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Integration » Integration im IR^n » Integral über Hausdorffmaß
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Universität/Hochschule J Integral über Hausdorffmaß
Mathler
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  Themenstart: 2023-01-16

Hallo, ich bin gerade dabei mich auf eine Prüfung vorzubereiten und dabei bin ich auf folgendes Beispiel gestoßen: Berechne für \[F:=\{(w,x,y,z)\in \mathbb{R}^4 : w=x^2+y^2+z^2, x^2+y^2+z^2<1\}\] und \[f(w,x,y,z)=\sqrt{w}\] das Integral \[\int_{F} f d\mu_\mathcal{H}^3\]. Nun wäre meine Intuitive Lösung eine Kugeltransformation und \(w=x^2+y^2+z^2\) zu setzen sprich: \[ \int_{F} f d\mu_\mathcal{H}^3 = \int_{0}^{1} \int_{0}^{2\pi} \int_{-\frac{\pi}{2}}^{\frac{\pi}{2}} \sqrt{r^2} r^2 cos(\theta) d\theta d\phi dr =...=\pi \] Das was ich nicht verstehe ist, dass wir auch einen Satz hatten, der besagt, dass \[ \int_{\Omega} g(x,f(x) \sqrt{1+|\nabla f(x)|^2} d\lambda^n(x)= \int_{\phi(\Omega)} g \ d\mathcal{H}^n\] ist, wobei \(\phi: x \to (x,f(x))\). Mit diesem Satz komme ich auf ein völlig anderes - für ein Beispiel recht untypisches - Ergebnis, und dass, obwohl doch im \(\mathbb{R}^n\) gilt: \(\mathcal{H}^n=\lambda^n\). Über euren Input würde ich mich freuen. LG Mathler


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nzimme10
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  Beitrag No.1, eingetragen 2023-01-16

\(\begingroup\)\(\renewcommand{\i}{\mathrm{i}} \renewcommand{\Re}{\operatorname{Re}} \renewcommand{\Im}{\operatorname{Im}} \newcommand{\e}{\mathrm{e}} \renewcommand{\d}{\mathrm{d}} \renewcommand{\dd}{\ \mathrm d} \newcommand{\ddz}{\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}z}} \newcommand{\ddw}{\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}w}} \newcommand{\ddt}{\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}} \newcommand{\opn}{\operatorname} \renewcommand{\vec}[3]{\begin{pmatrix} #1 \\ #2\\ #3\end{pmatrix}} \newcommand{\rot}{\opn{rot}} \newcommand{\div}{\opn{div}}\) Hallo, die Flächenformel (in verschiedensten Versionen) stellt einen Zusammenhang zwischen dem Hausdorff-Maß und dem Lebesgue-Maß her. Eine häufig verwendete Version kann man wie folgt formulieren:
Satz. Sei $U\subseteq \mathbb R^k$ offen und $\Phi\colon U\to \mathbb R^n$ eine injektive Immersion. Dann ist für jede $\lambda^k$-messbare Menge $E\subseteq U$ das Bild $\Phi(E)$ eine $\mathcal H^k$-messbare Teilmenge von $\mathbb R^n$ und für jede messbare Funktion $f\colon \Phi(E)\to \mathbb R$ gilt $$ \int_{\Phi(E)} f(y) \dd\mathcal H^k(y)=\int_E (f\circ \Phi)(x) \cdot \sqrt{\det(\d \Phi(x)^*\circ\d\Phi(x))}\dd\lambda^k(x). $$
Dabei ist $\d\Phi(x)$ das Differential von $\Phi$ in $x$ und $\d \Phi(x)^*$ die adjungierte lineare Abbildung (bzgl. dem Standardskalarprodukt). Folgenden Spezialfall hast du angesprochen: Sei $U\subseteq \mathbb R^k$ offen und $f\colon U\to \mathbb R$ stetig differenzierbar. Dann ist die Abbildung $$ \Phi\colon U\to \mathbb R^k\times \mathbb R\cong \mathbb R^{k+1}, \ x\mapsto (x,f(x)) $$ stetig differenzierbar. Für $x\in U$ und $v\in \mathbb R^k$ gilt dann ($e_1,\dots,e_{k+1}$ bezeichne die Standardbasis von $\mathbb R^{k+1}$) $$ \d\Phi(x)(v)=(v,\d f(x)(v))=(v,0)+\langle \nabla f(x),v\rangle e_{k+1} $$ und daher $$ \det(\d \Phi(x)^*\circ\d\Phi(x))=1+\lVert \nabla f(x)\rVert^2. $$ In jedem Fall musst du also bei einer Koordinatentransformation bzw. einer Parametrisierung auf den richtigen "Korrekturfaktor" achten. Wenn du weitere Hilfe zu dieser Frage benötigst, dann solltest du wohl mal deinen konkreten Rechenweg zeigen. LG Nico
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  Beitrag No.2, vom Themenstarter, eingetragen 2023-01-16

