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Festkörperphysik » Kristallographie » Pulver-Diffraktometrie: Interpretation.
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Universität/Hochschule J Pulver-Diffraktometrie: Interpretation.
Skalhoef
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  Themenstart: 2018-04-13

Hallo, ich habe Probleme damit, die Ergebnisse eines Experiments zu interpretieren. Gegeben sind die Winkel der Intensitätsmaxima bei einer Pulver-Diffraktometrie. Ich möchte jetzt mit diesen gegebenen Winkeln entscheiden, ob es sich um ein sc-,bcc-, oder fcc-Gitter handelt. (Präziser lautet die Aufgabenstellung eigentlich "(...) ermitteln Sie die Kristallstrukturen sowie Gitterkonstanten! Ziehen Sie daraus Rückschlüsse auf die Art der Probe.") Aus der Aufgabenstellung geht auch hervor, dass es sich um ein kubisches Gitter handeln muss. Es gilt bekanntlich die Proportionalität $\displaystyle \sin(\theta) = c \cdot \sqrt{h^2+k^2+l^2}$ wobei $\theta$ der Winkel zwischen der einfallenden Welle und der Gitterebene $(hkl)$ ist bei der man die Interferenz (Intensitätsmaxima) beobachtet, und $c > 0 $ eine Konstante ist. Der Ansatz ist also, dass ich die Gitterebenen $(hkl)$ bei denen die Strukturfaktoren des sc-,bcc- und fcc-Gitters nicht (!) verschwinden herausfinde und dann prüfe, ob sich ein lineares Verhalten zeigt, wenn ich $\sin(\theta)$ gegen $\sqrt{h^2+k^2+l^2}$ auftrage. Das habe ich gemacht. Als Ergebnis erhalte ich den folgenden Graph: http://matheplanet.com/matheplanet/nuke/html/uploads/b/47370_sinThetaVsSqrtProbe1.png und mit dem Lsq-Verfahren erhalte ich die folgenden Konstanten: $\displaystyle c = \begin{cases} 2.64737 \pm 0.00137637 & \text{für sc-Gitter} \\ 3.74394 \pm 0.00194648 & \text{für bcc-Gitter } \\ 4.20729 \pm 0.246997 & \text{für fcc-Gitter} \end{cases} $ Ich bin mir ein bisschen unsicher, wie ich dieses Ergebnis interpretieren sollte... Es zeigt sich ja offensichtlich ein lineares Verhalten (sowohl für das sc-Gitter, als auch für das bcc-Gitter). Sollte ich mich einfach für das Gitter entscheiden, bei dem der Fehler kleiner ist? Ich hatte auch überlegt, dass ein bcc-Gitter ja auch als sc-Gitter (mit kleinerer Einheitszelle bzw. Gitterkonstante) interpretiert werden kann. (Also die für sc-Gitter "erlaubten" $(hkl)$-Tripel ("erlaubt" heißt hier also, dass der Strukturfaktor nicht verschwindet) immer ein lineares Verhalten bei einer kubischen Kristallstruktur zeigen sollten.) Wie auch immer: Diese Überlegung würde dann eigentlich auch für ein fcc-Gitter zutreffen. In einer anderen Probe bekam ich aber ein lineares Verhalten für die $(hkl)$-Tripel eines fcc-Gitters und kein lineares Verhalten für die $(hkl)$-Tripel eines sc-Gitters. Wie ist dieses Ergebnis zu interpretieren? Vielen Dank im Voraus. Viele Grüße Sebastian


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StefanVogel
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  Beitrag No.1, eingetragen 2018-04-14

Hallo Skalhoef, es gibt keine genaue Grenze, ab wann eine Folge von Messwerten einen linearen Verlauf zeigt und ab wann nicht mehr. Bei manch einem Versuch wird man froh sein, wenn man die grünen Messwerte als linearen Verlauf erhält, bei anderen Versuchen sind möglicherweise die blauen Messwerte noch nicht linear genug. Da du schreibst, dass ein bcc-Gitter auch als sc-Gitter interpretiert werden kann (ohne dass ich diese Gitter kenne und kennen muss), würde ich mich ganz klar für bcc-Gitter und sc-Gitter entscheiden, weil dort die mittlere Abweichung nur 1/100 so groß ist wie bei dem fcc-Gitter. Zwischen bcc-Gitter und sc-Gitter muss ich mich nicht entscheiden, weil ein bcc-Gitter ja auch als sc-Gitter interpretiert werden kann. Oder, kann ein sc-Gitter allgemein auch als bcc-Gitter interpretiert werden? Wenn nicht, dann würde ich mich für bcc-Gitter entscheiden, weil beide Kurven etwa gleich genau sind. Viele Grüße, Stefan


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Skalhoef
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  Beitrag No.2, vom Themenstarter, eingetragen 2018-04-14

