger Abbildungen, so gibt es genau eine stetige Abbildung f : (Z,\prec) \to \prod_i (X_i,\prec) mit pr_i \circ f = f_i für alle i. \begin{tikzcd}[row sep=30pt] (Z,\prec) \ar[dashrightarrow]{r}{f} \ar{dr}[swap]{f_i} & \prod_i (X_i,\prec) \ar{d}{pr_i} \\ & (X_i,\prec) \end{tikzcd} Beweis. Dass pr_i stetig ist, sieht man so: Es gilt A \subseteq pr_i^{-1}(pr_i(A)) für jede Teilmenge A von \prod_i X_i. Aus x \prec A folgt daher pr_i(x)=x_i \prec pr_i(A). Nun seien die f_i vorgegeben. Wir müssen natürlich f(z) := (f_i(z))_{i \in I} setzen und müssen nur noch zeigen, dass f stetig ist. Sei also z \prec T mit T \subseteq Z. Wir behaupten f(z) \prec f(T). Sei dazu f(T) \subseteq \bigcup_i pr_i^{-1}(A_i) mit A_i \subseteq X_i, fast alle A_i=\emptyset. Es folgt T \subseteq \bigcup_i f_i^{-1}(A_i). Weil dies effektiv eine endliche Vereinigung ist und z \prec T gilt, gibt es ein i mit z \prec f_i^{-1}(A_i). Weil f_i stetig ist, folgt hieraus f(z)_i = f_i(z) \prec A_i, wie gewünscht. \square Bemerkung. Ist allgemeiner (X_i,\prec) eine Familie von Kuratowski-Räumen und f_i : Y \to X_i eine Familie von Abbildungen, so kann man aus Y einen Kuratowski-Raum (Y,\prec) machen: Wir definieren y \prec A dadurch, dass aus A \subseteq \bigcup_i f_i^{-1}(A_i) mit Teilmengen A_i \subseteq X_i, die fast alle leer sind, folgt, dass es ein i gibt mit f_i(y) \prec A_i. Dies ist gerade so gemacht, dass die stetigen Abbildungen (Z,\prec) \to (Y,\prec) genau die Abbildungen Z \to Y sind derart, dass Z \to Y \xrightarrow{f_i} X_i jeweils eine stetige Abbildung (Z,\prec) \to (X_i,\prec) ist. Die entsprechende Konstruktion für Topologien heißt "initiale Topologie" bezüglich der f_i.

6. Zariski-Topologie

Definition. Es sei k ein Körper und n \in \mathds{N}. Wir definieren einen Kuratowski-Raum \mathds{A}^n(k) wie folgt: Die unterliegende Menge sei die Menge der n-Tupel von Elementen von k. Wir definieren x \prec A für Punkte x bzw. Teilmengen A wie folgt: Ist f \in k[T_1,\dotsc,T_n] ein Polynom mit f(a)=0 für alle a \in A, so gilt f(x)=0. Wir sagen also, dass x die Menge A berührt, wenn jede Nullstellenmenge mit A automatisch x einschließt. Wir müssen die vier Axiome nachweisen. Die ersten beiden sind trivial. Zum dritten: Angenommen x \not\prec A und x \not\prec B. Dann gibt f,g \in k[T_1,\dotsc,T_n] mit f(a)=0 für alle a \in A, aber f(x) \neq 0, und g(b)=0 für alle b \in B, aber g(x) \neq 0. Für h := f * g gilt dann h(u)=0 für alle u \in A \cup B, aber h(x) \neq 0. Demnach ist x \not\prec A \cup B. Und zum vierten: Angenommen es gibt ein x \prec A mit x \not\prec B. Finde ein f \in k[T_1,\dotsc,T_n] mit f(x) \neq 0 und f(b)=0 für alle b \in B. Wegen x \prec A gibt es ein a \in A mit f(a) \neq 0. Also ist a \in A mit a \not\prec B. \checkmark Daher ist \mathds{A}^n(k) ein Kuratowski-Raum, der n-dimensionale affine Raum über k. Die abgeschlossenen Mengen nennt man hier klassischerweise Zariski-abgeschlossen, die zugehörige Topologie die Zariski-Topologie. Die Untersuchung dieses Raumes und ähnlichen Räumen ist Gegenstand der klassischen algebraischen Geometrie. Beispiel. Der Fall n=1 ist einfach: Für x \in k und A \subseteq k (wir meinen eigentlich die unterliegende Menge von k) gilt x \prec A, wenn x \in A oder A mehr Elemente als k hat oder A unendlich ist. In den letzten beiden Fällen folgt nämlich f=0, wenn f \in k[T] mit f(a)=0 für alle a \in A. Die echten abgeschlossenen Mengen sind demnach die endlichen Mengen sowie die Mengen, die höchstens so viele Elemente wie k besitzen. Beispiel. Der Fall n=2 ist schon interessanter. Für algebraisch abgeschlossene k kann man zeigen (das ist aber nicht ganz so trivial): Die echten abgeschlossenen Mengen sind endliche Vereinigungen von Mengen der Form \{p\} für Punkte p oder V(f) := \{p : f(p)=0\} für irreduzible f \in k[S,T]. Ein typisches Beispiel ist die Kurve V(T^2 - S(S+1)(S-1)), deren reelles Bild so aussieht: \geo ebene(200,200) x(-2,2) y(-2,2) plot(+sqrt(x*(x-1)*(x+1))) plot(-sqrt(x*(x-1)*(x+1))) \geooff geoprint() Bei solchen Veranschaulichungen muss man allerdings aufpassen, denn tatsächlich ist die Kurve in der Zariski-Topologie zusammenhängend, weil das definierende Polynom T^2 - S(S+1)(S-1) irreduzibel ist. Bemerkung. Wenn A ein kommutativer Ring ist, so lässt sich auch auf der Menge der Primideale \mathrm{Spec}(A) eine Zariski-Topologie definieren. Hierbei gilt \mathfrak{p} \prec S (wobei \mathfrak{p} ein Primideal und S eine Menge von Primidealen ist), wenn \bigcap_{\mathfrak{q} \in S} \mathfrak{q} \subseteq \mathfrak{p}. Solche Räume kommen in der modernen algebraischen Geometrie vor. Bemerkung. Die absolute Galoisgruppe G=\mathrm{Gal}(k^{sep}/k) eines Körpers k trägt die folgende sogenannte Krull-Topologie: Es gilt s \prec A (für s \in G und A \subseteq G), wenn es für jedes x \in k^{sep} ein a \in A gibt mit s(x)=a(x). Es besteht der Zusammenhang \mathrm{Gal}(k^{sep}/k) \cong \mathrm{Spec}(k^{sep} \otimes_k k^{sep}).

