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Festkörperphysik » Kristallographie » Verständnisprobleme bei Röntgendiffraktion
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Universität/Hochschule J Verständnisprobleme bei Röntgendiffraktion
thecount
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  Themenstart: 2016-05-08

Hallo, ich sitze gerade vor einer Übungsaufgabe und habe einige grundlegende Verständnisprobleme entdeckt bei denen ihr mir hoffentlich helfen könnt. Ich entschuldige mich jetzt schon für den langen Beitrag aber es haben sich leider so viele Fragen angehäuft. Ich habe versucht den Betrag so gut wie möglich zu strukturieren. _____________________________________________________________ Allgemeine Fragen zu Röntgenstreuung, reziprokes Gitter, von Laue Bedingung _____________________________________________________________ So wie ich das verstanden habe versucht man bei der Röntgendiffraktion einen Kristall mit Röntgenstrahlen zu beschießen/bestrahlen und schaut sich dann auf einem Detektor der irgendwo hinter dem Kristall platziert ist das Beugungsmuster an. Ausgehend von diesem Beugungsmuster kann man "zurückrechnen" und die Struktur des Kristalls bestimmen. Frage: Ist das soweit richtig? Ist dieses Beugungsmuster das was man als Reziprokes Gitter bezeichnet? Findet die Streuung am Kern oder in der Elektronenwolke um den Kern statt? Die Röntgenbeugung kann man meines Wissens nach mit der von Laue Bedingung beschreiben: $\vec{R} \cdot (\vec{k}-\vec{k}')=2 \pi m$ Diese Bedingung lässt sich auch folgendermaßen schreiben: $e^{i(\vec{k}-\vec{k}')\cdot \vec{R}}=1$ wobei $\vec{R}=$Bravais Gittervektoren. Frage: Warum ist man nur an perfekter konstruktiver Interferenz interessiert? Ist der Vektor $\vec{K}=\vec{k}-\vec{k}'$ der Vektor bzw. Abstand zwischen den Atomen im reziproken Gitter? _____________________________________________________________ Allgemeine Fragen zu Strukturfaktor, Formfaktor, Intensität und Elektronendichte _____________________________________________________________ Wir haben in der Vorlesung folgende Formeln für die oben genannten begriffe eingeführt: Sei $\vec{Q}=\vec{k}-\vec{k}'$ und $\rho=\text{Elektronendichte}$ Strukturfaktor: $\sum_{j=1}^D f_j(\vec{Q})e^{-i \vec{Q} \vec{d}_j}$ wobei $f_j(\vec{Q})=\int e^{i \vec{Q} \vec{r}} \rho_j(\vec{r})$ Frage: Ist mit der Fouriertransformation der Elektronendichte $f_j(\vec{Q})$der Formfaktor gemeint? Warum wird die Elektronendichte Fouriertransformiert? Was gibt mir der Formfaktor an? Gibt es dafür eine anschauliche Erklärung? Was ist die Verbindung zu dem Strukturfaktor? Was gibt mir der Strukturfaktor an? Intensität: Die Intensität der gestreuten Röntgenstrahlen: $I(\vec{Q})=\lvert \Psi(\vec{Q}) \rvert \propto \left \vert \int_V \rho(\vec{r})e^{i \vec{Q}\vec{r}} d\vec{r} \right \vert$ $\displaystyle I(\mathbf Q) \propto \left\lvert \sum_{n=1}^N e^{-i \mathbf{Q} \mathbf{R}_n}\right\rvert^2 \cdot \Biggr\lvert \underbrace{\sum_{j=1}^D f_j (\mathbf Q)e^{-i \mathbf{Q} \mathbf{d}_j}}_{\text{ Strukturfaktor}}\Biggr\rvert^2$ Frage: Kann man diese Formel irgendwie anschaulich interpretieren? Momentan ist das für mich einfach ein Salat aus Summen und e-Funktionen. _____________________________________________________________ Aufgaben _____________________________________________________________ Hier sind die Aufgaben die ich lösen möchte. Ich nehme an das ich (hoffentlich) selber in der Lage bin diese zu lösen wenn ich die oben genannten Konzepte verstanden habe. Für Tips, Lösungen, Lösungsansätze oder ähnliche gerechnete Beispielaufgaben wäre ich euch trotzdem sehr dankbar. Meistens kommt das Verständnis auch erst immer bei einer gerechneten Aufgabe. http://matheplanet.com/matheplanet/nuke/html/uploads/a/41617_R_ntgen.png Vielen Dank schonmal im Voraus. Ich hoffe die Frage ist nicht zu lange geworden. Viele Grüße, thecount