Hi Nico, danke für deine Antwort. Meine zwei verschiedenen Ansatz (welche zu unterschiedlichen Ergebnissen führen) sind: \[ \int_{F} f d\mu_\mathcal{H}^3 = \int_{F} \sqrt{w} d\mu_\mathcal{H}^3 =\int_{F} \sqrt{x^2+y^2+z^2} d\mu_\mathcal{H}^3 \] mit Kugelkoordinatentransformation und der Substitution \(y=r^2\) gilt nun mithilfe von \(\mathcal{H}^n=\lambda^n\) weiter: \[=\int_{0}^{1} \int_{0}^{2\pi} \int_{-\frac{\pi}{2}}^{\frac{\pi}{2}} \sqrt{r^2} r^2 cos(\theta) d\theta d\phi dr = \int_{0}^{1} \int_{0}^{2\pi} \sqrt{r^2} r^2 2 \ d\phi dr =4 \pi \int_{0}^{1} \frac{y}{2} \ dy =\pi \] ` ------------------------------------------------------------------------------------- Würde ich jedoch den Satz anwenden so komme ich auf \(\nabla f=2(x,y,z) => |\nabla f|^2=4(x^2+y^2+z^2)\) Damit gilt \[ \int_{F} f d\mu_\mathcal{H}^3 = \int_{\{0


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  Beitrag No.3, eingetragen 2023-01-16

\(\begingroup\)\(\renewcommand{\i}{\mathrm{i}} \renewcommand{\Re}{\operatorname{Re}} \renewcommand{\Im}{\operatorname{Im}} \newcommand{\e}{\mathrm{e}} \renewcommand{\d}{\mathrm{d}} \renewcommand{\dd}{\ \mathrm d} \newcommand{\ddz}{\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}z}} \newcommand{\ddw}{\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}w}} \newcommand{\ddt}{\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}} \newcommand{\opn}{\operatorname} \renewcommand{\vec}[3]{\begin{pmatrix} #1 \\ #2\\ #3\end{pmatrix}} \newcommand{\rot}{\opn{rot}} \newcommand{\div}{\opn{div}}\) Gerade wenn es darum geht, potenzielle Fehler zu finden, sollte man etwas sorgfältiger sein und auch Zwischenschritte notieren. Beginnen wir mal mit der Menge $F$. Es ist $$ F=\lbrace (r^2,r\sin(\theta)\cos(\varphi), r\sin(\theta)\sin(\varphi),r\cos(\theta))\mid r\in [0,1),\theta\in [0,\pi],\varphi\in [0,2\pi)\rbrace. $$ Betrachten wir zudem $$ \tilde F:=\lbrace (r^2,r\sin(\theta)\cos(\varphi), r\sin(\theta)\sin(\varphi),r\cos(\theta))\mid r\in (0,1),\theta\in (0,\pi),\varphi\in (0,2\pi)\rbrace $$ und die Abbildung $$ \begin{align*} \Phi\colon \overbrace{(0,1)\times (0,\pi)\times (0,2\pi)}^{=: \, U} &\to \mathbb R^4 \\ (r,\theta,\varphi) &\mapsto(r^2,r\sin(\theta)\cos(\varphi), r\sin(\theta)\sin(\varphi),r\cos(\theta)). \end{align*} $$ Nach Konstruktion haben wir dann $\tilde F=\Phi(U)$. Die Jacobi-Matrix von $\Phi$ ist $$ J_{\Phi}(r,\theta,\varphi)= \begin{pmatrix} 2r &0 & 0 \\ \sin(\theta)\cos(\varphi) & r\cos(\theta)\cos(\varphi) & -r\sin(\theta)\sin(\varphi) \\ \sin(\theta)\sin(\varphi) & r\cos(\theta)\sin(\varphi) & r\sin(\theta)\cos(\varphi) \\ \cos(\theta) &-r\sin(\theta) & 0 \end{pmatrix} $$ und somit $$ J_{\Phi}(r,\theta,\varphi)^T\cdot J_{\Phi}(r,\theta,\varphi)=\begin{pmatrix} 4r^2+1 & 0 &0 \\ 0 & r^2 & 0 \\ 0 & 0 & r^2\sin(\theta)^2 \end{pmatrix}. $$ Das liefert uns nun insgesamt $$ \sqrt{\det(J_{\Phi}(r,\theta,\varphi)^T\cdot J_{\Phi}(r,\theta,\varphi))}=r^2\sin(\theta)\sqrt{4r^2+1}. $$ Nach der Flächenformel ist daher $$ \begin{align*} \int_{\tilde F} f \dd \mathcal H^3 &=\int_{U} f(\Phi(r,\theta,\varphi))\cdot r^2\sin(\theta)\sqrt{4r^2+1} \dd \lambda^3(r,\theta,\varphi) \\ &=\int_{U} r^3\sin(\theta)\sqrt{4r^2+1} \dd \lambda^3(r,\theta,\varphi) \\ &=\int_0^{2\pi}\int_0^\pi\int_0^1 r^3\sin(\theta)\sqrt{4r^2+1} \dd r \dd\theta\dd\varphi \\ & \hspace{2mm}\vdots \\ &=\frac{25\sqrt 5+1 }{30}\cdot \pi. \end{align*} $$ Zuletzt bleibt nur noch zu überlegen, warum $$ \int_{F} f \dd \mathcal H^3=\int_{\tilde F} f \dd \mathcal H^3 $$ gilt. Wie gesagt: Du musst hier bei dem Übergang zu Kugelkoordinaten auf den richtigen Korrekturfaktor achten. Der richtige steht in der Flächenformel. Das hast du bei deiner Substitution nicht beachtet und mit dem "normalen" Korrekturfaktor gearbeitet, der bei der Transformationsformel auftritt. Beachte dabei eben, dass die Abbildung $\Phi$ zwar mit Kugelkoordinaten zu tun hat, aber nicht die Transformation in Kugelkoordinaten ist. $\Phi$ ist die Parametrisierung eines Funktionsgraphen ausgedrückt in Kugelkoordinaten. Daher ist der richtige Korrekturfaktor eben auch nicht die Funktionaldeterminante der Kugelkoordinatentransformation, sondern der etwas andere Faktor $r^2\sin(\theta)\sqrt{4r^2+1}$. Bei deiner Rechnung mit der anderen Formel musst du beachten, dass $\nabla f$ der falsche Gradient ist. $f$ ist ja bereits die Funktion, die wir am Ende integrieren wollen. (Da solltest du also nicht den gleichen Buchstaben benutzen). Konkret ist die Menge $F$ ja der Graph der Funktion $$ g\colon \underbrace{\lbrace (x,y,z)\in \mathbb R^3\mid x^2+y^2+z^2<1\rbrace}_{=: \ B}\to\mathbb R, \ (x,y,z)\mapsto x^2+y^2+z^2. $$ Wir betrachten dann die Abbildung $$ \Psi\colon B\to \mathbb R^4, \ (x,y,z)\mapsto (g(x,y,z),x,y,z) $$ und erhalten durch den Spezialfall der Flächenformel zunächst $$ \int_{F} f \dd\mathcal H^3=\int_{B} f(\Psi(x,y,z)) \cdot \sqrt{1+\lVert \nabla g(x,y,z)\rVert^2} \dd\lambda^3(x,y,z). $$ Auf dieses Integral können wir anschließend eine Transformation in Kugelkoordinaten anwenden (hierbei benutzen wir dann die normale Transformationsformel) und gelangen dann zum gleichen Ergebnis, wie mit der Flächenformel weiter oben. LG Nico\(\endgroup\)