7. Wir berühren das Ende

Ich möchte mich zunächst bei meinen Korrekturlesern Gockel und Buri bedanken. Dieser Artikel hat sich aus der Diskussion MO/19152 auf mathoverflow mit dem Titel Why is a topology made up of 'open' sets? (eine sehr gute Frage!) motiviert, speziell der Antwort des Users Vectornaut. Achtung: Den Begriff "Kuratowski-Raum" für eine Menge zusammen mit einem Kuratowski-Abschluss-Operator, in der äquivalenten Form wie von Vectornaut dargestellt, habe ich mir selbst ausgedacht. Nach einer kleinen google-Recherche scheint der Begriff "Kuratowski space" zwar hin und wieder verwendet worden zu sein, aber manchmal für andere Zwecke. Die etablierten Begriffe "closure space" und "pretopological space" sind sehr ähnlich, aber allgemeiner. Man könnte natürlich noch weitergehen und die gesamte Topologie mit Kuratowski-Räumen aufziehen. Dies muss alleine deshalb funktionieren, weil Kuratowski-Räume (in einem präzisen Sinne, wie wir gesehen haben) zu topologischen Räumen äquivalent sind. Rein mathematisch hätte das also keinen Mehrwert, aber vielleicht einen didaktischen: Es scheint mir so zu sein, dass einige topologische Begriffe allein sprachlich viel anschaulicher sind, wenn man sie mit Kuratowski-Räumen formuliert. Sprache ist das Mittel der Wahl, um den Inhalt ins rechte Licht zu rücken. Was meint ihr dazu? Findet ihr es ebenfalls anschaulicher? Könnte man vielleicht sogar Vorlesungen so aufziehen? Was spricht dafür, was dagegen?

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: Mathematik :: Topologie :: Axiome :: Reine Mathematik :
Kuratowski-Räume - ein anschaulicher Zugang zur Topologie [von Martin_Infinite]  
Eine Axiomatisierung topologischer Räume auf Basis des Begriffs der "Berührung" im Gegensatz zum Standardzugang über offene Mengen.
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"Mathematik: Kuratowski-Räume - ein anschaulicher Zugang zur Topologie" | 16 Comments
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Re: Kuratowski-Räume - ein anschaulicher Zugang zur Topologie
von: PhysikRabe am: So. 12. April 2015 12:23:47
\(\begingroup\)Danke Martin für deinen Artikel, den ich äußerst interessant finde! Ich muss ihn erst noch aufmerksam lesen, aber mir gefällt dieser (mir bisher gänzlich unbekannte) Zugang zur Topologie, der ohne den Begriff von "offenen Mengen" auskommt. Gerade dieses Semester sitze ich (zur Wiederauffrischung) in einer Einführungsvorlesung zur mengentheoretischen Topologie. Da wurden topologische Räume einfach als eine Art Verallgemeinerung metrischer Räume ganz klassisch definiert, wie in der Standardliteratur. Wie du in der Einleitung richtig schreibst bekommt man dadurch höchstens eine Intuition mittels verschiedener Beispiele, der Rest ist eher ein Gewöhnungseffekt. 😉 Von einem Stundenten kam sogar die Frage, warum "offene Mengen" verwendet werden. Die Antwort vom Professor war einfach, das sei bloß eine Definition (was natürlich richtig ist, aber keine allgemeine Anschauung bietet). Der Zugang mittels Kuratowski-Räumen hat also insofern eindeutig Vorteile, als dass diese Frage gar nicht auftauchen kann. Aber ob sich das auf der Universität durchsetzen könnte? Es wäre wünschenswert, zumindest auf die Möglichkeit eines solchen Zugangs zu verweisen.\(\endgroup\)
 

