|
Autor |
Konstruktionsbeschreibungen |
|
goeba
Senior  Dabei seit: 24.03.2006 Mitteilungen: 1364
Wohnort: Göttingen
 | Themenstart: 2010-03-27
|
Liebe Matheplanetarier,
ein "Klassiker" der Schulaufgaben sind Konstruktionen mit Zirkel und Lineal. Ein Gebiet, das sehr anschaulich unterrichtbar, aber dennoch tiefgehend ist (hat die Frage der Konstruierbarkeit doch jahrtausendelang die Mathematikwelt beschäftigt).
Wie haltet Ihr es mit Konstruktionsbeschreibungen? Sind sie überflüssig, genügen Stichworte, führt Ihr eine Symbolik dafür ein? Fandet Ihr als Schüler Konstruktionsbeschreibungen einfach nur ätzend, schließlich will man ja Mathe und nicht Deutsch machen?
Ich selbst habe bei meinen Schülern folgende Regelung eingeführt: Die Konstruktionsbeschreibung ist keine Handlungsanweisung, sondern eine "ist" Beschreibung. Für die Mittelsenkrechte einer Strecke AB etwa so:
Gegeben: Die Strecke AB mit den Endpunkten A und B.
- k1 ist der Kreis um A durch B
- k2 ist der Kreis um B durch A
- S1 und S2 sind die Schnittpunkte von k1 und k2
- m ist die Gerade durch S1 und S2
- m ist die gesuchte Mittelsenkrechte
In der Fachgruppe Mathematik an meiner Schule herrscht da keine Einigkeit, und weil man Konstruktionen ja nicht fürs Abi braucht, raten einige, da lieber zu kürzen.
Was meint Ihr?
LG
Andreas
|
Profil
|
fru
Senior  Dabei seit: 03.01.2005 Mitteilungen: 21456
Wohnort: Wien
 | Beitrag No.1, eingetragen 2010-03-27
|
Hallo Andreas!
Ich habe dieses Thema einmal sehr ausführlich im Rahmen eines Wahlpflichtfaches in einer 6. Klasse behandelt.
Meine Erfahrungen von damals zeigen, daß man den Schülern den Spaß und die Freude am eigentlichen Konstruieren nicht durch übermäßige Formalismen mindern sollte. Dennoch sollte man wohl (und das wird auch meist eingesehen) auf eine gewisse Strenge bei der Notation nicht verzichten: Sie muß zumindest für jeden (einschlägig Geschulten) einfach und eindeutig nachvollziehbar sein.
Wir hatten zu Beginn die üblichen Ausdrücke für Geraden und Kreise eingeführt (k1:=k(M;A) für den Kreis um M durch A, und g1:=g(A,B) für die Gerade durch A und B), mit denen dann die nächstelementareren Konstruktionen beschrieben wurden. Diese bekamen ebenfalls einen Namen (etwa s(A,B) für die Mittelsenkrechte der Strecke AB, die bei uns "Streckensymmetrale" genannt wird), der für Weiteres verwendet werden konnte, sodaß sich im Laufe der Zeit eine modulartige Struktur aufbaute, was die Konstruktionsbeschreibungen entsprechend kurz halten ließ.
Leider ist das schon ca. 20 Jahre her, sodaß ich nur mehr rudimentäre Erinnerungen an Details habe.
Liebe Grüße, Franz
[ Nachricht wurde editiert von fru am 27.03.2010 12:07:04 ]
|
Profil
|
hugoles
Senior  Dabei seit: 27.05.2004 Mitteilungen: 4844
Wohnort: Ba-Wü, aus einem Albdorf
 | Beitrag No.2, eingetragen 2010-03-27
|
Hallo Andreas, hallo Franz,
meine Siebener haben gerade einen Block Geometrie hinter sich (Abstände, Ortslinien im Dreieck), daher sind meine Erinnerungen noch sehr frisch. :-)
Ich praktiziere das wie folgt:
meine Schüler sollen "Handlungsanweisungen" angeben wie "Zeichne einen Kreis um A mit Radius r=5cm"
Es ist sehr schwer -ich denke nur drillartig- den Schülern zu vermitteln, dass wir nicht die Gebrüder Grimm sind und etwas schreiben wie "Stich mit dem Zirkel in A ein und stelle an den Schenkeln 5cm ein. Fahre dann um A" oder ähnliches blabla.