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  Beitrag No.1, eingetragen 2016-05-08

Moin Versuchen wir mal ein wenig Klarheit in die ganze Sache zu bringen. \quoteon(2016-05-08 12:44 - thecount im Themenstart) _____________________________________________________________ Allgemeine Fragen zu Röntgenstreuung, reziprokes Gitter, von Laue Bedingung _____________________________________________________________ So wie ich das verstanden habe versucht man bei der Röntgendiffraktion einen Kristall mit Röntgenstrahlen zu beschießen/bestrahlen und schaut sich dann auf einem Detektor der irgendwo hinter dem Kristall platziert ist das Beugungsmuster an. Ausgehend von diesem Beugungsmuster kann man "zurückrechnen" und die Struktur des Kristalls bestimmen. \quoteoff Sinnigerweise ist der Detektor nicht hinter der Probe, da man dort meist herzlich wenig detektieren kann. Der Messaufbau sieht so aus, dass der untersuchte Kristall als Reflexionsgitter arbeitet. \quoteon(2016-05-08 12:44 - thecount im Themenstart) Frage: Ist das soweit richtig? Ist dieses Beugungsmuster das was man als Reziprokes Gitter bezeichnet? Findet die Streuung am Kern oder in der Elektronenwolke um den Kern statt? \quoteoff Rein formal entsteht das reziproke Gitter durch Fourier-Transformation des realen Gitters. Es lässt sich aber durch die Röntgenbeugung "sichtbar" machen. Ein perfekt periodischer Kristall kann so zu einem sehr scharfen Beugungsreflex führen, da die Probenstrahlung (hier Röntgenstrahlung) ideal an den Gitterebenen des perfekten Kristalls, für einen gegeben Winkel, konstruktiv interferieren. So kennt man es ja von der Fourier-Reihe her. Die Periodizität im Zeitbereich führt zu einer diskreten Linie im Frequenzbereich. Wo die Streuung nun stattfindet, hängt von der Probenstrahlung ab. Bei masselosen Röntgenstrahlen (Photonen) findet die Streuung an der Elektronenwolke statt. Da die Streuintensität von der Ladungsdichte abhängt, wird sie für schwere Elemente größer sein, als für leichte. \quoteon(2016-05-08 12:44 - thecount im Themenstart) Die Röntgenbeugung kann man meines Wissens nach mit der von Laue Bedingung beschreiben: $\vec{R} \cdot (\vec{k}-\vec{k}')=2 \pi m$ Diese Bedingung lässt sich auch folgendermaßen schreiben: $e^{i(\vec{k}-\vec{k}')\cdot \vec{R}}=1$ wobei $\vec{R}=$Bravais Gittervektoren. Frage: Warum ist man nur an perfekter konstruktiver Interferenz interessiert? Ist der Vektor $\vec{K}=\vec{k}-\vec{k}'$ der Vektor bzw. Abstand zwischen den Atomen im reziproken Gitter? \quoteoff Letztlich will man die Kristallstruktur analysieren. Den größten Informationsgehalt erhält man da einfach aus den Reflexen, die durch perfekte konstruktive Interferenz entstehen. Allerdings sind alle Modell halt auch nur Modelle und gehen daher erst mal vom Idealfall aus. Beispielsweise wird häufig angenommen, dass die Probenstrahlung in die Probe eintaucht, dort einmalig gestreut wird und dann ohne jede weitere Streuung die Probe wieder verlässt. Das mag vielleicht für die erste Atomlage stimme. Beim tiefen Eindringen in die Probe kann das aber nur noch bedingt der Realität entsprechen. Darüberhinaus kommen ist das Kristallgitter ja für T > 0 Kelvin auch in steter Bewegung, so