Re: Kuratowski-Räume - ein anschaulicher Zugang zur Topologie
von: Ex_Mitglied_4018 am: So. 12. April 2015 12:59:58
\(\begingroup\)Vorausgesetzt, man kennt sich mit metrischen Raeumen aus, scheint es mir eine Frage des persoenlichen Geschmacks zu sein, welcher Begriff intuitiver scheint: der der offenen Menge/der Umgebung oder der des Beruehrungspunktes. Fuer mich war stets Ersterer zugaenglicher. Der Begriff der Umgebung abstrahiert die Betrachtung von lokalen Eigenschaften, fuer die man bei metrischen Raeumen ja gern $\varepsilon$-Umgebungen verwendet. Lokale Betrachtungen sind in der Analysis von grundlegender Bedeutung und die Vermittlung davon gehoert meiner Meinung nach zu den zentralen Inhalten eines Analysis-Kurses. Auch fuer globale Eigenschaften scheint mir der Zugang mit offenen Mengen direkter zu sein (z.B. Kompaktheit, Zusammenhang etc.). Und dein Hauptargument mit der Stetigkeit ueberzeugt mich nicht ganz. Erstens finde ich die Charakterisierung mit offenen Mengen mindestens genauso praegnant und anschaulich (Urbilder von Umgebungen sind Umgebungen) und zweitens hilft mir die Charakterisierung anhand von Beruehrpunkten nicht besonders, wenn mir der Begriff des Beruehrungspunktes unintuitiv scheint - ich benoetige naemlich den Begriff der offenen Mengen um Beruehrpunkte zu verstehen und nicht umgekehrt. Wenn ich nicht weiss, was eine offener Umgebung ist, koennte mich die Intuition, was ein Beruehrpunkt ist, in die Irre fuehren, was z.B. bei der Zariski-Topologie schnell passieren kann.\(\endgroup\)
 

Re: Kuratowski-Räume - ein anschaulicher Zugang zur Topologie
von: Martin_Infinite am: So. 12. April 2015 13:24:54
\(\begingroup\)@PhysikRabe: Freut mich, dass dir der Artikel gefällt. Am Ende verweise ich übrigens auf eine MO-Diskussion, die sich genau mit der Frage "Warum offene Mengen?" beschäftigt. Die Antwort "Das definiert man halt so" ist weder hilfreich noch zutreffend. @Zaos: Danke für deinen Kommentar. Zunächst einmal gebe ich dir Recht damit, dass "lokale Betrachtungen" zentral für Analysis und Topologie sind und sich sehr gut mit offenen Mengen beschreiben lassen. Bei der Definition der Stetigkeit verstehe ich nicht, was an "Urbilder von Umgebungen sind Umgebungen" anschaulich sein soll. Wieso überhaupt Urbilder? Wieso dreht man hier die Richtung um? (Ich kenne die Antwort, aber diese Frage stellt sich doch jedem, der das zum ersten mal sieht.) In der Schule wird einem gesagt, dass eine Funktion bei einem Punkt stetig ist, wenn sie dort nicht springt - was auch immer das genau heißen soll. Diese Intuition wird dann an der Universtität weder mit dem üblichen Stetigkeitsbegriff aus der Topologie noch mit dem üblichen Stetigkeitsbegriff aus der metrischen Geometrie unterstützt, sondern "gewaltsam" durch einen Formalismus ("Epsilontik") ersetzt. Natürlich kann man sich anstrengen und aus diesem Formalismus eine Intuition extrahieren. Aber ist es da nicht besser, wenn man Stetigkeit gleich gemäß der Intuition definiert? Wenn ein Punkt $x$ nahe genug bei einer Menge von Punkten $A$ ist, und wir keinen Sprung bei $x$ haben wollen, dann sollte auch der Punkt $f(x)$ nahe genug bei der Menge von Punkten $f(A) = \{f(a) : a \in A\}$ sein. Ich finde diese Definition sehr anschaulich. Ja, globale Eigenschaften scheinen mit offenen (oder abgeschlossenen) Mengen besser zu formulieren zu sein. Bei Quotienten von Kuratowski-Räumen gibt es ebenfalls Probleme, wie ich in dem Artikel erklärt habe. Man muss Kuratowski-Räume auch nicht zwingend als Alternative zu topologischen Räumen denken, sondern kann sie sich auch als Ergänzung vorstellen. Was ich allerdings denke, ist, dass das Konzept der Berührung primitiv und das Konzept der abgeschlossenen Menge sekundär sein sollte. Du schreibst, dass du das Konzept der offenen Menge brauchst, um dir etwas unter Berührungspunkten vorzustellen. Ist das aber nicht nur deshalb so, weil du das Konzept des topologischen Raumes so stark verinnerlicht hast? Man kann, und genau darum geht es in meinem Artikel, auch ganz anders herum vorgehen. Man abstrahiert den Begriff der Berührung. Ich denke, das war dir schon klar, aber ich schreibe das hier auch noch einmal in aller Deutlichkeit für andere Leser. Man braucht keine Anschauung über offene oder abgeschlossene Mengen, um sich etwas unter Berührung vorzustellen. Die vier Axiome eines Kuratowski-Räumes motivieren sich gerade aus dieser Vorstellung. Ich habe ehrlich gesagt keine allgemeine Vorstellung von offenen Mengen. Ich kann mir offene Mengen in metrischen Räumen vorstellen, klar, aber nicht für beliebige topologische Räume. Ich habe mich lediglich an den Formalismus gewöhnt und kann nur hoffen, dass mich meine Vorstellung bei nicht-metrisierbaren Räumen nicht reinlegt. Gerade bei der Zariski-Topologie fand ich die Sichtweise als Kuratowski-Raum unfassbar einfach. Ich verstehe nicht, was da irreführend sein könnte.\(\endgroup\)
 