Da finde ich es problematisch (aus früheren Erfahrungen), die Sprache noch weiter zu formalisieren und "unendlich viele" Symbole einzuführen, wie Franz das praktiziert hat.
Andreas, welche Vorteile haben denn Deine "Ist-Beschreibungen" für die Schüler und deren Konstruktionen?
Gruß!
P.S.: Ich hoffe, dass in diesem Forum ordentlich viel gepostet wird...
Danke, Andreas, für die Anregung und den Anstoß!
|
Profil
|
goeba
Senior  Dabei seit: 24.03.2006 Mitteilungen: 1364
Wohnort: Göttingen
 | Beitrag No.3, vom Themenstarter, eingetragen 2010-03-27
|
Zusammenfassung: Es gibt ein Für und Wider bei diesem Formalismus? Wie würdest Du meinen Ansatz, der im Prinzip das gleiche, nur mit Worten macht, beurteilen?
[Die Antwort wurde nach Beitrag No.1 begonnen.]
|
Profil
|
OmmO
Senior  Dabei seit: 01.12.2006 Mitteilungen: 2312
Wohnort: Kiel
 | Beitrag No.4, eingetragen 2010-03-27
|
Hallo!
Ich denke, jeder Schüler sollte wissen, was eine Konstruktionsbeschreibung ist und warum man so etwas gegebenenfalls braucht.
Gerade am Anfang, am Gymnasium wohl durch G8 meist in der 6. Klasse, kann es den Schülern helfen, sauber zu arbeiten, wenn sie eine Konstruktionsbeschreibung anfertigen müssen.
Auf Einhaltung gewisser Formalismen zu achten zeigt den Schülern recht deutlich, dass Mathematik nicht einfach irgendein Geschmiere ist, sondern dass exakt gearbeitet wird.
Je nachdem, wie sauber und gewissenhaft die Schüler arbeiten, kann man dann später vielleicht komplett auf Konstruktionsbeschreibungen verzichten.
Vollständige deutsche Sätze halte ich für unnötig. Ob man aber eine spezielle Symbolik einführt, hängt davon ab, wie ausführlich man das Thema behandeln möchte.
Es hat ja keinen Sinn, 3 Stunden lang die Symbolik einzuführen, um sie dann 2 Stunden zu benutzen. Möchte man allerdings viele Konstruktionsbeschreibungen anfertigen lassen, so ist eine kurze und einfache Symbolik natürlich sinnvoll.
Gruß OmmO
[Die Antwort wurde nach Beitrag No.1 begonnen.]
|
Profil
|
Kleine_Meerjungfrau Senior  Dabei seit: 29.10.2003 Mitteilungen: 3302
Wohnort: Köln
 | Beitrag No.5, eingetragen 2010-03-27
|
Hi,
an meine eigene Schulzeit erinnere ich mich nicht mehr... Meine Nachhilfeschüler müssen die Konstruktionsbeschreibung als Anleitung schreiben, nicht als "ist"-Beschreibung. Die sind allerdings so schlecht, dass der Lehrer schon schaut, dass er in der Arbeit irgendwo noch irgendwelche Punkte auftreibt, sprich das muss dann nicht sonderlich formal sein, hauptsache es steht überhaupt was da, was einigermaßen richtig ist (volle Punktzahl gibts dafür natürlich nicht aber doch ein paar Pünktchen). Mir scheint hier eher nach dem Motto "das und das und das muss dastehen, damit es Punkte gibt" vorgegangen zu werden als nach dem Motto "wenn das fehlt gibts Abzug und, bei diesem und jenem". Ich habe selbst an der Uni gesehen, was so eine unterschiedliche Herangehensweise von Seiten des Korrektors ausmachen kann.
Im Abi wird ja eigentlich nichts mehr konstruiert, hier wird eher eine Rechenanleitung verlangt (vornehmlich in der Vektorrechnung, in der Analysis habe ich das noch nicht gesehen). Auch hier wird in der Musterlösung der alten Aufgaben eher eine Anleitung beschrieben als eine "ist"-Beschreibung.
Probleme? Ganz unterschiedlich. Unter meinen Nachhilfeschülern sind gerade 3 Abiturienten. Mit einer habe ich das nicht gemacht, eine findet es total einfach, eine tut sich sehr schwer damit. Die kann aber eh fast nichts (1-2 Notenpunkte), kann schon bei normalen Aufgaben nicht benennen, was sie tun muss. Vieles heißt da einfach "Dings". Von daher sind für sie solche Aufgaben nochmal schwerer.