dass es hier auch zu Phasenverschiebungen kommt, etc. Dies kann man zwar alles in sein Modell mit einbinden, was auch getan wird, aber dadurch kann es auch beliebig kompliziert werden. $\vec{K}=\vec{k}-\vec{k}'$ ist erstmal einfach nur ein reziproker Gittervektor, der sich aus der Linearkombination der reziproken Basisvektoren zusammensetzt und die Laue Bedinung verfüllt. $\vec{k}$ ist der Wellenvektor des einfallenden und $\vec{k}'$ des ausfallenden Strahls. \quoteon(2016-05-08 12:44 - thecount im Themenstart) _____________________________________________________________ Allgemeine Fragen zu Strukturfaktor, Formfaktor, Intensität und Elektronendichte _____________________________________________________________ Wir haben in der Vorlesung folgende Formeln für die oben genannten begriffe eingeführt: Sei $\vec{Q}=\vec{k}-\vec{k}'$ und $\rho=\text{Elektronendichte}$ Strukturfaktor: $\sum_{j=1}^D f_j(\vec{Q})e^{-i \vec{Q} \vec{d}_j}$ wobei $f_j(\vec{Q})=\int e^{i \vec{Q} \vec{r}} \rho_j(\vec{r})$ Frage: Ist mit der Fouriertransformation der Elektronendichte $f_j(\vec{Q})$der Formfaktor gemeint? Warum wird die Elektronendichte Fouriertransformiert? Was gibt mir der Formfaktor an? Gibt es dafür eine anschauliche Erklärung? Was ist die Verbindung zu dem Strukturfaktor? Was gibt mir der Strukturfaktor an? \quoteoff Jupp, es handelt sich bei dem Formfaktor (auch Atomformfaktor genannt) um die FT der Elektronendichte. Sie ist eine Funktion des Impulses $\vec{Q}$ und gibt an, wie stark die Streuung vom Impulsübertrag abhängt. Den Zusammenhang zum Strukturfaktor hast du da ja selber stehen. Eine eindeutige Aussage, warum wir die Elektronendichte extra fouriertransformieren kann ich dir nicht. Es macht aber Sinn, weil wir uns eh im reziproken Raum bewegen und die Elektronendichte eine Funktion des Realraums ist. Reziproken und Realraum formal miteinander zu vermischen, hat was von Mischen von Äpfeln und Birnen. Abgesehen davon gilt der Faltungssatz der Fourier-Transformation nur für einen Bereich. Da man sich die Faltung im Realraum gerne ersparen möchte, nimmt man lieber die Multiplikation im reziproken Raum. Das ist jetzt alles etwas schwammig, aber es gibt dem ganzen vielleicht etwas mehr Sinn. Was den Strukturfaktor angeht, sollte seine anschauliche Erklärung doch in deinen Unterlagen (Skript, Buch, etc.) zu finden sein, oder? Was weißt du dazu bereits? \quoteon(2016-05-08 12:44 - thecount im Themenstart) Intensität: Die Intensität der gestreuten Röntgenstrahlen: $I(\vec{Q})=\lvert \Psi(\vec{Q}) \rvert \propto \left \vert \int_V \rho(\vec{r})e^{i \vec{Q}\vec{r}} d\vec{r} \right \vert$ $\displaystyle I(\mathbf Q) \propto \left\lvert \sum_{n=1}^N e^{-i \mathbf{Q} \mathbf{R}_n}\right\rvert^2 \cdot \Biggr\lvert \underbrace{\sum_{j=1}^D f_j (\mathbf Q)e^{-i \mathbf{Q} \mathbf{d}_j}}_{\text{ Strukturfaktor}}\Biggr\rvert^2$ Frage: Kann man diese Formel irgendwie anschaulich interpretieren? Momentan ist das für mich einfach ein Salat aus Summen und e-Funktionen. \quoteoff Dieser Zusammenhang ist ganz wichtig, wenn man reale Messungen auswerten möchte. Man kann über diesen formalen Zusammenhang beispielsweise Aussagen über die Zusammensetzung der Basis des Kristalls machen (zur Erinnerung: Kristall = Gitter + Basis). Haben zwei Kristalle beispielsweise das selbe Gitter aber unterschiedliche Basen, dann kann es auf Grund der unterschiedlichen Formfaktoren und damit unterschiedlichen Streufaktoren dazu kommen, dass einzelne Reflexe bei dem einen Kristall ausgelöscht werden, die bei dem anderen auftauchen.