Re: Kuratowski-Räume - ein anschaulicher Zugang zur Topologie
von: KidinK am: So. 12. April 2015 13:58:19
\(\begingroup\)Könnte man bei der Konvergenz auch Folgen durch beliebige durch geordnete Mengen indizierte Familien ersetzen und Teilfolgen durch Teilfamilien mit nach oben unbeschränkten Indizes? Kann man solche Familien durch Funktoren mit beliebiger Startkategorie ersetzen? Wie ersetzt man dann die Teilfolgen? Hat das erwas mit Limites und Kolimites zu tun? Haben stetige Funktoren etwas damit zu tun? Oder ist das alles Spinnerei? 😁 Edit: Ich hätte vielleicht aufmerksamer lesen sollen. Werde mich mal über Netze belesen. \(\endgroup\)
 

Re: Kuratowski-Räume - ein anschaulicher Zugang zur Topologie
von: PhysikRabe am: So. 12. April 2015 14:04:12
\(\begingroup\)@Martin: Danke für den Link! Ich würde auch sagen, der Zugang mit Kuratowski-Räumen sollte nicht exklusiv betrachtet werden, sondern als Ergänzung zum herkömmlichen Zugang. Beide Sichtweisen haben ihre Vorteile, auf ganz unterschiedlichen Gebieten. Berücksichtigt man beide, kann man gerade solche Fragen wie "Wieso offene Mengen?", die bei Anfängern unweigerlich auftauchen (auch wenn es viele nicht zugeben oder laut ausprechen) sinnvoll beantworten. Darin liegt für mich - so weit ich das bisher erkennen kann - der große Vorteil. Ich werde den Artikel demnächst nochmal aufmerksam lesen, um meinen Eindruck zu verifizieren.\(\endgroup\)
 

Re: Kuratowski-Räume - ein anschaulicher Zugang zur Topologie
von: Martin_Infinite am: So. 12. April 2015 14:10:05
\(\begingroup\)@KidinK: Deine Fragen haben nichts wirklich speziell mit Kuratowski-Räumen zu tun. (1) Ja, das ist gerade der Begriff des Netzes. Die Indizes kommen aus einer gerichteten Präordnung. (Man braucht und will keine Ordnung.) (2) Wenn du von Funktor sprichst, dann brauchst du sozusagen eine Struktur einer Kategorie auf dem topologischen Raum oder Kuratowski-Raum. Wie soll diese aussehen? (3) Siehe ncatlab.org/nlab/show/final+functor (4) Ob Limites und Kolimites aus der Kategorientheorie etwas formal mit Limites aus der Analysis oder Topologie zu tun haben, wüsste ich auch gerne. Es gibt einfache Spezialfälle: Für eine aufsteigende Folge reeller Zahlen (etwa) ist der Limes das Supremum, d.h. der Kolimes. Entsprechendes gilt für das Infimum einer absteigenden Folge. Aber für beliebige Folgen weiß ich nicht, wie man das machen kann. Darüber wurde im übrigen schon mehrmals auf math.stackexchange und mathoverflow diskutiert, aber ich verzichte an dieser Stelle auf Links, weil keine der bisherigen Antworten zufriedenstellend ist. Die beste Antwort bisher steht mittlerweile auch beim Wikipedia-Artikel über Limites unter dem Abschnitt "Topological Limits", aber ich finde das nicht überzeugend (wenn auch inhaltlich richtig). Ich glaube, dass es keinen vernünftigen Zusammenhang gibt, weil nämlich in der Definition eines topologischen Limes nirgendwo eine Form von Eindeutigkeit vorkommt, die für universelle Eigenschaften gerade so typisch ist. Ich habe dazu erst kürzlich überlegt, wie man das Konzept einer universellen Eigenschaft entsprechend abschwächen kann, aber das ist alles wohl nicht wirklich gehaltvoll. Man muss aber sagen, dass es überraschend viele Ähnlichkeiten zwischen Kategorientheorie und Analysis gibt. Der Hom-Funktor ist so etwas wie eine Sesquilinearform $\langle -,- \rangle : \mathcal{C}^{op} \times \mathcal{C} \to \mathsf{Set}$, das Yoneda-Lemma ist die Nicht-Ausgeartetheit. Die Definition von adjungierten Funktoren über Hom-Mengen gleicht dann der Definition von adjungierten Operatoren. Der Zerlegungssatz $X(A) \cong \int^{U} \hom(A,U) \times X(U)$ für Prägarben $X$ (hierbei ist $\int$ ein Koende) erinnert sehr an die Integralformel $\mu(A) = \int \chi_A(u) \cdot d \mu(u)$. Es gibt etliche solcher Analogien.\(\endgroup\)
 

Re: Kuratowski-Räume - ein anschaulicher Zugang zur Topologie
von: KidinK am: So. 12. April 2015 14:15:55
\(\begingroup\)Danke sehr! Bei (2) habe ich nur an die diskrete Kategorie auf X gedacht. Im Falle von Netzen hat man ja auch keine Zusatzstruktur auf der Menge der Punkte des Raumes.\(\endgroup\)
 

