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Analysis » Differentialgeometrie » Repräsentation einer Differentialform
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Universität/Hochschule J Repräsentation einer Differentialform
MathR
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  Themenstart: 2023-10-03

Hey zusammen, ich wende mich mit einer Frage aus der Differentialgeometrie an euch, die sich auf do Carmos "Differential Forms and Applications" bezieht. Auf den Seiten 46/47 erklärt er, was man unter der Repräsentation einer Differentialform $\omega$ auf einer Mannigfaltigkeit bei einer gegebenen Paramerisierung $f_\alpha$ versteht. Er definiert (S. 47): $$ \omega_\alpha(v_1,\dots,v_k) = \omega(df_\alpha(v_1),\dots,df_\alpha(v_k)). $$ Ich habe mich gefragt, warum man das überhaupt auf diese Weise definieren darf mit den Mitteln, die man bis dahin zur Verfügung hat. Denn hier wird vorausgesetzt, dass die Parametrisierung $f_\alpha$ differenzierbar ist. Aber woher weiß man das? Mein Gedanke war, die Differenzierbarkeit mit der Definition der Differenzierbarkeit von Abbildungen zwischen Mannigfaltigkeiten zu zeigen (S. 38): Jetzt kann man $$ f_\beta^{-1}\circ f_\alpha = f_\beta^{-1}\circ f_\alpha \circ Id $$ schreiben. Da die linke Seite gemäß der Definition differenzierbar ist (Kartenwechselabbildung, S. 34, Definition 1, (2)), ist es auch die rechte, folglich haben wir, dass $f_\alpha$ differenzierbar ist. Ist dieses Vorgehen korrekt? Jetzt macht do Carmo weiter und will definieren, was $d\omega$ bedeutet. Dazu schreibt er, dass es eine (und nur eine Form) gibt, die die dort beschrieben Eigenschaft hat. Bei Königsberger, Analysis 2 wird auch gezeigt, dass es diese gibt, aber er benutzt dort, dass das Differential $df_\alpha$ bijektiv auf den Tangentialraum abbildet. Auch das wird bei do Carmo nicht gezeigt oder erwähnt. Meine Frage ist, ob das überhaupt stets bei allgemeinen differenzierbaren Mannigfaltigkeiten so ist und falls ja, wie man das zeigen kann. Ich danke euch im Voraus! Ganz liebe Grüße MathR


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nzimme10
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  Beitrag No.1, eingetragen 2023-10-04

\(\begingroup\)\(\renewcommand{\i}{\mathrm{i}} \renewcommand{\Re}{\operatorname{Re}} \renewcommand{\Im}{\operatorname{Im}} \newcommand{\e}{\mathrm{e}} \renewcommand{\d}{\mathrm{d}} \renewcommand{\dd}{\ \mathrm d} \newcommand{\ddz}{\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}z}} \newcommand{\ddw}{\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}w}} \newcommand{\ddt}{\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}} \newcommand{\opn}{\operatorname} \newcommand{\rot}{\opn{rot}} \newcommand{\div}{\opn{div}} \let\oldvec=\vec \renewcommand{\vec}[3]{\begin{pmatrix} #1 \\ #2 \\ #3 \end{pmatrix}}\) Hallo, ich verstehe nicht ganz, warum du fragst, ob er das darf. Er hat an dieser Stelle bereits definiert, was eine Mannigfaltigkeit ist, was Differenzierbarkeit zwischen Mannigfaltigkeiten bedeutet, was das Differential ist und was eine solche Parametrisierung ist. Konkret ist $f_\alpha\colon U_\alpha\to M$. Wir wählen $x\in U_\alpha$ und haben die Parametrisierung $\opn{id}_{U_\alpha}\colon U_\alpha\to U_\alpha$ von $U_\alpha$ um $x$ sowie die Parametrisierung $g:=f_\alpha$ von $M$ um $f_\alpha(x)$. Weiterhin ist $f_\alpha(\opn{id}_{U_\alpha}(U_\alpha))\subseteq g(U_\alpha)$ und die Abbildung $$ g^{-1}\circ f_\alpha \circ \opn{id}_{U_\alpha}=\opn{id}_{U_\alpha} $$ ist in $\opn{id}_{U_\alpha}^{-1}(x)$ differenzierbar. Im Sinne von Definition 2 auf Seite 38 ist $f_\alpha$ damit in $x$ differenzierbar. $x$ war beliebig und somit ist $f_\alpha$ insgesamt differenzierbar. In der Tat sind die Definitionen gerade so gemacht, dass $f_\alpha\colon U_\alpha\to f(U_\alpha)$ sogar ein Diffeomorphismus ist. (Es ist schon richtig, dass man sich das einmal klarmachen muss. In jedem Fall sind aber alle Begriffe definiert.) Deine anschließende Frage ist genau das, was wir letztens in https://matheplanet.de/matheplanet/nuke/html/viewtopic.php?topic=263564 besprochen haben. Allerdings haben wir in diesem Fall die Differenzierbarkeit zwischen Mannigfaltigkeiten und alles ist etwas einfacher. Daher verstehe ich das Problem hier ebenfalls nicht. Auf Seite 47 rechnet er nach, wie sich die lokale Darstellung bei Koordinatenwechsel verändert und zeigt anschließend, dass die Definition von $\d\omega$ als $\d\omega_\alpha$ sich bei Koordinatenwechsel richtig verhält und damit wohldefiniert ist. Dass es wirklich nur eine solche Form gibt, haben wir in dem letzten Thread besprochen. Man muss eben einen kleinen (manchmal auch großen) Preis zahlen, wenn man Dinge mit Hilfe von Koordinaten definiert😄 Eine kleine Anmerkung noch: Du solltest aufpassen, wenn du z.B. Königsberger mit diesem anderen Buch vergleichst. Königsberger arbeitet ausschließlich mit Untermannigfaltigkeiten von $\mathbb R^n$, weshalb die technischen Details oft etwas unterschiedlich sind. LG Nico\(\endgroup\)


