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Zweite Quantisierung des Klein-Gordon-Feldes: Wer erschafft und wer vernichtet? |
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Seligman
Aktiv  Dabei seit: 11.01.2020 Mitteilungen: 217
 | Themenstart: 2023-09-22
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Als eines der ersten Beispiele für die Demonstration des Mechanismus' der zweiten Quantisierung behandelt man in meisten QFT Vorlesungen das reale Klein Gordon Feld (das die KG-Gleichung löst :)
Das Ergebnis der 2. Quantisierung (als Übergang von Feld $\phi(x,t)$ zum Operator $\hat{\phi}(x,t)$; beachte, dass ich mit $x$ bzw $p$ (später) stets vektorwertige Größen in Orts- bzw Impuls 3D Koordinaten) hat die Form
$$\hat{\phi}(t,x)=\int_{\mathbb{R}^3} \mathrm{d}^3 p \frac{1}{(2 \pi)^3} \frac{1}{\sqrt{2\omega_p}} \hat{a}_p
\cdot e^{-i \cdot (\omega_p t - \vec{p} \cdot \vec{x})} +
\hat{a}_p^{\dagger} \cdot e^{i \cdot (\omega_p t - \vec{p} \cdot \vec{x})}
$$
wobei man axiomatisch folgende Kommutatorregeln "fordert":
$$[\hat{\phi}(x),\hat{\phi}(y)]=[\hat{\pi}(x),\hat{\pi}(y)]=0 $$
und
$$[\hat{\phi}(x),\hat{\pi}(y)]=(2\pi)^3 i \delta(y-x)$$
(Edit; vgl Kommentar von PhysikRabe: $\hat{\phi}(x) :=\hat{\phi}(x, t_0)$ für ein fixiertes $ t_0$)
Was ich aber nicht verstehe (und in keinem einzigen Skript den ich durchstöbern konnte aufgegriffen wird), ist, warum ist hier der Operator $\hat{a}_p$ konkret der Annihilator (also warum "annihiliert" er $\hat{a}_p |p \rangle =|0 \rangle$ wobei Letzteres Vakuumzustand ist), während $\hat{a}_p^{\dagger}$ dem creation Operator entspricht (also $\hat{a}_p | 0 \rangle =|p \rangle$)
Warum nicht umgekehrt? Mit anderen Worten, warum "gehört" zum Annihilator der Koeffizient $e^{-i \cdot (\omega_p t - \vec{p} \cdot \vec{x})}$, und zum Creator der Koeff $e^{i \cdot (\omega_p t - \vec{p} \cdot \vec{x})}$?
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zippy
Senior  Dabei seit: 24.10.2018 Mitteilungen: 5147
 | Beitrag No.1, eingetragen 2023-09-22
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Aus der CCR...
\quoteon(2023-09-22 21:43 - Seligman im Themenstart)
$[\phi(x),\pi(y)]=(2\pi)^3\delta(y-x)$
\quoteoff
... ergibt sich $[a^{\vphantom*}_p,a^*_q]=\delta(p-q)$.
Und dass für einen Operator $a$, der die Kommutatorrelation $[a^{\vphantom*},a^*]=1$ erfüllt, $a$ der Vernichter und $a^*$ der Erzeuger ist, solltest du schon aus der Diskussion des harmonischen Oszillators kennen: Wäre $a^*$ der Vernichter, gäbe es also einen Vektor $|0\rangle$ mit $a^*|0\rangle=0$, dann hätte der Vektor $a|0\rangle$ wegen$$
\langle0|a^*a^{\vphantom*}|0\rangle =
\langle0|a^{\vphantom*}a^*-1|0\rangle = - \langle0|0\rangle = -1
$$eine negative Norm, was nicht sein kann.
--zippy
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Seligman
Aktiv  Dabei seit: 11.01.2020 Mitteilungen: 217
 | Beitrag No.2, vom Themenstarter, eingetragen 2023-09-23
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Verstehe, dann könnte man sogar sagen, dass in dieser Darstellung
$$\hat{\phi}(t,x)=\int_{\mathbb{R}^3} \mathrm{d}^3 p \frac{1}{(2 \pi)^3} \frac{1}{\sqrt{2\omega_p}} \hat{a}_p
\cdot e^{-i \cdot (\omega_p t - \vec{p} \cdot \vec{x})} +
\hat{a}_p^{\dagger} \cdot e^{i \cdot (\omega_p t - \vec{p} \cdot \vec{x})}
$$
$\hat{a}_p$ dem Vernichter und $\hat{a}_p^{\dagger}$ dem Erzeuger entsprechen muss, genau äquivalent dazu ist, dass wir für $\hat{a}_p$ und $\hat{a}_p^{\dagger}$ die kommutative (und nicht anti-kommutative) Klammer fordern.