Re: Kuratowski-Räume - ein anschaulicher Zugang zur Topologie
von: Martin_Infinite am: So. 12. April 2015 14:30:41
\(\begingroup\)@KidinK: In diskreten Kategorien sind Limites und Kolimites sehr langweilig :). Nur konstante Funktoren haben hier einen Limes und Kolimes. (Analog zur Beobachtung, dass in diskreten topologischen Räumen nur schließlich-konstante Netze einen Limes haben.)\(\endgroup\)
 

Re: Kuratowski-Räume - ein anschaulicher Zugang zur Topologie
von: Ex_Mitglied_4018 am: So. 12. April 2015 14:51:25
\(\begingroup\)@Martin Nun, wie ich schon sagte, scheint das wohl Geschmackssache zu sein. Ob es bei mir damit zu tun hat, dass ich den Begriff des topologischen Raums verinnerlicht habe, laesst sich jetzt schwer sagen. Ich erinnere mich jedenfalls daran, dass ich die Begriffe recht intuitiv fand, was vielleicht an meinem Prof lag, der das gut vermittelt hat, auch oder gerade bei der Stetigkeit. Eine Vorgabe einer Umgebung des Bildpunktes f(x) entspricht einer Approximationsgenauigkeit des Bildpunktes. Die Stetigkeit sagt mir dann, dass bei einer beliebig vorgegebenen Approximationsgenauigkeit immer noch eine Umgebung von x gibt, deren Bild den Bildpunkt f(x) innerhalb dieser Genauigkeit approximiert. Genau diese Beschreibung hilft gerade bei abstrakteren Raeumen wie z.B. Funktionenraeumen. Da kann ich mir Umgebungen von Funktionen gut vorstellen, gerade ueber den Begriff der Approximation. Und zur Zariski-Topologie: Jeder Punkt von R ist ein Beruehrpunkt von [0,1]. Dass [0,1] nicht abgeschlossen ist, da es nicht die Nullstellenmenge eines Polynoms ist, damit kann ich mich anfreunden. Dass aber die Zahl 2 das Intervall [0,1] beruehrt finde ich eher unanschaulich. Das Wort Beruehrpunkt ist vielleicht zu "physikalisch", um sich gedanklich ausserhalb von euklidischen Raeumen zu bewegen. "Offen" oder "abgeschlossen" scheint mir zumindest wertfreier zu sein. Das ist zwar erstmal nicht einsteigerfreundlich, aber hilfreich fuer die Abstraktion. Als Ergaenzung ist dieser Zugang natuerlich nicht verkehrt, da widerspreche ich euch nicht.\(\endgroup\)
 

Re: Kuratowski-Räume - ein anschaulicher Zugang zur Topologie
von: Martin_Infinite am: So. 12. April 2015 15:42:38
\(\begingroup\)@Zaos: (1) Ja, diese Umschreibung von Stetigkeit kenne ich natürlich, und sie ist auch nützlich. Ich werde mir einmal überlegen, wie Funktionenräume bei Kuratowski-Räumen aussehen. Aber ich sehe nicht, was diese Beschreibung etwas damit zu tun hat, dass eine stetige Funktion keine Sprünge hat. Aber vermutlich wolltest du darauf auch gar nicht hinaus. Was mich stört, ist wie gesagt diese Umkehrung der Richtung: Unter Stetigkeit wollen wir doch eigentlich verstehen, dass, wenn sich x nur wenig verändert, sich dann auch f(x) nur wenig verändert. Bei der topologischen Stetigkeit startet man aber mit einer Veränderung von f(x). Ich weiß zwar mehr oder weniger, wie man diese beiden Sichtweisen aufeinander beziehen kann, aber es ist schon etwas verwirrend. (2) Erst dachte ich, dass du mich überzeugt hast. Dann ist mir klar geworden, dass dein Argument nicht funktioniert, im Prinzip weil du Vergissfunktoren ignoriert hast (was ja die allgemeine Praxis ist), nämlich den Körper der reellen Zahlen mit dem angeordneten oder topologischen Körper der reellen Zahlen verwechselt hast. Ich erkläre das noch einmal ganz detailliert, damit (auch anderen Lesern) klar ist, was ich überhaupt meine. Bei der Zariski-Topologie starten wir mit einem Körper $k=(S,+,*,0,1)$. Die unterliegende Menge $S=|k|$ ist etwas anderes als $k$ selbst. Aus $k$ kann man den Ring $k[x_1,\dotsc,x_n]$ der Polynome in $n$ Variablen konstruieren. Für ein Polynom $f$ und eine Liste von Elementen $s_1,\dotsc,s_n \in S$ kann man dann die Auswertung $f(s_1,\dotsc,s_n) \in S$ definieren. Wenn man dies gemacht hat, kann man die Zariski-Topologie bzw. Kuratowski-Struktur $\prec$ auf $S^n$ erklären und nennt diesen Raum $\mathds{A}^n(k)$. Wenn $S$ unendlich ist (man schreibt normalerweise dafür, dass $k$ unendlich ist), dann zeigt man: Ein Punkt $x \in S$ berührt $A \subseteq S$ genau dann, wenn $x \in A$ gilt oder $A$ unendlich ist. Das ist vielleicht nicht so anschaulich, liegt aber einfach daran, dass Polynome $\neq 0$ in einer Variablen immer nur endlich viele Nullstellen haben. Wir machen diesen algebraischen Sachverhalt zu einem geometrischen Sachverhalt. Anders formuliert: Die Geometrie wird durch die Algebra festgelegt. Der Körper der reellen Zahlen ist $\mathds{R}=(|\mathds{R}|,+,*,0,1)$ (mit den üblichen Bezeichnungen hier). Was hat man hier? Eine Menge mit Rechenoperationen. Mehr nicht. Man hat keine Ordnungsstruktur, keine Topologie. Die Beschreibung des affinen Raumes $\mathds{A}^1(\mathds{R})$ erfolgt nun wie oben und hat nichts wirklich mit der speziellen Wahl von $\mathds{R}$ zu tun. Soweit, so gut. Bisher habe ich nur die Definitionen wiederholt. Nun müssen wir uns damit anfreunden, dass die reelle Zahl $2$ das Intervall $[0,1]$ berührt bezüglich der Zariski-Topologie. Das ist ja so, weil das Intervall unendlich ist. Wenn wir das unanschaulich finden, dann liegt das aber nur daran, dass wir mit dem Körper der reellen Zahlen eigentlich etwas anderes assoziieren (bzw. ihn mit einer reicheren Struktur verwechseln), etwa die Ordnungsstruktur oder die gewöhnliche Topologie, und wir daher bereits eine Vorstellung von Berührung haben, der mit der Zariski-Topologie widersprochen wird. Und das liegt natürlich auch daran, dass das Intervall $[0,1] = \{x \in |\mathds{R}| : 0 \leq x \leq 1\}$ von der Ordnungsstruktur Gebrauch macht! Für einen beliebigen unendlichen Körper $k$ kann man ein solches Intervall gar nicht hinschreiben, und wie gesagt unterscheidet sich $\mathds{A}^1(k)$ dann nicht wirklich von $\mathds{A}^1(\mathds{R})$. Es kommt jeweils die "kofinite Topologie" heraus. Wenn zwei Körper $k,k'$ gleichmächtige unendliche unterliegende Mengen haben, dann sind $\mathds{A}^1(k)$ und $\mathds{A}^1(k')$ homöomorph (hier zeigt sich auch, wie nötig die Strukturgarbe ist). Dieser Raum hat dann also nichts mit der Körperstruktur zu tun. (Bei $\mathds{A}^2(k)$ ist das anders.) Jetzt könnte man als Kritik anbringen, dass die Ordnungsstruktur und damit auch die zugehörige Ordnungstopologie tatsächlich in $\mathds{R}$ definierbar sind: Es gilt $x \leq y$ genau dann, wenn es ein $z$ gibt mit $y-x = z^2$. Zunächst einmal funktioniert das für den Körper $\mathds{Q}$ nicht mehr, wo man aber immer noch dieses vermeintliche Problem mit dem Intervall angeben könnte, und zum anderen haben Polynome und deren Auswertungen, die bei der Definition der Zariski-Topologie eingehen, nichts mit diesen Strukturen zu tun.\(\endgroup\)
 