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MathR
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  Beitrag No.2, vom Themenstarter, eingetragen 2023-10-04

Lieber Nico, zunächst möchte ich mich ganz herzlich für deine Mühen und deine ausführliche Hilfe bedanken, das weiß ich wirklich sehr zu schätzen und es ist nicht selbstverständlich. Dankeschön! Mit "ob er das darf" war letztlich das gemeint, was du in deinem Beitrag ergänzt bzw. ausgeführt hast. Zwar sind die Begriffe alle definiert und erklärt, aber do Carmo setzt einiges unerwähnt voraus, was nicht im Fließtext oder in einem Satz nachgewiesen wird -- zum Beispiel hier die Differenzierbarkeit der Abbildungen $f_\alpha$. Das, was du geschrieben hast, hätte ich mir letztlich in dem Buch gewünscht. Aber naja, man kann nicht alles haben 😃 Hast du noch einen Vorschlag, wie man sieht, dass die Parametrisierungen diffeomorph auf $f_\alpha(U_\alpha)$ abbilden? Die Sache mit der Eindeutigkeit war mir dank deiner Hilfe letztlich klar geworden. In diesem Beitrag hier ging es mir um die Existenzfrage. Wobei ich da bei Königsberger geschaut habe, da er es ausführt. Er benutzt aber, wie du auch geschrieben hast, andere Voraussetzungen aus genannten Gründen. Jetzt wollte ich gern die Idee übertragen und mit den Mitteln einsehen, die do Carmo zur Verfügung stellt. Genau, dass Königsberger mit Untermannigfaltigkeiten des $\mathbb{R}^n$ arbeitet, habe ich bemerkt. Ich selbst habe es damals im Studium in Analysis 3 auch so kennengelernt, wir hatten uns eng am Forster, Analysis 3 orientiert. Da bei ihm aber beispielsweise Formen immer auf offenen Mengen des $\mathbb{R}$ (in denen die Untermannigfaltigkeiten Teilmengen dieser sind) definiert sind, sind viele Begriffe einfacher. Ich wollte für mich nun lernen, wie man es "präziser" bzw. allgemeiner machen kann und habe gehofft durch Königsberger, Spivak und do Carmo den Bogen des Verständnisses schlagen zu können. Ganz herzliche Grüße!


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  Beitrag No.3, eingetragen 2023-10-04