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  Beitrag No.2, vom Themenstarter, eingetragen 2016-05-08

Hallo, erstmal vielen, vielen Dank für die super Antwort! \quoteon(2016-05-08 15:52 - Berufspenner in Beitrag No. 1) Sinnigerweise ist der Detektor nicht hinter der Probe, da man dort meist herzlich wenig detektieren kann. Der Messaufbau sieht so aus, dass der untersuchte Kristall als Reflexionsgitter arbeitet. \quoteoff Das macht Sinn. \quoteon(2016-05-08 15:52 - Berufspenner in Beitrag No. 1) Rein formal entsteht das reziproke Gitter durch Fourier-Transformation des realen Gitters. Es lässt sich aber durch die Röntgenbeugung "sichtbar" machen. \quoteoff Das ist mal super zu wissen. Ich nutze jetzt mal die Gelegenheit und packe eine meiner Übungsaufgaben aus. http://matheplanet.com/matheplanet/nuke/html/uploads/a/41617_Bildschirmfoto_2016-05-08_um_16.39.59.png Ich habe das in der Vorlesung auch nicht so richtig verstanden. Wie Fourier-Transformiere ich denn genau ein Gitter? So wie ich das verstanden habe stecke ich in die FT(Fouriertransformation) doch immer eine Funktion der Zeit bzw. Frequenz und bekomme eine Funktion der Frequenz bzw. Zeit heraus. Wie Transformiere ich dann eine Funktion des Ortes bzw. Gitterpunkte? Irgendwie erschließt sich mir der Zusammenhang zwischen Gitter und reziprokem Gitter noch nicht ganz. \quoteon(2016-05-08 15:52 - Berufspenner in Beitrag No. 1) Jupp, es handelt sich bei dem Formfaktor (auch Atomformfaktor genannt) um die FT der Elektronendichte. Sie ist eine Funktion des Impulses $\vec{Q}$ und gibt an, wie stark die Streuung vom Impulsübertrag abhängt. \quoteoff Wie komme ich denn auf den Impuls $\vec{Q}$? Ist $\vec{Q}$ nicht einfach ein reziproker Gittervektor? In der Angabe steht ja $\vec{Q}=\vec{k}-\vec{k}'$. Das ist auch so ein bisschen mein Problem. Ich weiß nicht was genau die Größen im Exponent bedeuten bzw. welche Größen ich dort einsetzen muss. \quoteon(2016-05-08 15:52 - Berufspenner in Beitrag No. 1) Was den Strukturfaktor angeht, sollte seine anschauliche Erklärung doch in deinen Unterlagen (Skript, Buch, etc.) zu finden sein, oder? Was weißt du dazu bereits? \quoteoff Ich habe das Buch Ashcroft&Mermin: Solid State Physics (auf Englisch) vor mir liegen. Auf Seite 105 steht: \quoteon ...the geometrical structure factor, expresses the extent to which interference of the waves scattered from identical ions within the basis can diminish the intensity of the Bragg peak associate with the reciprocal lattice vector K \quoteoff So wie ich das jetzt verstanden habe kommt durch die Interferenz der Wellen mit mehreren Atomen in der Basis eine niedrigere Intensität heraus als man erwarten würde bzw. möchte. Ist der Strukturfaktor also eine art Korrektur dieses Phänomens? Wenn ich nur 1 Atom in der Basis habe dann ist doch der Strukturfaktor irrelevant oder? Könntest du mir vielleicht anhand eines kurzen Beispiels zeigen wie man sowas