Was ich mich noch frage, betrifft grundsätzlich die Form, die
der Operator $\hat{\phi}(t,x)$ haben muss. Wird grundsätzlich die Form
$$\int_{\mathbb{R}^3} \mathrm{d}^3 p \frac{1}{(2 \pi)^3} \frac{1}{\sqrt{2\omega_p}} \hat{a}_p
\cdot e^{-i \cdot (\omega_p t - \vec{p} \cdot \vec{x})} +
\hat{a}_p^{\dagger} \cdot e^{i \cdot (\omega_p t - \vec{p} \cdot \vec{x})}
$$
für $\hat{\phi}(t,x)$ als "Ansatz gefordert" (...und dann mittels Arguments, den du in No 1 angegeben hast per ruduction ad absurdum geschlossen, was nun Creator und was Annihilator ist), oder
kann man formal bereits "erschließen", dass $\hat{\phi}(t,x)$ eine solche
"Struktur" haben muss, ausgehend von einer Operator-Version von Fourier Darstellung
$$ \hat{\phi}(t,x)= \int_{\mathbb{R}^3} \mathrm{d}^3 p \frac{1}{(2 \pi)^3} \hat{\phi}(t,p) e^{-i \cdot (\omega_p t - \vec{p} \cdot \vec{x})} $$
? (ich frage das, weil ich da nicht sicher bin ob der Grund, dass $\hat{\phi}(t,x)$ solche Form haben soll durch "Nachahmung" der Struktur des klassischen KG-Feldes "postuliert" wird (beachte, für jedes $p$ entspricht der Integrand der klass Lösung der KG-Gleichung; das könnte als "Template" for Operator-Version dienen; also sprich mehr oder weniger "heuristisch" begründet ist), oder, dass $\hat{\phi}(t,x)$ solche Struktur besitzt formal hergeleitet werden kann (von mir aus ausgehend von dieser oben erwähnten Operator-Version von Fourier Darstellung)
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zippy
Senior  Dabei seit: 24.10.2018 Mitteilungen: 5147
 | Beitrag No.3, eingetragen 2023-09-23
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\quoteon(2023-09-23 00:05 - Seligman in Beitrag No. 2)
dann könnte man sogar sagen, dass in dieser Darstellung [...] $\hat{a}_p$ dem Vernichter und $\hat{a}_p^{\dagger}$ dem Erzeuger entsprechen muss, genau äquivalent dazu ist, dass wir für $\hat{a}_p$ und $\hat{a}_p^{\dagger}$ die kommutative (und nicht anti-kommutative) Klammer fordern.
\quoteoff
Nein, dass sich für $a$ und $a^*$ eine Kommutator- und keine Antikommutatorrelation ergibt, liegt einfach daran, dass man von einer Kommutatorrelation für $\phi$ und $\pi$ ausgegangen ist.
Wenn man für $\phi$ und $\pi$ eine Antikommutatorrelation ansetzt, kommt man auch für $a$ und $a^*$ zu einer solchen. Für ein Klein-Gordon-Feld läuft man dann später in Probleme (das sagt einem das Spin-Statistik-Theorem voraus), während man für ein Schrödinger-Feld die freie Wahl zwischen Kommutator- und Antikommutatorrelation hat.
\quoteon(2023-09-23 00:05 - Seligman in Beitrag No. 2)
Wird grundsätzlich die Form [...] für $\hat{\phi}(t,x)$ als "Ansatz gefordert" [...], oder kann man formal bereits "erschließen", dass $\hat{\phi}(t,x)$ eine solche "Struktur" haben muss, ausgehend von einer Operator-Version von Fourier Darstellung
\quoteoff
Man kann diese Form tatsächlich "erschließen", denn für festes $t$ ist der Wechsel zwischen $\phi$ und $\pi$ einerseits und $a$ und $a^*$ andererseits einfach eine Variablentransformation im Phasenraum (mit der Eigenschaft, dass die Bewegungsgleichungen in den neuen Variablen diagonal werden).