\(\begingroup\)\(\renewcommand{\i}{\mathrm{i}} \renewcommand{\Re}{\operatorname{Re}} \renewcommand{\Im}{\operatorname{Im}} \newcommand{\e}{\mathrm{e}} \renewcommand{\d}{\mathrm{d}} \renewcommand{\dd}{\ \mathrm d} \newcommand{\ddz}{\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}z}} \newcommand{\ddw}{\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}w}} \newcommand{\ddt}{\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}} \newcommand{\opn}{\operatorname} \newcommand{\rot}{\opn{rot}} \newcommand{\div}{\opn{div}} \let\oldvec=\vec \renewcommand{\vec}[3]{\begin{pmatrix} #1 \\ #2 \\ #3 \end{pmatrix}}\) Grundsätzlich glaube ich, dass es durch die abstrakte Sichtweise einfacher wird. Bei Untermannigfaltigkeiten muss man in der Regel mehr technische Details beachten. Dass $f_\alpha(U_\alpha)$ offen ist, ergibt sich aus der Definition der Topologie auf $M$, die von der differenzierbaren Struktur abgeleitet wurde (also bei der konkreten Herangehensweise aus dem zitierten Buch, welche ich mal als etwas unüblich bezeichnen würde). Nun kannst du wieder einfach mit der Definition 2 zeigen, dass auch $f^{-1}_\alpha\colon f_\alpha(U_\alpha)\to U_\alpha$ differenzierbar ist. Deine Frage mit der Existenz konnte ich noch nicht ganz nachvollziehen. Wir können, da die $f_\alpha$ Diffeomorphismen sind, mit Hilfe der $f_\alpha$ nach $\mathbb R^n$ zurückziehen oder von dort nach $f_\alpha(U_\alpha)$ zurückziehen. LG Nico\(\endgroup\)


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MathR
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  Beitrag No.4, vom Themenstarter, eingetragen 2023-10-04

Lieber Nico, danke für deinen Hinweis. Mit der Existenz meinte ich das, was du im letzten Absatz beschreibst. Königsberger zeigt explizit, dass es eine Form $\omega$ auf der Mannigfaltigkeit $M$ gibt, die $f_\alpha^*\omega = \omega_\alpha$ erfüllt, wobei $\omega_\alpha$ Formen auf den Parameterräumen eines Atlas von $M$ sind, die die Verträglichkeitsbedingung (die auch bei do Carmo steht) erfüllen. Die Existenz dieser Differentialform weist er nach, indem er sie konkret angibt. Dazu wird verwendet, dass die Abbildungen $f_\alpha$ differenzierbar (das hast du mir vorhin erklärt, wie man es im abstrakten Setting wie bei do Carmo einsieht) sind und diese Ableitungen sogar isomorph auf den Tangentialraum abbilden. Ich würde behaupten, dass man die Isomorphie nun erhält, da die Parametrisierungen diffeomorph abbilden und damit die Ableitungen invertierbar sind. Jetzt kann man das Argument bei Königsberger auch auf die Situation bei do Carmo anwenden. Da du wirklich viel Ahnung hast, was mich sehr begeistert, wollte ich fragen, ob du gute Literatur hast, die du empfehlen kannst, um sich etwas einzuarbeiten? Herzliche Grüße!


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nzimme10
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  Beitrag No.5, eingetragen 2023-10-04

\(\begingroup\)\(\renewcommand{\i}{\mathrm{i}} \renewcommand{\Re}{\operatorname{Re}} \renewcommand{\Im}{\operatorname{Im}} \newcommand{\e}{\mathrm{e}} \renewcommand{\d}{\mathrm{d}} \renewcommand{\dd}{\ \mathrm d} \newcommand{\ddz}{\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}z}} \newcommand{\ddw}{\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}w}} \newcommand{\ddt}{\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}} \newcommand{\opn}{\operatorname} \newcommand{\rot}{\opn{rot}} \newcommand{\div}{\opn{div}} \let\oldvec=\vec \renewcommand{\vec}[3]{\begin{pmatrix} #1 \\ #2 \\ #3 \end{pmatrix}}\) do Carmo macht das eigentlich auch, aber man muss sich da schon noch ein paar Sachen selbst überlegen. Das Buch gefällt mir persönlich als einführende Literatur nicht, weil es viel zu knapp formuliert ist. Es gibt ein paar Bücher, die ich dir gerne empfehlen kann und die ich selbst verwendet habe / verwende. Zunächst moderne Lehrbücher, die die abstrakte Sichtweise ausführlich behandeln: $\bullet$ Introduction to Smooth Manifolds von John M. Lee. (Ich würde sagen das Standardwerk) $\bullet$ An Introduction to Manifolds von Loring W. Tu. Und dann noch zwei Bücher, die sehr viel mit Anschauung und Intuition arbeiten und bei denen die Konzepte sehr gut motiviert werden: $\bullet$ Visual Differential Geometry and Forms von Tristan Needham. $\bullet$ A Visual Introduction to Differential Forms and Calculus on Manifolds von Jon Pierre Fortney. LG Nico\(\endgroup\)


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  Beitrag No.6, vom Themenstarter, eingetragen 2023-10-04

Ganz lieben Dank für deine Hilfe und deine Literaturtipps. Einen schönen Abend und liebe Grüße, MathR


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