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Autor |
Globales Minimum ohne Vorzeichenwechsel der Ableitung? |
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MasterWizz
Aktiv  Dabei seit: 24.10.2018 Mitteilungen: 179
 | Themenstart: 2023-09-22
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Hi Leute,
Ich bin auf eine sehr seltsame Funktion gestoßen und brauche Hilfe dabei ihre Eigenschaften zu verstehen. Die Funktion
\[f(x)=\begin{cases}\mathrm{e}^{-\frac{1}{x^2}}\cdot\sin^2\left(\frac{1}{x^2}\right) & x\neq0\\ 0 & x=0\end{cases}\]
hat ein globales Minimum in x=0, da die Funktion überall \(\geq0\) ist. Sie ist unendlich oft differenzierbar, aber ihre erste Ableitung soll angeblich keinen Vorzeichenwechsel in der Null haben? Das verstehe ich nicht. Die erste Ableitung lautet doch
\[f'(x)=\begin{cases}\frac{2}{x^3}\mathrm{e}^{-\frac{1}{x^2}}\sin\left(\frac{1}{x^2}\right)\cdot\left(\sin\left(\frac{1}{x^2}\right)-2\cos\left(\frac{1}{x^2}\right)\right) & x\neq0\\0&x=0.\end{cases}\]
Hat die erste Ableitung nicht unendlich viele Vorzeichenwechsel in der Umgebung der Null?
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lula
Senior  Dabei seit: 17.12.2007 Mitteilungen: 11579
Wohnort: Sankt Augustin NRW
 | Beitrag No.1, eingetragen 2023-09-22
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Hallo
nein, da e^(-1/x^2) das ganze beherrscht. siehe das Bildchen. grün die Funktion, rot die Ableitung
https://matheplanet.de/matheplanet/nuke/html/uploads/c/20953_Bildschirmfoto_2023-09-22_um_12.33.50.png
lula
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zippy
Senior  Dabei seit: 24.10.2018 Mitteilungen: 5147
 | Beitrag No.2, eingetragen 2023-09-22
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\quoteon(2023-09-22 11:22 - MasterWizz im Themenstart)
Hat die erste Ableitung nicht unendlich viele Vorzeichenwechsel in der Umgebung der Null?
\quoteoff
Ja, die hat sie.
Das ist aber etwas anderes als ein Vorzeichenwechsel an der Stelle $0$.
\quoteon(2023-09-22 12:36 - lula in Beitrag No. 1)
nein, da e^(-1/x^2) das ganze beherrscht. siehe das Bildchen.
\quoteoff
Zeigt das Bildchen nicht eher, dass man die Frage nicht mit einem Bildchen beantworten kann?
--zippy
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MasterWizz
Aktiv  Dabei seit: 24.10.2018 Mitteilungen: 179
 | Beitrag No.3, vom Themenstarter, eingetragen 2023-09-22
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\quoteon(2023-09-22 13:43 - zippy in Beitrag No. 2)
\quoteon(2023-09-22 11:22 - MasterWizz im Themenstart)
Hat die erste Ableitung nicht unendlich viele Vorzeichenwechsel in der Umgebung der Null?
\quoteoff
Ja, die hat sie.
Das ist aber etwas anderes als ein Vorzeichenwechsel an der Stelle $0$.
\quoteoff
Wie genau kann nachgewiesen werden, dass die erste Ableitung der Funktion keinen Vorzeichenwechsel in $0$ hat? Intuitiv hätte ich vermutet, dass die Funktion bis zum Minimum hin fällt und von dort aus wieder wächst. Aber wahrscheinlich passiert das genau deshalb nicht, weil die Funktion in jeder noch so kleinen Umgebung um die $0$ unendlich oft fallendes und wachsendes Verhalten zeigt.
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zippy
Senior  Dabei seit: 24.10.2018 Mitteilungen: 5147
 | Beitrag No.4, eingetragen 2023-09-22
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\quoteon(2023-09-22 14:38 - MasterWizz in Beitrag No. 3)
Wie genau kann nachgewiesen werden, dass die erste Ableitung der Funktion keinen Vorzeichenwechsel in $0$ hat?
\quoteoff
Offensichtlich hat $f'$ Vorzeichenwechsel an den Stellen $x_n=1/\sqrt{\mathstrut n\pi}$ für $n\in\{1,2,\ldots\}$.
Hätte $f'$ einen Vorzeichenwechsel bei $x=0$, so gäbe es ein $\varepsilon>0$ derart, dass $f'$ auf $(0,\varepsilon)$ entweder stets positiv oder stets negativ ist. Das kann aber wegen $x_n\to0$ für $n\to\infty$ nicht sein.
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MasterWizz
Aktiv  Dabei seit: 24.10.2018 Mitteilungen: 179
 | Beitrag No.5, vom Themenstarter, eingetragen 2023-09-22
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\quoteon(2023-09-22 15:25 - zippy in Beitrag No. 4)
\quoteon(2023-09-22 14:38 - MasterWizz in Beitrag No. 3)
Wie genau kann nachgewiesen werden, dass die erste Ableitung der Funktion keinen Vorzeichenwechsel in $0$ hat?