berechnen würde? \quoteon(2016-05-08 15:52 - Berufspenner in Beitrag No. 1) $\displaystyle I(\mathbf Q) \propto \left\lvert \sum_{n=1}^N e^{-i \mathbf{Q} \mathbf{R}_n}\right\rvert^2 \cdot \Biggr\lvert \underbrace{\sum_{j=1}^D f_j (\mathbf Q)e^{-i \mathbf{Q} \mathbf{d}_j}}_{\text{ Strukturfaktor}}\Biggr\rvert^2$ Dieser Zusammenhang ist ganz wichtig, wenn man reale Messungen auswerten möchte. Man kann über diesen formalen Zusammenhang beispielsweise Aussagen über die Zusammensetzung der Basis des Kristalls machen (zur Erinnerung: Kristall = Gitter + Basis). Haben zwei Kristalle beispielsweise das selbe Gitter aber unterschiedliche Basen, dann kann es auf Grund der unterschiedlichen Formfaktoren und damit unterschiedlichen Streufaktoren dazu kommen, dass einzelne Reflexe bei dem einen Kristall ausgelöscht werden, die bei dem anderen auftauchen. \quoteoff Das bedeutet durch die Beugungsmuster kann ich quasi bestimmen ob ich eine hexagonales, kubisches etc. Gitter habe und welche bzw wieviele Atome in den Gitterplätzen sitzen? Die "Formel" sagt also aus das die Intensität die bekomme abhängig von dem Strukturfaktor (also von der Anzahl der Atome in einer Basis) und dem ersten Term ist (den ich noch nicht ganz verstanden habe)? Viele Grüße und tausend Dank für die Hilfe! thecount


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\quoteon(2016-05-08 17:04 - thecount in Beitrag No. 2) \quoteon(2016-05-08 15:52 - Berufspenner in Beitrag No. 1) Rein formal entsteht das reziproke Gitter durch Fourier-Transformation des realen Gitters. Es lässt sich aber durch die Röntgenbeugung "sichtbar" machen. \quoteoff Das ist mal super zu wissen. Ich nutze jetzt mal die Gelegenheit und packe eine meiner Übungsaufgaben aus. http://matheplanet.com/matheplanet/nuke/html/uploads/a/41617_Bildschirmfoto_2016-05-08_um_16.39.59.png Ich habe das in der Vorlesung auch nicht so richtig verstanden. Wie Fourier-Transformiere ich denn genau ein Gitter? So wie ich das verstanden habe stecke ich in die FT(Fouriertransformation) doch immer eine Funktion der Zeit bzw. Frequenz und bekomme eine Funktion der Frequenz bzw. Zeit heraus. Wie Transformiere ich dann eine Funktion des Ortes bzw. Gitterpunkte? Irgendwie erschließt sich mir der Zusammenhang zwischen Gitter und reziprokem Gitter noch nicht ganz. \quoteoff Ein Gitter musste ich bisher auch noch nicht fouriertransformieren. Wie allerdings die Gittervektoren des Realraums in die des reziprokenraums tansformiert werden, solle bekannt sein. Den reziproken Raum nennt man auch k-Raum oder Impulsraum, da über die de-Broglie Beziehung dem Wellenvektor $\vec{k}$ ein Impuls $\vec{p} = \hbar\cdot \vec{k}$ zugeordent werden kann. Statt der Zeit-Frequenz-Beziehung (beziehungsweise Zeit-Energie-Beziehung, da $E = h\cdot f$ gilt) stellt die FT eine Ort-Impuls-Beziehung her. Ein kleines Beispiel, wie Real- und Impulsraum aussehen können, zeigt die Oberflächenanalytik. Die Oberfläche