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  Beitrag No.4, vom Themenstarter, eingetragen 2023-01-17

Lieber Nico, vielen Dank für deine äußerst genaue Ausführung. Die Gleichheit der Integral lässt sich mit Stetigkeit begründen, stellt also kein Problem dar. Erst durch deine Ausführung mit dem Spezialfall der Flächenformel konnte ich nachvollziehen, wie man sich das Überlegen sollte, danke! Ich werde das noch Üben und mich bei Fragen nochmal melden. LG Mathler


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  Beitrag No.5, eingetragen 2023-01-17

\(\begingroup\)\(\renewcommand{\i}{\mathrm{i}} \renewcommand{\Re}{\operatorname{Re}} \renewcommand{\Im}{\operatorname{Im}} \newcommand{\e}{\mathrm{e}} \renewcommand{\d}{\mathrm{d}} \renewcommand{\dd}{\ \mathrm d} \newcommand{\ddz}{\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}z}} \newcommand{\ddw}{\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}w}} \newcommand{\ddt}{\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}} \newcommand{\opn}{\operatorname} \renewcommand{\vec}[3]{\begin{pmatrix} #1 \\ #2\\ #3\end{pmatrix}} \newcommand{\rot}{\opn{rot}} \newcommand{\div}{\opn{div}}\) \quoteon(2023-01-17 10:32 - Mathler in Beitrag No. 4) Die Gleichheit der Integral lässt sich mit Stetigkeit begründen, stellt also kein Problem dar. \quoteoff Mit der Stetigkeit von was? Hier tauchen die Funktion $f$, die Funktion $g$ und die Parametrisierung $\Phi$ des Graphen von $g$ auf. Das "Standardargument" läuft jedenfalls darauf hinaus, dass $F\setminus \tilde F$ eine $\mathcal H^3$-Nullmenge im $\mathbb R^4$ ist. Wenn man das wirklich ernst nimmt (meist "glaubt" man es auch einfach :D) und das zeigen will, dann ist auch dazu die Flächenformel hilfreich. Eine Sache möchte ich noch loswerden: Beachte, was $\lambda^k=\mathcal H^k$ genau bedeutet. Das stimmt natürlich nicht immer. Wenn man sich im $\mathbb R^n$ befindet, dann hat man $\lambda^n=\mathcal H^n$ (übrigens folgt das zum Beispiel auch aus der Flächenformel😁). Die Maße $\mathcal H^s$ für $s\(\endgroup\)


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