Re: Kuratowski-Räume - ein anschaulicher Zugang zur Topologie
von: Ex_Mitglied_4018 am: So. 12. April 2015 16:18:48
\(\begingroup\)(1) "Bei der topologischen Stetigkeit startet man aber mit einer Veränderung von f(x)". Nein, das tut man nicht. Man beginnt mit einem Fehler, den man beim "Treffen" von f(x) maximal machen darf. Wenn die Funktion bei x einen "Sprung" hat (was auch immer das bedeutet), und ist dieser Sprung groesser als der vorgegebene Fehler, so wird jede Umgebung von x nach Anwendung von f die vorgegebene Fehlertoleranz nicht einhalten. Das ist alles kein Hexenwerk und kann in einer einzigen Abbildung veranschaulicht werden. (2) Ich dachte, dass es hier um die Didaktik geht und um die Frage wie man den Begriff des topologischen Raums motiviert. Mir ging es bei (2)darum, dass der anschauliche Begriff des Beruehrungspunktes einen gerade dazu verleitet, verschiedene Konzepte miteinander zu vermischen und Fehler zu begehen (z.B. den Vergissfunktor ignorieren - in der Zielgruppe werden die wenigsten wissen, dass es hier einen Vergissfunktor gibt).\(\endgroup\)
 

Re: Kuratowski-Räume - ein anschaulicher Zugang zur Topologie
von: Martin_Infinite am: So. 12. April 2015 16:30:03
\(\begingroup\)(1) Ja, verstehe. (2) Dasselbe Problem gibt es auch beim Begriff der abgeschlossenen oder offenen Menge. Dort vergessen ja auch viele Anfänger, dass sich dieser auf eine Topologie bezieht, also gewissermaßen "relativ" ist. Dann entstehen Fragen wie etwa "Wieso ist $[0,1[$ offen in $[0,1[$?" oder "Ist $\mathds{Q}$ abgeschlossen?". Und bei der Zariski-Topologie kann man sich ebenfalls fragen, wieso denn nicht $[0,1]$ abgeschlossen ist, weil man das doch gelernt hat. Man muss halt eine Menge $X$ von einem darauf definierten Kuratowski-Raum $(X,\prec)$ oder topologischen Raum $(X,\mathcal{T})$ unterscheiden. In dieser Hinsicht unterscheiden sich die beiden Konzepte überhaupt nicht. Ich finde "Berührung" nicht absoluter oder, wie du sagst, physikalischer als "abgeschlossen", was ja auch nichts anderes als "abgeschlossen unter Berührungen" heißt.\(\endgroup\)
 

