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Ausbildung Differenzierbarkeit - Vorgehen des Schulbuches
Demophobie
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Dabei seit: 11.10.2003
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  Themenstart: 2015-09-27

Liebe Kollegen und Kolleginnen, folgende Problematik: Differenzierbarkeit und Stetigkeit der Funktion f mit f(x)=cases(2+sin(x),x>=0;x^2+x+1,x<0). Das Schulbuch (Neue Wege Niedersachsen) geht wie folgt vor: Sie bilden die Ableitungen mit den Ableitungsregeln und betrachten dann: rechts: f'(0)=cos(0)=1 links: lim(x->0,(2x+1))->1 Die Funktion f wäre also nach dieser Vorgehensweise differenzierbar. Die SuS würden nun annehmen, dass sie auch stetig ist, da der Satz "diffbar => stetig" bekannt ist. Die Funktion f ist jedoch nicht stetig und damit nicht differenzierbar (eine vernünftige Grenzwertbetrachtung zeigt das auch). Wie geht ihr im Unterricht damit um? Grüße


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FractalAntenna
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  Beitrag No.1, eingetragen 2015-09-27

Hallo, das ist interessant. Ist den Schulbuchautoren der Fehler denn gar nicht aufgefallen oder ist das ein Beispiel dafür, wie man es nicht machen kann? Für die Differenzierbarkeit an einer Stelle benötigt man den Funktionswert an der Stelle. Da die Funktion $x \mapsto x^2+x+1$ an x=0 nicht definiert ist, und somit fälsch der Funktionswert $0+0+1$ beim Betrachten der einseitigen Ableitung (die ja eigentlich auch nicht existiert) unterstellt wird, obwohl tatsächlich $f(0)=2$ gilt, ist das Vorgehen zum Scheitern verurteilt. Um das andere "Problem" nochmal klarzustellen: Das Problem ist nicht ein potentiell fehlerhafter Schluss diffbar => stetig, sondern vielmehr der falsche Beweis der Differenzierbarkeit. Viele Grüße FractalAntenna


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Demophobie
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  Beitrag No.2, vom Themenstarter, eingetragen 2015-09-27

Hi, Ich halte mich bei diesem Thema nicht ans Buch. Ich hatte es vorher mit den Schülern sauber über die Grenzwertbildung gemacht. Als sie dann beschäftigt waren hatte ich mir das Beispiel überlegt und es als HA gegeben. Eine Schülerin berief sich dann in der Folgestunde auf das Vorgehen im Buch und der Abi-Hilfeseite "SchulLV" - die würden es auch so machen. Erst dann fiel es mir auf....


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traveller
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  Beitrag No.3, eingetragen 2015-09-27

Hallo, Aus deinem Beitrag wird mir nicht ganz klar, ob das Buch aus der Gleichheit rechtsseitigen Ableitung und dem Grenzwert tatsächlich auf Differenzierbarkeit an der Stelle 0 schliesst. Wenn ja, ist dies schlicht und ergreifend falsch (siehe Beitrag von FractalAntenna) und sollte den Autoren so mitgeteilt werden. [Die Antwort wurde nach Beitrag No.1 begonnen.]


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Demophobie
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  Beitrag No.4, vom Themenstarter, eingetragen 2015-09-27

Hallo, ja dieses Vorgehen bewerben Sie eine Seite nach ihren Definitionen an einem Beispiel ausführlich. Aus der Gleichheit der Ableitung mit dem Grenzwert des Differenzenquotienten wird auf die Differenzierbarkeit an der Stelle geschlossen. Dieses konkrete Beispiel vor mir jedoch gibt es im Buch nicht. Sie haben im Buch nur Aufgaben verwendet oder gestellt, an denen das falsche Vorgehen trotzdem die richtige Lösung liefert. Ich denke ich werde den Schülern mit Hilfe dieses Beispiels zeigen, wo die Problematik bei dieser Vorgehensweise ist. Oder wie würdet ihr es lösen? Hatte das Beispiel im Unterricht erstmal zurückgestellt um das genauer zu untersuchen, was die da treiben... Grüße


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Martin_Infinite
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  Beitrag No.5, eingetragen 2015-09-27

Dieses Schulbuch nennt dies eine Lösung? Wer hat das verbrochen? Was daran falsch ist, sieht man viel besser am vereinfachten Beispiel $f(x) = \left\{\begin{array}{cc} 2 & x \geq 0 \\ 1 & x < 0 \end{array} \right..$ Die Ableitung $f'(0)$ wäre der Grenzwert von $\frac{f(0+h)-f(0)}{h}=\frac{f(h)-2}{h}$ für $h \to 0$, aber dieser existiert einfach nicht. Denn für $h<0$ ist $\frac{f(h)-2}{h}=-\frac{1}{h}$ und das strebt gegen $\infty$. Das sieht man ja auch wunderbar geometrisch, wenn man sich den Graphen von $f$ anschaut und die Sekante immer schärfer anlegt; die Steigung wird $\infty$. Was in der Lösung fälschlicherweise gemacht wurde, ist bei dem einen Grenzwert $f(0)=1$ und bei dem anderen Grenzwert $f(0)=2$ anzunehmen. Das ist natürlich Quatsch.
"Wenn die Mauern der Schlachthöfe aus Glas wären, würde jeder Vegetarier werden." Paul McCartney



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FractalAntenna
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  Beitrag No.6, eingetragen 2015-09-27