Intuitiv würde ich wohl, so ich Schüler hätte, wirklich eine Anleitung verlangen. Das klingt für mich jetzt logischer als so eine "ist"-Beschreibung.
Gruß
kleine Meerjungfrau
[Die Antwort wurde nach Beitrag No.1 begonnen.]
|
Profil
|
Ex_Senior
 | Beitrag No.6, eingetragen 2010-03-27
|
Ja, führe hierfür eine Symbolik ein.
Wobei man Symbolik -> Text bzw. Text -> Symbolik übersetzen können sollte.
Ein__ Beispiel____: Dreieck aus den Seitenlängen a, b, c
Protokoll__:
(1) AB^- = c \small |"Ziehe die Strecke c als Vbg. der Punkte A und B"
(2) k_A = \void\odot\(A, b) \small |"Beschreibe einen Kreis um A im Radius b"
(3) k_B = \void\odot\(B, a) \small |"Beschreibe einen Kreis um B im Radius a"
(4) k_A \cut\ k_B = {C, C'} \small |"Schnittpunkte der Kreise k_A und k_B sind C und C'
(5) AC^- = b \small |"Ziehe die Strecke b als Vbg. der Punkte A und C"
(6) BC^- = a \small |"Ziehe die Strecke a als Vbg. der Punkte B und C"
(7) \Delta ABC = \Delta (a,b,c)
[Die Antwort wurde nach Beitrag No.1 begonnen.]
|
Profil
|
hugoles
Senior  Dabei seit: 27.05.2004 Mitteilungen: 4844
Wohnort: Ba-Wü, aus einem Albdorf
 | Beitrag No.7, eingetragen 2010-03-27
|
@kleine_Meerjungfrau:
ja, Konstruktionen müssen im Ba-Wü-Abitur keine beschrieben werden, aber durchaus Vorgehensweisen (z.B. "Erläutern Sie, wie man einen Punkt an einer Ebene spiegelt")
Daher finde ich schon, dass eine gemeinsame Sprache, wie es in der Mathematik üblich ist, verwendet.
Da sind wir uns einig.
Wie formal das Ganze sein muss, ist die andere Sache.
Nochmals, mine Erfahrung ist, dass die Schüler sich unglaublich schwer tun, die Darstellung wie cis sie angegeben hat, zu verwenden.
@OmmO: "Vollständige deutsche Sätze halte ich für unnötig."
Da bin ich ganz anderer Ansicht. Wenn jemand nur Satzfragmente verwendet, weiß ich oft nicht, ob der Schüler überhaupt verstanden hat, was er tut oder einfach nur irgendwelche Stichworte nennt.
Weiter finde ich, dass wir jede Gelegenheit in der Schule nutzen sollen, dass die Schüler Sprach- und Ausdrucksompetenz entwickeln, da liegt sehr viel im Argen.
|
Profil
|
goeba
Senior  Dabei seit: 24.03.2006 Mitteilungen: 1364
Wohnort: Göttingen
 | Beitrag No.8, vom Themenstarter, eingetragen 2010-03-27
|
Ich verwende die "Ist" Beschreibung aus zwei Gründen:
- sie ist grammatikalisch einfacher als die Konstruktionsanweisung, die einen Imperativ erfordert
- sie entspricht mehr dem Wort "Konstruktionsbeschreibung", es wäre ja sonst eine "Konstruktionsanweisung", wobei man sich da natürlich streiten kann.
Die "Zeichne einen Kreis" usw. Form fördert zudem nach meiner Erfahrung Stilblüten ("Mache einen Kreis").
Ich verlange vollständige Sätze, weil ich da, wie Hugoles, einen Schulungsbedarf bei den Schülern sehe. Ich habe aber in Klasse 7 z.B. nur 3 Stunden Mathe pro Woche, da fehlt für beharrliches Korrigieren der sprachlichen Fehler oft die Zeit. Schade.
|
Profil
|
Gockel
Senior  Dabei seit: 22.12.2003 Mitteilungen: 25548
Wohnort: Jena
 | Beitrag No.9, eingetragen 2010-03-27
|
Hi.