Re: Kuratowski-Räume - ein anschaulicher Zugang zur Topologie
von: Ex_Mitglied_40174 am: Mo. 13. April 2015 00:24:54
\(\begingroup\)Ich finde den Zugang zur Stetigkeit über Kuratowski-Räumen intuitiver. Stetigkeit wurde mir in topologischen Räumen mit der Formulierung anschaulich gemacht, dass die Funktion den Raum nicht "zerreißt". Das ist schon sehr nah an dem Berührungs-Konzept der K-Räume. In jedem Fall kann man, denke ich, die Äquivalenz von K-Räumen und topologischen Räumen verwenden, um die Anschauung über topologische zu verbessern. Jonathan \(\endgroup\)
 

Re: Kuratowski-Räume - ein anschaulicher Zugang zur Topologie
von: marvinius am: So. 20. März 2016 04:01:31
\(\begingroup\)\quoteon Rein mathematisch hätte das also keinen Mehrwert, aber vielleicht einen didaktischen: Es scheint mir so zu sein, dass einige topologische Begriffe allein sprachlich viel anschaulicher sind, wenn man sie mit Kuratowski-Räumen formuliert. Sprache ist das Mittel der Wahl, um den Inhalt ins rechte Licht zu rücken. Was meint ihr dazu? Findet ihr es ebenfalls anschaulicher? Könnte man vielleicht sogar Vorlesungen so aufziehen? Was spricht dafür, was dagegen? \quoteoff Da du fragst: dagegen spricht didaktisch die hier eher hinderliche "Anschaulichkeit", die ja doch immer und immer auf eine Skizze im (bestenfalls) $\mathbb{R}^3$ hinausläuft. Natürlich ist es eine ernstzunehmende Aufgabe, Studierenden zu ermöglichen, sich darauf einzulassen, daß ein "Raum" durch eine (bis auf ein paar leicht vorstellbare Eigenschaften) recht beliebig zusammengewürfelte Familie "offener Mengen" bestimmt ist. Mit dem Begriff "offene Menge" verbinden sie nun bestenfalls (und in diesen besten Fällen ist eine didaktische Überkümmerung eher unnötig) das, was damit gemeint ist. Großenteils verbinden sie damit gar keine Vorstellung. Was den Vorteil hat, daß man ihnen keine abgewöhnen muß. Mit "berühren" verbindet jeder etwas vor jeder Mathematik bekanntes. Und das hat unmittelbar zur Folge, daß es in den allermeisten Fällen absolut nicht zum mathematisch intendierten passen wird. Selbstverfreilich trifft das auch auf das Wort "offen" zu, das eben für Elemente einer Topologie verwendet wird. Es ist aber sehr viel plausibler zu erklären, daß "offene Menge" genausogut durch "lkdfhsidhf Menge" ersetzt werden könnte, als immerfort erklären zu müssen, daß "berühren" eben nichts mit (euklidischem-$\mathbb{R}^3$-)berühren zu tun hat - zumal wenn man zugleich gerade an eine (euklidische-$\mathbb{R}^3$-)"Vorstellung" von "Berühren" appellieren möchte wie du es in deinem Artikel nahelegst. \quoteon Zum Beispiel ist eine Abbildung $f$ genau dann stetig, wenn Folgendes gilt: Wenn ein Punkt $x$ eine Menge $A$ berührt, so berührt $f(x)$ die Menge $f(A)$. Ist das nicht schön? \quoteoff Ja, schon schön 😄 Eine Abbildung $f$ ist auch genau dann stetig, wenn Folgendes gilt: wenn ein Filter gegen einen Punkt konvergiert, dann konvergiert auch sein Bildfilter gegen den Bildpunkt. \(\endgroup\)
 