Hallo StefanVogel, erst einmal vielen Dank für deine Antwort! :) \quoteon(2018-04-14 06:46 - StefanVogel in Beitrag No. 1) (...) Zwischen bcc-Gitter und sc-Gitter muss ich mich nicht entscheiden, weil ein bcc-Gitter ja auch als sc-Gitter interpretiert werden kann. (...) \quoteoff Und genau da liegt ja mein Problem (wie ich in meinem ersten Beitrag erwähnt habe): Nach dieser Logik, müsste ich ja jedes mal, wenn ich ein lineares Verhalten in einem kubischen Gitter sehe, automatisch ein lineares Verhalten als sc-Gitter sehen! Bei einer anderen Probe (andere $\sin\theta$-Werte für ein kubisches Gitter) erhielt ich aber ein lineares Verhalten als fcc-Gitter und kein lineares Verhalten als sc-Gitter. Hier noch das Bild dazu: http://matheplanet.com/matheplanet/nuke/html/uploads/b/47370_sinThetaVsSqrtProbe2.png Deshalb frage ich ja: Wo liegt der Fehler in meiner Logik? (Ich habe schon mehrfach geprüft, ob ich mich verrechnet habe. Vermute aber, dass alles richtig ist.) Viele Grüße Sebastian


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StefanVogel
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  Beitrag No.3, eingetragen 2018-04-14

Ein Fehler in dieser Logik könnte sein, dass zwar dem fcc-Gitter auch ein kubisches Gitter zugrunde liegt, dieses Gitter aber für die verwendete Messmethode nicht sichtbar sein muss, weil in dem Fall die anderen Gitterpunkte im Weg sind. Im zweiten Diagramm würde ich mich deshalb klar für grün, das fcc-Gitter entscheiden. Richtig beantworten kann das nur, wer sich besser damit auskennt. Oder du hast die Möglichkeit zu paar Versuchen, wo das fcc-Gitter vorneweg bekannt ist, ob da das sc-Gitter mehr oder weniger zu sehen ist. Meine Erfahrung beschränkt sich bis jetzt auf deine beiden Diagramme. Wie man daraus das Gitter ablesen kann, finde ich beeindruckend.


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Skalhoef
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  Beitrag No.4, vom Themenstarter, eingetragen 2018-08-31

Hallo, vielen Dank nochmal für die Antwort Stefan! Ich denke dein Ansatz war recht gut. Mir wurde heute eine andere Herangehensweise gezeigt mit der man "beweisen" kann, dass man aufgrund der gegebenen Daten keine eindeutige Zuordnung machen kann: Die ersten(*: siehe unten) sieben Gitterebenen $(hkl)$ bei denen der Strukturfaktor des sc-Gitters nicht verschwindet sind 1.: $(100)$ 2.: $(110)$ 3.: $(111)$ 4.: $(200)$ 5.: $(210)$ 6.: $(112)$ 7.: $(220)$ wobei sich die Reihenfolge darauf bezieht, dass die Zahlen $\sqrt{h^2+k^2+l^2}$ aufsteigend sortiert sind. Die zugehörigen Ausdrücke für $\sqrt{h^2+k^2+l^2}$ sind $\sqrt{h^2+k^2+l^2} = $ 1.: $1$ 2.: $\sqrt{2}$ 3.: $\sqrt{3}$ 4.: $2 \quad (=\sqrt{4})$ 5.: $\sqrt{5}$ 6.: $\sqrt{6}$ 7.: $\sqrt{8}$. Für das bcc-Gitter sind die ersten Gitterebenen $(hkl)$ bei denen der Strukturfaktor nicht verschwindet (wieder aufsteigend sortiert): 1.: $(110)$ 2.: $(200)$ 3.: $(112)$ 4.: $(220)$ 5.: $(301)$ 6.: $(222)$ 7.: $(312)$ Die zugehörigen Ausdrücke für $\sqrt{h^2+k^2+l^2}$ sind $\sqrt{h^2+k^2+l^2} = $ 1.: $\sqrt{2}$ 2.: $2 \quad (=\sqrt{2} \cdot \sqrt{2})$ 3.: $\sqrt{6} \quad (=\sqrt{2} \cdot \sqrt{3})$ 4.: $\sqrt{8} \quad (=\sqrt{2} \cdot \sqrt{4})$ 5.: $\sqrt{10} \quad (=\sqrt{2} \cdot \sqrt{5})$ 6.: $\sqrt{12} \quad (=\sqrt{2} \cdot \sqrt{6})$ 7.: $\sqrt{14} \quad (=\sqrt{2} \cdot \sqrt{7})$. Man sieht jetzt, dass sich der $n$-te Wurzelausdruck errechnen lässt, indem man den ersten Wurzelausdruck nimmt und diesen mit einer Zahl $x$ multipliziert. Diese Zahl $x$ ist bis einschließlich zur sechsten Gitterebene beim sc- und bcc-Gitter die gleiche Zahl. Erst bei der siebten Gitterebene ist die Zahl unterschiedlich. Möchte man also mittels Pulver-Diffraktometrie entscheiden, ob einer gegebene Probe ein sc- oder bcc-Gitter zugrunde liegt, dann braucht man mindestens sieben Messwerte für die Winkel $\theta_i$ bei denen man Intensitätsmaxima beobachtet. (In meinem Experiment hatte ich nur fünf.) Vielen Dank nochmal für die Diskussion und auch an alle (stillen) Mitdenker! :) Jetzt kann ich endlich einen Haken an den Foren-Eintrag setzen! Viele Grüße Sebastian


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