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Seligman
Aktiv  Dabei seit: 11.01.2020 Mitteilungen: 217
 | Beitrag No.4, vom Themenstarter, eingetragen 2023-09-23
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\quoteon(2023-09-23 00:46 - zippy in Beitrag No. 3)
Wenn man für $\phi$ und $\pi$ eine Antikommutatorrelation ansetzt, kommt man auch für $a$ und $a^*$ zu einer solchen. Für ein Klein-Gordon-Feld läuft man dann später in Probleme (das sagt einem das Spin-Statistik-Theorem voraus), während man für ein Schrödinger-Feld die freie Wahl zwischen Kommutator- und Antikommutatorrelation hat.
\quoteoff
Welcher Art Problemen begegnet man, wenn wenn man das "stur" mit Antikommutatoren versucht durchzuführen? Sowas von der Art a la $\langle0|a^*a^{\vphantom*}|0\rangle =-1 $, also solche sagen wir "unphysikalische Absurditäten"? Oder würden dann auch mathematische Inkonsistenzen auftauchen?
\quoteon(2023-09-23 00:46 - zippy in Beitrag No. 3)
Man kann diese Form tatsächlich "erschließen", denn für festes $t$ ist der Wechsel zwischen $\phi$ und $\pi$ einerseits und $a$ und $a^*$ andererseits einfach eine Variablentransformation im Phasenraum (mit der Eigenschaft, dass die Bewegungsgleichungen in den neuen Variablen diagonal werden).
\quoteoff
Diesem Argument konnte ich nicht ganz folgen. Wieso würde die Existenz einer solchen VarTrafo die Gestalt als Template
$$\int_{\mathbb{R}^3} \mathrm{d}^3 p \frac{1}{(2 \pi)^3} \frac{1}{\sqrt{2\omega_p}} \hat{a}_p
\cdot e^{-i \cdot (\omega_p t - \vec{p} \cdot \vec{x})} +
\hat{a}_p^{\dagger} \cdot e^{i \cdot (\omega_p t - \vec{p} \cdot \vec{x})}
$$
für $\hat{\phi}(t,x)$ implizieren?
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PhysikRabe
Senior  Dabei seit: 21.12.2009 Mitteilungen: 2946
Wohnort: Rabennest
 | Beitrag No.5, eingetragen 2023-09-23
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\quoteon(2023-09-22 21:43 - Seligman im Themenstart)
$$[\hat{\phi}(x),\hat{\phi}(y)]=[\hat{\pi}(x),\hat{\pi}(y)]=0 $$
und
$$[\phi(x),\pi(y)]=(2\pi)^3\delta(y-x)$$
\quoteoff
Nur um sicherzugehen, dass wir uns richtig verstehen: Hier sollen $x,y \in \mathbb{R}^3$ sein, also dein $\phi(x)$ ist eigentlich $\phi(t_0 , \vec{x})$ für ein fixes $t_0 \in \mathbb{R}$, und was du geschrieben hast sind die "equal time CCR". (In der CCR mit $\pi$ fehlt übrigens ein $i$ auf der rechten Seite.)
\quoteon(2023-09-23 01:03 - Seligman in Beitrag No. 4)
Welcher Art Problemen begegnet man, wenn wenn man das "stur" mit Antikommutatoren versucht durchzuführen? Sowas von der Art a la $\langle0|a^*a^{\vphantom*}|0\rangle =-1 $, also solche sagen wir "unphysikalische Absurditäten"? Oder würden dann auch mathematische Inkonsistenzen auftauchen?
\quoteoff
Um Mikrokausalität zu implementieren muss man für ein für ein bosonisches Feld Kommutatorrelationen (anstelle von Antikommutatorrelationen) fordern, also $[\phi(x),\phi(y)]=0$ für raumartig separierte Punkte $x,y$ des Minkowskiraums. Wie von zippy erwähnt ist das die zentrale Aussage des Spin-Statistik-Theorems. Ein mathematisch rigoroser Beweis wird z.B. im berühmten Buch von Streater & Wightman präsentiert. (Für das Verständnis sind gewisse Vorkenntnisse notwendig.)
Grüße,
PhysikRabe
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zippy
Senior  Dabei seit: 24.10.2018 Mitteilungen: 5147
 | Beitrag No.6, eingetragen 2023-09-23
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\quoteon(2023-09-23 01:03 - Seligman in Beitrag No. 4)
Wieso würde die Existenz einer solchen VarTrafo die Gestalt als Template
$$\int_{\mathbb{R}^3} \mathrm{d}^3 p \frac{1}{(2 \pi)^3} \frac{1}{\sqrt{2\omega_p}} \hat{a}_p
\cdot e^{-i \cdot (\omega_p t - \vec{p} \cdot \vec{x})} +
\hat{a}_p^{\dagger} \cdot e^{i \cdot (\omega_p t - \vec{p} \cdot \vec{x})}
$$
für $\hat{\phi}(t,x)$ implizieren?