Re: Kuratowski-Räume - ein anschaulicher Zugang zur Topologie
von: Martin_Infinite am: So. 20. März 2016 12:38:55
\(\begingroup\)\quoteonDa du fragst: dagegen spricht didaktisch die hier eher hinderliche "Anschaulichkeit", die ja doch immer und immer auf eine Skizze im (bestenfalls) $\mathbb{R}^3$ hinausläuft. \quoteoff Das sehe ich anders. Man erweitert durch solche Begriffsbildungen den Anschauungsbereich. Ich habe ja z.B. auch erklärt, was Berührung bei der Zariski-Topologie bedeutet. Und im üblichen Topologiebegriff gibt es doch auch das abgeleitete Konzept eines Berührungspunktes. Bei Kuratowski-Räumen zieht man das einfach anders herum auf. \quoteonNatürlich ist es eine ernstzunehmende Aufgabe, Studierenden zu ermöglichen, sich darauf einzulassen, daß ein "Raum" durch eine (bis auf ein paar leicht vorstellbare Eigenschaften) recht beliebig zusammengewürfelte Familie "offener Mengen" bestimmt ist. \quoteoff Ja, und was bringt das? Wir hatten damals auch als Aufgabe, alle Topologien auf {1,2,3} aufzuzählen. Was bringt das für das Verständnis für das Konzept eines topologischen Raumes? Im mathematischen Alltag entstehen topologische Räume meistens aus (kategoriellen) Standardkonstruktionen (wie im Artikel: Unterräume, Quotienten, Produkte, Koprodukte; davon abgeleitet dann: Faserprodukte und Kofaserprodukte aka Pushouts) sowie aus weiteren anschaulichen Überlegungen, die sich v.a. auf Punkte und Stetigkeit stützen, aber m.E. niemals auf offene Mengen. Wenn man zum Beispiel die zusammenhängende Summe von zwei glatten Mannigfaltigkeiten konstruieren möchte, dann denkt wohl niemand zuerst daran, wie die offenen Mengen aussehen werden, und vermutlich wird das auch vollkommen irrelevant bleiben. Ein etwas seltsames Beispiel für eine Topologie auf $\mathds{Z}$ ist ja diejenige, die in Fürstenbergs Beweis für die Unendlichkeit der Primzahlen herangezogen wird. Man könnte aber auch sagen: Eine Zahl $z \in \mathds{Z}$ berühre eine Menge $A \subseteq \mathds{Z}$, wenn jede nicht-konstante arithmetische Folge, die $z$ enthält, auch ein Element aus $A$ enthält. (Damit lässt sich dann auch Fürstenbergs Beweis führen.) Oder noch konziser: Man betrachtet die diagonale Einbettung $\mathds{Z} \to \prod_{n \geq 1} \mathds{Z}/n\mathds{Z}$ und nimmt dann die Teilraumtopologie des Produktes von diskreten Räumen. Äquivalent: Man nimmt die Einbettung in die proendliche Vervollständigung $\mathds{Z} \to \widehat{\mathds{Z}}$. Das erklärt auch viel besser, wo diese Topologie herkommt. Aber klar, bei dieser Sichtweise braucht man ein wenig Hintergrundwissen. Ich habe offenbar mit dem Begriff der Berührung genauso viele Freiheiten, wie ich mit dem Begriff der Offenheit habe. \quoteonMit "berühren" verbindet jeder etwas vor jeder Mathematik bekanntes. Und das hat unmittelbar zur Folge, daß es in den allermeisten Fällen absolut nicht zum mathematisch intendierten passen wird. \quoteoff Kannst du dafür Beispiele bringen? Und selbst, wenn das stimmen sollte: Was ist mit den Begriffen "offen" und "abgeschlossen"? Das fängt ja schon damit an, dass viele Anfänger diese Eigenschaften für Gegensätze halten, und dass für jede Teilmenge eine Eigenschaft von beiden eintritt. Man muss wohl mit jedem Begriff etwas arbeiten, damit er sich setzt.\(\endgroup\)
 

Re: Kuratowski-Räume - ein anschaulicher Zugang zur Topologie
von: marvinius am: So. 20. März 2016 15:38:58
\(\begingroup\)Salut, Martin 😄 \quoteon Man erweitert durch solche Begriffsbildungen den Anschauungsbereich. \quoteoff Ja. Und das geht leichter, wenn das für den Begriff gewählte Wort nicht aufdringlich den euklidischen Alltag suggeriert. (So hat z.B. das in der Algebra gebräuchliche Wort "Körper" dortselbst wirklich wenig mit der alltäglich damit verbundenen Anschauung zu tun. Das ist auch gut so.) Begrifflich macht es keinen ernstzunehmenden Unterschied, ob man mit offenen Mengen arbeitet oder mit halbwegs geschickten Berührungsrelationen. Da sind wir uns - glaube ich - einig. Ich bin durchaus ein Freund von (auch gern verallgemeinerten) Nearness- und Proximitäts-Konzepten. Man kann das (mit Gewinn!) sehr weit treiben. Ich halte es aber für unwahrscheinlich, daß es Studienanfängern wirklich hilft, wenn man ihnen zunächst ein ob seiner "Anschaulichkeit" scheinbar wenig Abstraktion forderndes Konzept präsentiert, das man kurz darauf aus guten Gründen dann doch ins eher unanschauliche führen wird. Da bin ich lieber "offen" und sage gleich, daß die Sache voraussichtlich etwas Mühe machen wird. Hat man das initial erledigt, kann man auch wieder - und dann mit mehr Freiheit - im frisch erweiterten Anschauungsraum herumzeigen 😄 \quoteon Was ist mit den Begriffen "offen" und "abgeschlossen"? \quoteoff Ja, das ist witzig. Kommt als Problem aber zumindest bei meinen Studis nicht vor ... soweit ich weiß. Da reicht nämlich ein - vom Publikum erfreulich regelmäßig als überflüssig gegeißelter - Hinweis in der Vorlesung, daß die Worte nicht alltagssprachlich zu verstehen sind. Wie gesagt: gegen das Berührkonzept ist aus meiner Sicht absolut nichts inhaltliches einzuwenden. In seinen Verallgemeinerungen bringt es gewiß auch einen anderen Erkenntnisgewinn als das der offenen Mengen. Bezogen auf die Lehre denke ich freilich, daß die initiale Beschreibung mit offenen Mengen den erforderlichen Abstraktionsschritt ziemlich genau an der didaktisch richtigen Stelle setzt. \quoteon Wir hatten damals auch als Aufgabe, alle Topologien auf {1,2,3} aufzuzählen. Was bringt das \quoteoff Das bringt Übung. Genausogut könntest du fragen, was es bringt, in der ersten Klasse Additionsaufgaben im Rahmen des "kleinen Einmaleins" zu lösen. Nichts. Gar nichts. Bis auf - bestenfalls - die Fähigkeit, das irgendwann albern zu finden. Liebe Grüße, René. \(\endgroup\)
 

 
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