eines Kristalls, die in der x-y-Eben liegen soll, kann man sich so vorstellen, dass sie in z-Richtung eine unendlich große Gitterkonstante besitzt. Das führt dazu, dass im reziproken Raum die vorher diskreten Punkte entlang der äquivalten Gitterrichtung unendlich nah zusammenrücken und reziproke Gitterstäbe entstehen. \quoteon(2016-05-08 17:04 - thecount in Beitrag No. 2) \quoteon(2016-05-08 15:52 - Berufspenner in Beitrag No. 1) Jupp, es handelt sich bei dem Formfaktor (auch Atomformfaktor genannt) um die FT der Elektronendichte. Sie ist eine Funktion des Impulses $\vec{Q}$ und gibt an, wie stark die Streuung vom Impulsübertrag abhängt. \quoteoff Wie komme ich denn auf den Impuls $\vec{Q}$? Ist $\vec{Q}$ nicht einfach ein reziproker Gittervektor? In der Angabe steht ja $\vec{Q}=\vec{k}-\vec{k}'$. Das ist auch so ein bisschen mein Problem. Ich weiß nicht was genau die Größen im Exponent bedeuten bzw. welche Größen ich dort einsetzen muss. \quoteoff $\vec{Q}$ ist der Streuvektor und ist über die Bragg-Bedingung, die äquivalent zur Lauer-Bedingung ist, mit den Gitterebenen verknüpft, denen man wiederum Miller-Indizes hkl zuordnen kann. Man schreibt dann $\vec{Q}_{hkl}$. $\vec{R}$ ist ein Gittervektor des Realraums und ist damit Abstandsvektor zwischen zwei Atomen. Unten werde ich mal versuchen ein Beispiel zu nennen. \quoteon(2016-05-08 17:04 - thecount in Beitrag No. 2) \quoteon(2016-05-08 15:52 - Berufspenner in Beitrag No. 1) Was den Strukturfaktor angeht, sollte seine anschauliche Erklärung doch in deinen Unterlagen (Skript, Buch, etc.) zu finden sein, oder? Was weißt du dazu bereits? \quoteoff Ich habe das Buch Ashcroft&Mermin: Solid State Physics (auf Englisch) vor mir liegen. Auf Seite 105 steht: \quoteon ...the geometrical structure factor, expresses the extent to which interference of the waves scattered from identical ions within the basis can diminish the intensity of the Bragg peak associate with the reciprocal lattice vector K \quoteoff So wie ich das jetzt verstanden habe kommt durch die Interferenz der Wellen mit mehreren Atomen in der Basis eine niedrigere Intensität heraus als man erwarten würde bzw. möchte. Ist der Strukturfaktor also eine art Korrektur dieses Phänomens? Wenn ich nur 1 Atom in der Basis habe dann ist doch der Strukturfaktor irrelevant oder? Könntest du mir vielleicht anhand eines kurzen Beispiels zeigen wie man sowas berechnen würde? \quoteoff Auf Grund von inelastischer Streuung treten immer irgendwelche Verluste auf, so dass eine Dämpfung der Einstrahlintensität durch den Strukturfaktor ausgedrückt wird. Er ist aber nicht nur eine einfach "Korrektur" sondern beschreibt die dahinterliegenden Einflussbedingungen ganz gezielt. Es ist also keine willkürliche Schönheitskorrektur, damit das Modell passt. Versuchen wir mal ein Beispiel. Betrachten wir für ein Zinkblendegitter, dass ja mit dem Diamantgitter identisch ist, wenn wir in der Basis die selben