\quoteoff
Die Variablentransformation besteht aus zwei Schritten:
1. Man führt für $\phi(x,t)$ und $\pi(x,t)$ eine räumliche Fouriertransformation durch.
2. Man konstruiert aus den Fouriertransformierten $\tilde\phi(p,t)$ und $\tilde\pi(p,t)$ die Operatoren $a_p(t)$ als Linearkombinationen mit den richigen Kommutatorrelationen.
(Der 2. Schritt ist völlig analog zu der Konstruktion von $a$ als Linearkombinationen von $p$ und $q$ für einen harmonischen Oszillator.)
Die Bewegungsgleichungen für die $a_p(t)$ sind diagonal und lassen sich daher sofort lösen, $a_p(t)=\exp(-i\omega_pt)\,a_p$, und wenn man $\phi(x,t)$ durch $a_p$ ausdrückt, kommt man zu der obigen Darstellung.
Detaillierter mag ich das jetzt nicht hinschreiben, denn das findest du in so gut wie jedem Text zur Quantisierung des Klein-Gordon-Feldes.
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Seligman
Aktiv  Dabei seit: 11.01.2020 Mitteilungen: 217
 | Beitrag No.7, vom Themenstarter, eingetragen 2023-09-23
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@PhysikRabe:
\quoteon(2023-09-23 02:00 - PhysikRabe in Beitrag No. 5)
Nur um sicherzugehen, dass wir uns richtig verstehen: Hier sollen $x,y \in \mathbb{R}^3$ sein, also dein $\phi(x)$ ist eigentlich $\phi(t_0 , \vec{x})$ für ein fixes $t_0 \in \mathbb{R}$, und was du geschrieben hast sind die "equal time CCR". (In der CCR mit $\pi$ fehlt übrigens ein $i$ auf der rechten Seite.)
\quoteoff
Genau, sorry für Unklarheiten
Mikrokausalität wäre dann rein physikalische "Plausibilitätsbedingung", die ich intuitiv versuche zu verstehen, als dass man zwei Quantenobjekte gleichzeitig "messen kann" ( mathematisch: simultane diagonalisierbare der zugehörigen Operatoren), vorausgesetzt sie sind raumartig voneinander entfernt, also im Sinne der SRT sei zu "erwarten", dass sich keine "Ereignisse" sich schnell genug ausbreiten können, dass diese die simultane Messbarkeit der beiden Objekte "zerstören könnten"?
Könnte man diese Mikrokausalität so intuitiv deuten?
@zippy:
\quoteon(2023-09-23 11:14 - zippy in Beitrag No. 6)
Detaillierter mag ich das jetzt nicht hinschreiben, denn das findest du in so gut wie jedem Text zur Quantisierung des Klein-Gordon-Feldes.
\quoteoff
Nene, die Zusammenfassung der essentiellen Schritte ist perfekt dargelegt und deckt genau mein Anliegen, vielen Dank!
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PhysikRabe
Senior  Dabei seit: 21.12.2009 Mitteilungen: 2946
Wohnort: Rabennest
 | Beitrag No.8, eingetragen 2023-09-23
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\quoteon(2023-09-23 12:34 - Seligman in Beitrag No. 7)
Könnte man diese Mikrokausalität so intuitiv deuten?
\quoteoff
Ja, so könnte man es sich vorstellen (auch wenn genau genommen die Interpretation mittels "Messung von Observablen" in der Quantenfeldtheorie eine heikle Angelegenheit ist).
\quoteon(2023-09-23 02:00 - PhysikRabe in Beitrag No. 5)
Ein mathematisch rigoroser Beweis wird z.B. im berühmten Buch von Streater & Wightman präsentiert.
\quoteoff
Ich habe nachgesehen, und Theorem 4–9 ist die von mir erwähnte Aussage. Ich gebe sie hier wieder, für ein hermitesches skalares Feld $\phi$: Angenommen $\{\phi(x),\phi(y)\} = 0$ für raumartiges $x-y$ (das Feld antikommutiert also mit sich selbst auf raumartig getrennten Gebieten). Wenn $\phi$ mit allen anderen Feldern in der Theorie kommutiert oder antikommutiert, dann ist $\phi=0$. Die "falsche" Spin-Statistik-Beziehung kann also nur von einem trivialen Feld erfüllt werden.
Grüße,
PhysikRabe
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