Wwenn das falsche Vorgehen in einer Schülerlösung aufgetreten ist, musst du das im Unterricht behandeln. Es hängt auch davon ab, ob dieses Vorgehen aus deinem Unterricht ableitbar ist. Aus deinen Beiträgen schließe ich aber, dass du alles ganz ordentlich gemacht hast. Vielleicht kannst du folgenden "abstrakten" Fall besprechen. Es sei $f \colon \mathbb{R} \rightarrow \mathbb{R}$ irgendeine (überall) differenzierbare Funktion. Man betrachte nun für $t \in \mathbb{R}$ die Funktionenschar $g_t \colon \mathbb{R} \rightarrow \mathbb{R}$ mit $g_t(x) = \begin{cases} f(x), & x \geq 0 \\ f(x) + t, & x < 0.\end{cases}$ Für welche t ist $g_t$ wo differenzierbar? [Die Antwort wurde nach Beitrag No.4 begonnen.]


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Demophobie
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  Beitrag No.7, vom Themenstarter, eingetragen 2015-09-27

Ok. Danke, dass ihr auch nochmal drüber nachgedacht habt. Ich werde eine E-Mail an den Verlag schreiben. Unfassbar, dass die sowas abdrucken. Bloß nicht zuviel mit dem Grenzwert machen, könnte ja jemanden überfordern. Letztere Aussage habe ich natürlich außerhalb des Amtes gemacht! :-D :-P


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psychironiker
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  Beitrag No.8, eingetragen 2015-09-27

Meine (Nachhilfe-)Schüler(inn)en würde ich in einem analogen Fall "ganz altbacken und orthodox" auf die Definition verweisen. Der Differentialquotient (und damit die Wert der Ableitung an der betrachteten Stelle) ist der Grenzwert _des Differenzenquotienten_ (und nicht von irgendetwas anderem). Mit (f(x)-f(0))/(x -0) = (x^2+ x +1 -(2 +sin(0)))/(x -0) = (x^2+ x -1)/x = x+ 1 -1/x; überschreitet der Differenzenquotient bei Näherung von links jede vorgegebene reelle Zahl; das ist sogar geometrisch anschaulich ( = die Sekante wird immer steiler). Also ist die Funktion bei x = 0 _nicht_ differerenzierbar. Der angegebene lim(x->0, x^2+x+1) ist schlicht unbeachtlich - und mehr nicht erforderlich. Mit Gruß, psychironiker


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dromedar
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  Beitrag No.9, eingetragen 2015-09-27

Mir ist noch nicht wirklich klar geworden, was in dem Buch nun steht. (a) Kommt das Beispiel aus dem Startbeitrag im Buch vor und wird zu diesem Beispiel gesagt, dass $f$ differenzierbar ist? (b) Oder wird die Methode auf ein anderes Beispiel angewandt, wo sie zu einem richtigen Ergebnis führt, und es wird nicht deutlich genug gesagt, dass die Stetigkeit von $f$ eine Voraussetzung für diese Methode ist? Grüße, dromedar


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Demophobie
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  Beitrag No.10, vom Themenstarter, eingetragen 2015-09-27

Ich hatte es eingangs tatsächlich etwas missverständlich formuliert. Zur Klärung: (a): Nein. Es ist ein Beispiel welches ich mir selber überlegt hatte. Eine Schülerin wollte dann das Vorgehen aus dem Buch anwenden und folgerte natürlich damit, dass die Funktion differenzierbar ist. (b): Ganz genau. Es wird im Buch folgendes Beispiel verwendet: f(x)=cases(x,x<=1;x^2-2x+2,1=3) Dann wird mittels der von mir eingangs beschriebenen Methode zum Beispiel an der Stelle x=3 die Differenzierbarkeit überprüft. Es wird keine Aussage dazu gemacht, dass die Stetigkeit von f Voraussetzung ist. Leistungsschwächere Schüler, die im Unterricht vielleicht nicht immer mitkommen, klammern sich ja gerne an solche Beispiele im Buch.


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Martin_Infinite
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  Beitrag No.11, eingetragen 2015-09-27

Das Problem wird wie gesagt viel transparenter, wenn man nicht unnötig komplizierte Funktionen (Polynome mit komischen Koeffizienten oder gar trigonometrische Funktionen) benutzt.
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Folgende Antworten hat der Fragensteller vermutlich noch nicht gesehen.
goeba
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  Beitrag No.12, eingetragen 2015-09-30

Hallo, ich habe seinerzeit - da waren Stetigkeit und Differenzierbarkeit mal Schwerpunktthema im Abi - zunächst den Punkt Diffbar => stetig betont. Das sieht man direkt und nachvollziehbar am Differenzenquotienten: (f(a+h) - f(a)) / h , wenn dann f nicht stetig in a ist, geht das natürlich sofort gegen unendlich, wenn h gegen 0 geht. Daher erübrigt sich eine Untersuchung auf Differenzierbarkeit, wenn die Funktion nicht stetig ist. Im Unterricht habe ich daher festgelegt: - zuerst auf Stetigkeit prüfen - anschließend konnte die Differenzierbarkeit auch über die Ableitungen der Teilfunktionen geprüft werden Im Rahmen des aktuellen KC habe ich leider nicht die Zeit gefunden, darauf genauer einzugehen - schön, wenn Du das hinbekommst! Andreas


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