Atome hätten. Das Gitter ist kubisch. Für den Streuvektor gilt dann $\vec{Q}_{hkl} = n\frac{2\pi}{d_{hkl}} \cdot \frac{(h,k,l)}{\sqrt{h^2 + k^2 + l^2}} = n\cdot \frac{2\pi}{a} \cdot (h, k, l)$ $d_{hkl}$ ist der Netzebenabstand (siehe Bragg-Bedingung) und a ist die kubische Gitterkonstante. In der Elementarzelle des Zinkblendegitters haben wir 4 Gitterpunkte, die mit einer zweiatomigen Basis (im Zinkblendegitter sind die Atome unterschiedlich) besetzt ist. Wir haben so also 8 Richtungsvektoren des Realraums. Bleiben wir bei deiner Notation, dann gilt für diese Vektoren $\vec{R}' = \vev{R}_n + \vec{d}_j$ mit n = 1,2,3,4 und j = 1,2. Namentlich lauten die 8 Richtungsvektoren dann $\vec{R}'_1 = a (0,0,0)$ $\vec{R}'_2 = a/2 (1,1,0)$ $\vec{R}'_3 = a/2 (1,0,1)$ $\vec{R}'_4 = a/2 (0,1,1)$ $\vec{R}'_5 = a/4 (1,1,1)$ $\vec{R}'_6 = a/4 (3,3,1)$ $\vec{R}'_7 = a/4 (3,1,3)$ $\vec{R}'_8 = a/4 (1,3,3)$ Entsprechend gilt für die Exponenten der Exponentialfunktionen $\vec{Q}_{hkl}\cdot\vec{R}'_1 = 0$ $\vec{Q}_{hkl}\cdot\vec{R}'_2 = n\cdot\pi (h + k)$ $\vec{Q}_{hkl}\cdot\vec{R}'_3 = n\cdot\pi (h + l)$ $\vec{Q}_{hkl}\cdot\vec{R}'_4 = n\cdot\pi (k + l)$ $\vec{Q}_{hkl}\cdot\vec{R}'_5 = n\cdot\pi/2 (h + k + l)$ $\vec{Q}_{hkl}\cdot\vec{R}'_6 = n\cdot\pi/2 (3h + 3k + l)$ $\vec{Q}_{hkl}\cdot\vec{R}'_7 = n\cdot\pi/2 (3h + k + 3l)$ $\vec{Q}_{hkl}\cdot\vec{R}'_8 = n\cdot\pi/2 (h + 3k + 3l)$ Setzt man das alles in die Formel für den Strukturfaktor $F_{hkl}$ ein, dann erhält man für $\left|F_{hkl}\right|^2$: $ \left|F_{hkl}\right|^2 = \left\lvert \sum_{n=1}^N e^{-i \mathbf{Q} \mathbf{R}_n}\right\rvert^2 \cdot \Biggr\lvert \underbrace{\sum_{j=1}^D f_j (\mathbf Q)e^{-i \mathbf{Q} \mathbf{d}_j}}_{\text{ Strukturfaktor}}\Biggr\rvert^2 = \begin{cases} 0 &\mbox{h,k,l gemischt gerade und ungerade }\\ 16(f_{III} + f_V)^2 &\mbox{h+k+l = 4i; i = natürliche Zahl} > {0 } \\ 16(f_{III} - f_V)^2 &\mbox{h+k+l = (2i - 1)2; i = natürliche Zahl} > {0 } \\ 16(f_{III}^2 + f_V^2) &\mbox{h,k,l ungerade} \end{cases} $ Wobei $f_i$ die Formfaktoren der Atome der Basis sind. Hier am Beispiel von GaAs (Ga als Elemten der Gruppe III und As als Element der Gruppe V). Würden wir z.B. einen Siliziumkristall betrachten, dann würde sich auf Grund der selben Formfaktoren beider Atome der Basis der dritte Fall zu null ergebene und die Reflexe mit den entsprechenden Miller-Indizes verschwinden. Das hatte ich schon in meiner ersten Antwort angedeutet. Diamant- und Zinkblendegitter unterscheiden sich nur anhand der Basisatome und trotzdem gibt es bei dem einen Gitter Reflexe, die bei dem anderen verschwinden können. Ich hoffe, dass sich keine Tippfehler eingeschlichen haben und es einigermaßen verständlich ist. Ansonsten kann ich dir noch das Buch "Festkörperphysik - Aufgaben und Lösungen" von Gross/Marx/Einzel empfehlen, das eine super Ergänzung zum Buch "Festkörperphysik" von Gross/Marx ist. Dort werden sehr ausführlich solche Beispiele gerechnet.