Da nach Erfahrungen aus der Schulzeit gefragt wurde:
Meine Klassenkameraden und ich erinneren uns teilweise noch sehr lebhaft an die Zeit, in der wir im Mathematikunterricht solche Konstruktionen ausführen mussten. Einige von den "In Mathe war ich immer schlecht"-Leuten sagen sogar, dass das die einzige Zeit war, wo sie mal durchgesehen haben, weil alles so schön logisch war... (Wieso die Logik der restlichen Mathematik nicht wahrgenommen wurde, erschließt sich mir bis heute nicht so recht)
Unsere Lehrerin hat mit uns sehr intensiv Konstruktionen geübt, wir mussten Konstruktionsanleitungen schreiben und ja, das musste im Imperativ und im ganzen Satz geschehen und ja, das hat zu einer Menge Stilblüten geführt. Abkürzungssymbole wurden nicht benutzt, wer schneller fertig sein wollte, musste sich eben abgewöhnen, um den heißen Brei herumzureden. ;-)
Unsere Lehrerin hat aber viel Wert auf korrekten Ausdruck gelegt, sodass wir am Ende eben doch alle wussten, dass es "Zeichne einen Kreis um M durch A" heißt und nicht "Stich mit dem Zirkel, schlag den Kreis" etc. (Gerade diese Stilblüten haben dazu beigetragen, dass diese Zeit bei meinen Mitschülern heute noch präsent ist, die Konstruktionen können sie inzwischen wohl nicht mehr)
mfg Gockel.
|
Profil
|
goeba
Senior  Dabei seit: 24.03.2006 Mitteilungen: 1364
Wohnort: Göttingen
 | Beitrag No.10, vom Themenstarter, eingetragen 2010-03-29
|
Ich fasse mal zusammen: Die Beschreibung im ganzen Satz überwiegt, und hierbei ist die Imperativ-Form in der Mehrheit.
Ein Aspekt wurde noch nicht beleuchtet: Wenn man mit dynamischer Geometriesoftware konstruiert, bekommt man die Konstruktionsbeschreibung ja "kostenlos".
Sollte man vor diesem Hintegrund auf die Konstruktionsbeschreibungen verzichten?
|
Profil
|
viertel
Senior  Dabei seit: 04.03.2003 Mitteilungen: 27787
Wohnort: Hessen
 | Beitrag No.11, eingetragen 2010-03-29
|
\quoteon(2010-03-29 12:34 - goeba in Beitrag No. 10)
Sollte man vor diesem Hintegrund auf die Konstruktionsbeschreibungen verzichten?
\quoteoff
Hallo Andreas,
ich denke: nein.
Denn selbst die Konstruktionsbeschreibung verfassen macht dem Schüler nochmal bewußt, was er da eigentlich tut.
Dietmar
|
Profil
|
goeba
Senior  Dabei seit: 24.03.2006 Mitteilungen: 1364
Wohnort: Göttingen
 | Beitrag No.12, vom Themenstarter, eingetragen 2010-03-29
|
\quoteon(2010-03-29 13:32 - viertel in Beitrag No. 11)
ich denke: nein.
Denn selbst die Konstruktionsbeschreibung verfassen macht dem Schüler nochmal bewußt, was er da eigentlich tut.
\quoteoff
Da sagst Du was. Ich bin der gleichen Meinung. Hier könnte vielleicht auch der Hund begraben liegen, was den Einsatz der grafikfähigen Taschenrechner betrifft: Die Didaktik hatte große Hoffnungen, dass man sich fortan mehr mit richtiger Mathematik (was auch immer das sein soll) und interessanten Anwendungen wird beschäftigen können, wenn viele lästige Aufgaben durch den GTR übernommen werden. Mit der Folge, dass der Schüler eben nicht mehr weiß, was er da eigentlich tut. Aber dazu werde ich mal einen eigenen Faden aufmachen.
|
Profil
|
goeba hat die Antworten auf ihre/seine Frage gesehen. goeba hat selbst das Ok-Häkchen gesetzt. |
|
All logos and trademarks in this site are property of their respective owner. The comments are property of their posters, all the rest © 2001-2023 by Matroids Matheplanet
This web site was originally made with PHP-Nuke, a former web portal system written in PHP that seems no longer to be maintained nor supported. PHP-Nuke is Free Software released under the GNU/GPL license.
Ich distanziere mich von rechtswidrigen oder anstößigen Inhalten, die sich trotz aufmerksamer Prüfung hinter hier verwendeten Links verbergen mögen. Lesen Sie die
Nutzungsbedingungen,
die Distanzierung,
die Datenschutzerklärung und das Impressum.
[Seitenanfang]
|