\quoteoff
Offensichtlich hat $f'$ Vorzeichenwechsel an den Stellen $x_n=1/\sqrt{\mathstrut n\pi}$ für $n\in\{1,2,\ldots\}$.
Hätte $f'$ einen Vorzeichenwechsel bei $x=0$, so gäbe es ein $\varepsilon>0$ derart, dass $f'$ auf $(0,\varepsilon)$ entweder stets positiv oder stets negativ ist. Das kann aber wegen $x_n\to0$ für $n\to\infty$ nicht sein.
\quoteoff
Puh das wirkt sehr technisch. Wenn du es so aufschreibst, macht das schon Sinn. Bzw. scheint das gleiche Argument auch für $x_n=1/\sqrt{n\pi+\arctan(2)}$ zu gelten wegen der Klammer in der Ableitung. Ist aber am Ende richtig zu sagen "es gibt keinen Vorzeichenwechsel in $0$" oder eher "es gibt kein eindeutiges Monotonieverhalten in einer Umgebung von $0$"? Im Übrigen habe ich die Information aus Wikipedia und da sollte man ja eh immer vorsichtig sein mit der Genauigkeit.
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cramilu
Aktiv  Dabei seit: 09.06.2019 Mitteilungen: 2658
Wohnort: Schwäbischer Wald, seit 1989 freiwilliges Exil in Bierfranken
 | Beitrag No.6, eingetragen 2023-09-22
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Hallo MasterWizz, ich komme für die Ableitung
auf das gleiche Ergebnis.
Substituiert man dann mit \(\cos(x)=\frac{\sin(x)}{\tan(x)}\) , erhält man:
$$
f^\prime(x)=\begin{cases}\frac{2}{x^3}\mathrm{e}^{-\frac{1}{x^2}}\sin^2\left(\frac{1}{x^2}\right)\cdot\left[1-\frac{2}{\tan\left(\frac{1}{x^2}\right)}\right] & x\neq0\\0&x=0.\end{cases}
$$
Und dem sieht man an:
1. Die \(e\)-Funktion verstärkt für kleine Beträge von \(x\)
maßgeblich das Noch-Kleiner-Werden der Ableitungsbeträge.
2. Der Koeffizient der \(e\)-Funktion lässt durch den ungeraden
Exponenten den Graphen der ersten Ableitung punktsym-
metrisch bezüglich \((0\vert0)\) werden.
3. Der Tangens-Teilterm in der hinteren Klammer ist es, der
für kleine Beträge von \(x\) und damit große \(\tan\)-Argumente
weiterhin für periodische Vorzeichenwechsel sorgt, wenn
man sich auch noch so sehr der Null annähert.
Wann immer Du nun ein Epsilönchen \(\varepsilon\) mit Betrag nahe Null
betrachtest, wirst Du natürlich feststellen, dass gilt:
\(f^\prime(\varepsilon)=-f^\prime(-\varepsilon)\) . Für einen Vorzeichenwechsel in \(0\) ist jedoch
die Intervallbetrachtung maßgeblich, welche zippy erläutert
hat. In diesem speziellen Fall könnte man wohl sagen, dass
die erste Ableitung der Funktion in \(0\) einen infinitesimal win-
zigen Vorzeichenwechsel aufweist... also einen beliebig mick-
rigen... und damit praktisch keinen.
Oder als Gleichnis mit Zoom an einem Mathe-Mikroskop:
Wir zoomen mit einem bestimmten Faktor an den Ursprung
heran und erkennen, wie vermeintlich das Ende eines Stalak-
titen von oben die x-Achse berührt. Zoomen wir weiter, ent-
decken wir: Halt! Tatsächlich ragt das Ende unten ein wenig
über, und in Wirklichkeit ist es dann ein kleiner, im Scheitel in
die Gegenrichtung umschwingender Stalagmit, dessen Ende...
Halt! (wir haben weiter gezoomt) Auch letzterer zeigt in seinem
Scheitel wieder einen inneren Umschwung. Und so weiter.
Dabei wird die Wölbung des innersten Buckels immer flacher.
[Die Antwort wurde nach Beitrag No.4 begonnen.]
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MasterWizz
Aktiv  Dabei seit: 24.10.2018 Mitteilungen: 179
 | Beitrag No.7, vom Themenstarter, eingetragen 2023-09-22
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Super, vielen Danke euch allen für eure hilfreichen Antworten!!
Auch nach so vielen Jahren hab ich mal wieder was neues dazu gelernt bei solchen Grundlagen. Irgendwie ernüchternd und erfrischend zugleich haha. Ich wünsche euch ein schönes Wochenende! 🙂
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MasterWizz hat die Antworten auf ihre/seine Frage gesehen. MasterWizz hat selbst das Ok-Häkchen gesetzt. |
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