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  Beitrag No.4, vom Themenstarter, eingetragen 2016-05-09

Hallo Berufspenner, die Antwort ist der Hammer! Vielen Dank. Ich hätte noch eine kurze Frage bezüglich der Notation von von $\vec{R}_n'$. Du schreibst \quoteon(2016-05-08 21:11 - Berufspenner in Beitrag No. 3) mit n = 1,2,3,4 und j = 1,2. Namentlich lauten die 8 Richtungsvektoren dann $\vec{R}'_1 = a (0,0,0)$ $\vec{R}'_2 = a/2 (1,1,0)$ $\vec{R}'_3 = a/2 (1,0,1)$ $\vec{R}'_4 = a/2 (0,1,1)$ $\vec{R}'_5 = a/4 (1,1,1)$ $\vec{R}'_6 = a/4 (3,3,1)$ $\vec{R}'_7 = a/4 (3,1,3)$ $\vec{R}'_8 = a/4 (1,3,3)$ \quoteoff wie kommen die Zahlen in der Klammer zu Stande. Sind das die Miller-Indizes? Viele Grüße, thecount


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  Beitrag No.5, eingetragen 2016-05-09

\quoteon(2016-05-09 13:57 - thecount in Beitrag No. 4) Hallo Berufspenner, die Antwort ist der Hammer! Vielen Dank. \quoteoff Gerne doch, ich hoffe es hilft dir. \quoteon(2016-05-09 13:57 - thecount in Beitrag No. 4) Ich hätte noch eine kurze Frage bezüglich der Notation von von $\vec{R}_n'$. Du schreibst \quoteon(2016-05-08 21:11 - Berufspenner in Beitrag No. 3) mit n = 1,2,3,4 und j = 1,2. Namentlich lauten die 8 Richtungsvektoren dann $\vec{R}'_1 = a (0,0,0)$ $\vec{R}'_2 = a/2 (1,1,0)$ $\vec{R}'_3 = a/2 (1,0,1)$ $\vec{R}'_4 = a/2 (0,1,1)$ $\vec{R}'_5 = a/4 (1,1,1)$ $\vec{R}'_6 = a/4 (3,3,1)$ $\vec{R}'_7 = a/4 (3,1,3)$ $\vec{R}'_8 = a/4 (1,3,3)$ \quoteoff wie kommen die Zahlen in der Klammer zu Stande. Sind das die Miller-Indizes? \quoteoff Wie bereits gesagt, sind das Zinkblende- und das Diamantgitter ja identisch und unterscheiden sich nur darin, dass in der zweiatomigen Basis beim Zinkblendegitter zwei verschiedene Atome sitzen. Die Gitter lassen sich durch zwei fcc-Gitter, die um je a/4 entlang der Raumdiagonalen versetzt sind oder analog durch ein fcc-Gitter mit zweiatomiger Basis, konstruieren. Wählt man letzteren Ansatz, dann gilt $\vec{R}_n' = \vec{R}_n + \vec{d}_j$ mit den vier Gittervektoren des fcc-Gitters $\vec{R}_1 = a (0,0,0)$ $\vec{R}_2 = a (1/2,1/2,0)$ $\vec{R}_3 = a (1/2,0,1/2)$ $\vec{R}_4 = a (0,1/2,1/2)$ und den Vektoren der Basisatome $\vec{d}_1 = a (0,0,0)$ $\vec{d}_2 = a (1/4,1/4,1/4)$ Entsprechend entsteht z.B. $\vec{R}'_8 = \vec{R}_4 + \vec{d}_2 = a (0,1/2,1/2) + a (1/4,1/4,1/4) = a (1/4,3/4,3/4) = a/4 (1,3,3)$


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  Beitrag No.6, vom Themenstarter, eingetragen 2016-05-09

Ahh! Jetzt macht das auch Sinn! Dann haben sich eigentlich alle meine Fragen erledigt. Ich möchte mich nochmals bei Dir bedanken. Ohne deine Hilfe hätte ich das alles nie verstanden und wäre auch nicht in der Lage gewesen mein Übungsblatt zu bearbeiten. Ich wünsche Dir noch einen schönen Nachmittag. Viele Grüße, thecount


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